China: Platzhirsche fühlen sich bedroht

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  • März 7, 2024
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Ein Beitrag von Felix Feistl

Shutterstock/ f11photo

China ist eine schnell wachsende, globale Supermacht. Das Land hat sich von einem Dritte-Welt-Land zu einer riesigen Ökonomie entwickelt, und das in erstaunlich kurzer Zeit. Das ist für den Westen so bedrohlich, dass er mit allen Mitteln versucht, Chinas Aufstieg zu begrenzen. So führt insbesondere die USA einen Handelskrieg gegen dieses Land, verhängt Sanktionen, und führende Vertreter der USA sehen einen Krieg gegen China als unausweichlich an. Dieser könnte über Taiwan losbrechen, einer Insel, die von Festlandchina beansprucht wird, deren Regierung sich selbst jedoch als die legitime Regierung Chinas betrachtet. Nicht umsonst ist der offizielle Name Taiwans „Republik China“.

Dabei scheint schon jetzt ausgemacht, wer diesen Krieg gewinnt. Das riesige China, mit seiner ebenso riesigen Armee aus über 2 Millionen Soldaten, könnte das kleine Taiwan einfach überrennen. Hinzu kommt die gigantische chinesische Ökonomie, die einen Krieg viel leichter bewältigen kann. Doch schaut man sich das Land etwas genauer an, dann könnte der Schein durchaus trügen, und so sagen viele Analysten und Beobachter voraus, dass China seinen Höhepunkt bereits überschritten hat.

Chinas ökonomischer Erfolg ist in der jüngeren Geschichte beispiellos. Seit der schrittweisen Öffnung der chinesischen Wirtschaft in den 1980er und 90er Jahren konnte das Land ein enormes Wachstum — über viele Jahre sogar im zweistelligen Bereich — verzeichnen. Einer der Gründe dafür ist die Einrichtung von sogenannten „Sonderwirtschaftszonen“, wie die Stadt Shenzen am Perlflussdelta.

In diese Zonen wurden westliche Konzerne gelockt, indem man ihnen niedrige Steuersätze sowie staatliche Subventionen und Investitionen versprach. Auf diese Weise ist aus dem kleinen Shenzen, einer Stadt, die ehemals von Fischerei gelebt hat, eine Millionenmetropole geworden. Alle westlichen Technologiekonzerne wie Apple und Google lassen hier ihre Waren fertigen.

Durch diese schrittweise Öffnung wurde China die „Werkbank der Welt“. Das ist natürlich nicht ganz richtig, denn man müsste richtigerweise sagen, dass China die „Werkbank des Westens“ geworden ist, da es hauptsächlich westliche Konzerne waren, die hier fertigen ließen.

Ein entscheidender Faktor des chinesischen Wachstums ist auch die Bevölkerungsexplosion. Nach dem Ende des Bürgerkrieges Mitte des letzten Jahrhunderts setzte — zumindest auf dem Festland — ein enormes Bevölkerungswachstum ein, das China schnell zu dem einwohnerstärksten Land der Welt machte. Beinahe 1,5 Milliarden Menschen lebten auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung in dem Land. Das machte auch die Arbeiterklasse zu einer gigantischen Armee an Arbeitskräften, was dazu führte, dass die Löhne lange niedrig blieben. Auf diese Weise konnten westliche Konzerne über Jahrzehnte günstig in dem Land produzieren. Dieses Bevölkerungswachstum machte auch die chinesische Armee zur größten der Welt.

Doch seit einigen Jahren hat dieses Bevölkerungswachstum sein vorläufiges Ende erreicht. Tatsächlich ist die Geburtenrate Chinas zwischen 2017 und 2023 um bis zu 70 Prozent zurückgegangen. Die chinesische Bevölkerung schrumpft, und das hat nichts mit Corona zu tun, und wahrscheinlich auch nur zum Teil etwas mit dem Genspritzen, die in China wahrscheinlich genau so verheerende Folgen hatten wie hierzulande und anderswo.

Tatsächlich handelt es sich bei dem Bevölkerungsschwund um die Spätfolgen der Ein-Kind-Politik, welche die Kommunistische Partei in den 1980er Jahren eingeführt und erst 2016 wieder aufgehoben hatte. Diese sah vor, dass Paare nur ein Kind haben durften. In China werden jedoch kulturell bedingt Jungen bevorzugt, da diese als spätere Versorger der Eltern betrachtet werden, und weil Mädchen zu verheiraten für die Eltern sehr teuer sein kann. Die Ein-Kind-Politik hatte daher zur Folge, dass Mädchen abgetrieben oder zur Adoption freigegeben wurden, wenn Paare versuchten, männlichen Nachwuchs zu bekommen. Die Folge: Heute gibt es bis zu 35 Millionen mehr Männer als Frauen, und diese Männer werden niemals eine Partnerin finden und auch keinen Nachwuchs hervorbringen.

Die schrumpfende Bevölkerung hat auch enorme ökonomische Konsequenzen für das Land. Die demographische Entwicklung führt zu einer Überalterung der Bevölkerung, ähnlich wie im Westen. Mit einer solchen geht jedoch auch eine Abnahme des Wirtschaftswachstums einher.

Als Vergleich kann man dazu Japan heranziehen, das bis in die 1990er Jahre einen enormen Aufschwung erlebte. Grund dafür war auch hier das rasante Bevölkerungswachstum. Als dieses jedoch Mitte der 90er Jahre zu stagnieren und dann abzunehmen begann, geschah dasselbe mit dem Wirtschaftswachstum. Die japanische Wirtschaft stagniert bereits seit Jahrzehnten, während die Bevölkerung überaltert. Dasselbe Schicksal könnte China drohen. Auf diese Weise ist auch das Rentensystem gefährdet, ebenso wie andere soziale Sicherungssysteme.

Die abnehmende Bevölkerung, die zudem immer älter wird, hat auch zur Folge, dass die Reservearmee billiger Arbeiter schrumpft. In der Folge steigen die Löhne, Arbeitsplätze können nicht besetzt werden. Auch der ökonomische Aufstieg Chinas hat die Löhne bereits steigen lassen. Daraufhin sind viele Konzerne, insbesondere der Bekleidungsindustrie, in billigere Länder wie Bangladesch abgewandert. Die weiter schrumpfende Bevölkerung könnte denselben Effekt auf andere Industriezweige haben.

Doch noch ein weiterer Faktor des chinesischen Wachstums ist von der negativen Bevölkerungsentwicklung betroffen. Denn Chinas Wachstum geht zu einem sehr großen Teil auch auf den Immobiliensektor zurück. Über Jahrzehnte wurde dieser angetrieben von drei Faktoren: Einerseits musste die wachsende Bevölkerung untergebracht werden. Damit war ein beinahe unerschöpflicher Bedarf an Wohnraum vorhanden. Hinzu kommt, dass Wohnungen über Jahrzehnte die einzige Möglichkeit für die Chinesen waren, Geld zu investieren. Die Industrialisierung und Urbanisierung trieb zudem die Menschen in die Städte, wo es Arbeitsplätze gab. So sind in nur drei Jahrzehnten 260 Millionen Chinesen vom Land in die Städte gezogen.

Außerdem gibt es eine kulturelle Erwartung an Männer, eine Wohnung oder ein Haus zu besitzen, wenn sie heiraten. All das führte dazu, dass der chinesische Staat über Jahrzehnte ganze Städte aus dem Boden stampfen konnte. Denn die Chinesen kauften die Wohnungen oftmals, ohne sie vorher überhaupt gesehen zu haben, und noch lange bevor diese fertiggestellt waren. Doch nicht nur Wohnhäuser, auch Fabriken, Straßen, Bahngleise, Wasser- und Stromleitungen mussten gebaut und verlegt werden.

Immer wieder hörte man von Geisterstädten in China, die einfach in die Landschaft gestellt wurden, um erst Jahre später belebt zu werden. Brücken und Autobahnen wurden ebenso wild in die Landschaft gebaut, um später Städte miteinander zu verbinden. Doch dieser Bauboom hat eine Schattenseite. Denn die Geschwindigkeit, mit der gebaut wurde, geht zulasten der Bauqualität. Viele Gebäude in China sind mit minderwertigen Materialien und unter Vernachlässigung aller nur erdenklichen Sicherheitsstandards errichtet worden. So ist der verwendete Beton oftmals bröckelig und enthält billige Rohstoffe wie einfachen Meersand, der das Metall des verwendeten Stahlbetons zum Oxidieren bringt. Auch Ziegelsteine fallen schnell wieder auseinander, und so ist es kein Wunder, dass immer wieder große Gebäude in sich zusammenbrechen.

Auch das Megabauprojekt des „Drei-Schluchten-Staudamms“, des größten hydroelektrischen Kraftwerks der Welt, ist auf diese Weise gefährdet. Schon kurz nach der Fertigstellung 2018 gab die Regierung bekannt, dass hunderte von Rissen in dem Damm gefunden wurden, von denen einige über 30 Meter lang und mehr als zwei Meter tief waren. Im Laufe der Jahre hat der Damm sich enorm deformiert; insbesondere nach starken Regenfällen im Jahr 2020 gab es die Sorge, der Damm könne brechen. Sollte das passieren, wären hunderte Millionen Menschen davon betroffen. Bei den Berichten könnte es sich aber ebenso gut um westliche Fehlinformation handeln. Denn immerhin ist die Mauer des Damms 115 Meter dick, sodass ein drei Meter tiefer Riss kaum mehr ist als ein Kratzer auf der Oberfläche. Die chinesischen Behörden erklärten zudem, dass die Deformation des Dammes als Teil eines „elastischen Designs“ eingeplant sei.

Der chinesische Bauboom hat eine Reihe von Immobiliengiganten hervorgebracht, unter denen der größte und bekannteste wohl „Evergrande“ ist. Dieser Konzern ist durch den Bau von ganzen Städten groß geworden, hat sein Geschäft aber auch auf andere Bereiche ausgedehnt. So hat er beispielsweise Milliarden an Dollar in den Fußballverein Guangzhou gesteckt, um ausländische Spieler zu kaufen. Auch in andere Bereiche, wie der Landwirtschaft und dem Ölsektor, hat der Konzern sich ausgedehnt und sogar versucht, ein Elektroauto zu bauen. Auch Filmstudios und Gesundheitsindustrien wurden aufgekauft. Evergrande ist so schnell gewachsen und hat so viel Geld ausgegeben, dass die ökonomische Basis, auf der der Konzern steht, niemals wirklich abgesichert war.

Zudem hat der Konzern im Laufe der Zeit ein windiges Geschäftsmodell daraus gemacht, Investoren immer mehr Geld investieren zu lassen, um immer verrücktere Projekte zu finanzieren, da der Konzern vollkommen stabil wirkte. Auch gelegentliche Rückschläge, wie der Verkauf des gesamten Agrargeschäftes, der anschließende Aufkauf von Schweinefarmen oder die mangelhafte Qualität der von Evergrande errichteten Gebäude haben daran nichts geändert. Dieses Geschäftsmodell kam erst an sein Ende, als 2020 ein Fußballstadion fertiggestellt wurde, das aufgrund der ausgerufenen Pandemie niemand nutzen konnte. Investoren haben dann begonnen, ihr Geld zurückzufordern, doch Evergrande konnte nicht zahlen.

Daraufhin wurde der Immobiliensektor durch die chinesische Regierung stärker reguliert. In der Folge kam es zu einem Immobiliencrash in China. Die Pandemiemaßnahmen haben ihr Übriges getan, da die Menschen darauf verzichtet haben, neue Wohnungen zu kaufen. Gleichzeitig saß Evergrande auf einem Schuldenberg von 300 Milliarden Dollar. Der Konzern geriet ins Wanken, was schließlich dazu führte, dass Anfang 2024 von einem Gericht in Hong Kong angeordnet wurde, den Konzern zu liquidieren. Noch ist allerdings unklar, ob dieses Urteil aus Hong Kong in China anerkannt und durchgesetzt werden kann, da Hong Kong aufgrund der britischen Kolonialvergangenheit ein anderes Rechtssystem hat und zudem noch nicht vollständig in China integriert ist. Dennoch hat das Urteil den Aktienkurs des Unternehmens massiv einbrechen lassen.

Dieser Kursverlust gesellt sich zu den ohnehin sinkenden Börsenwerten der chinesischen Aktienunternehmen. Seit 2021 hat der chinesische Aktienmarkt rund 6 Billionen Dollar an Wert verloren. Anfang des Jahres waren die Börsen zudem von extremen Turbulenzen gekennzeichnet. Der chinesische Aktienmarkt erlebte einen Absturz, der erst durch die Intervention der Regierung aufgehalten werden konnte. Hinzu kommt die Stagnation der chinesischen Wirtschaft während der sogenannten Pandemie, von der sie sich bis heute nicht erholt hat.

Auch die westlichen Sanktionen erschweren die Erholung, ebenso wie der Umstand, dass immer mehr ausländische Investoren ihr Geld aus China abziehen. Einer der Gründe ist der Kampf der chinesischen Regierung gegen Korruption und Geldwäsche, der die westlichen Investoren zurückschrecken lässt; aber das vom Westen propagierte „Abkoppeln“ von China ist wohl auch einer der Auslöser.

Der rasante Aufstieg Chinas in den vergangenen Jahrzehnten hat eine gewaltige Industrie hervorgebracht. Im Jahr 2022 machte die Industrie etwa 40 Prozent der chinesischen Wirtschaft aus. Dabei handelt es sich nicht nur um die Industrie ausländischer Konzerne, die in China aufgestellt wurde, sondern die Regierung hat durchaus auch eine eigene Industrie entwickelt. Heute produziert China nicht nur Smartphones, Computer und andere Produkte für westliche Firmen, sondern bringt auch seine eigenen Produkte auf den Weltmarkt. Ein bekannter Hersteller ist dabei „Huawei“, der Smartphones, aber auch Mobilfunk-Infrastruktur produziert. Allerdings hat das Land lange keine eigenen Innovationen hervorgebracht, sondern westliche Produkte und Entwicklungen kopiert. Dies brachte China den Ruf ein, westliche Waren zu kopieren. Und dies geschah hauptsächlich auf zwei Wegen:

Einerseits sind viele junge Chinesen zum Studieren in den Westen gegangen. Von hier haben sie Wissen und Fähigkeiten mit nach China genommen. Andererseits wurden viele Ideen schlichtweg geklaut. Über Jahre haben chinesische Hacker westliche Firmen und Infrastruktur infiltriert, ebenso wie Regierungssysteme. US-amerikanische Tech-Konzerne, die diese Angriffe bis zum chinesischen Militär zurückverfolgten, gaben dieser Hacking-Operation den Namen „Shady Rat“. Die Hacker haben Baupläne und Patente gestohlen und nach China gebracht. In der Folge brachte China eine Reihe von Waren und Geräten auf den Markt, die westlichen erstaunlich ähnelten — darunter auch Militärgeräte, Waffen und Kampfflugzeuge.

Heute jedoch meldet China mehr als eine Million Patente pro Jahr an und liegt damit weltweit bereits auf Platz 14. China ist den Entwicklungen des Westens in den Bereichen Digitalisierung, elektrische Fahrzeuge oder E-Payment um Jahre voraus, aber ebenso im Bereich der Rüstungsindustrie. So war China das erste Land, das eine Hyperschallrakete entwickelt hat, die von klassischer Luftabwehr nicht mehr abzufangen ist. Zudem entstehen in dem Land mehr Start-ups als in jedem anderen Land der Welt. Eine Hürde dabei ist jedoch die Abhängigkeit von Halbleiterchips. Diese werden zum großen Teil vom Rivalen Taiwan gefertigt, und die Maschinen dafür stammen in der Regel aus Europa.

China selbst kann seinen Halbleiterbedarf nicht decken, sondern muss diese importieren, zumeist aus Taiwan. Taiwan wiederum ist abhängig von chinesischen Rohstoffen wie den seltenen Erden, die für die Halbleiter benötigt werden. China verfügt also über die Rohstoffe, investiert kräftig in den Ausbau der eigenen Produktionskapazitäten für Halbleiterchips und vermeldet immer wieder Durchbrüche bei der Entwicklung derselben.

Dennoch steht China vor vielen Herausforderungen und ist mit massiven Problemen konfrontiert. Eine 2019 veröffentlichte Studie von vier Ökonomen kam zu dem Ergebnis, dass Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit 2008 massiv überschätzt wurde, im Durchschnitt um 1,7 Prozentpunkte. Das klingt zunächst nach nicht viel, doch wenn man sich die enormen Summen vor Augen hält, um die es dabei geht, dann wird deutlich, dass die chinesische Ökonomie damit um Milliarden von Dollar überbewertet war. Die Gefahr, dass China die USA als größte Volkswirtschaft ablösen wird, ist damit weit geringer als angenommen.

Wie konnte es zu dieser Überbewertung kommen?

In China werden zu Beginn jedes Jahres Wachstumsraten als Ziel festgelegt. Dabei setzt die Regierung die Zielmarke meist so hoch an, dass es nahezu unmöglich ist, diese zu erreichen. Dennoch erreichen die chinesischen Regionen nicht nur regelmäßig diese Ziele, sondern übertreffen sie oft sogar noch. Grund dafür ist, dass die lokalen Regierungen ihre Wachstumszahlen massiv beschönigen. Die Zentralregierung übernimmt diese Zahlen und gleicht sie an, sodass die Zahlen zusammengenommen das offizielle BIP des Landes ergeben.

Ab der Krise von 2008 wurde diese Angleichung jedoch nicht mehr sonderlich akkurat vorgenommen, sodass die Überbewertung der Wirtschaft anstieg. Das führte dazu, dass Investoren in China einen sicheren Hafen für Investitionen sahen und Geld ins Land pumpten. Damit hat die Überbewertung der Wirtschaft dieser tatsächlich geholfen, sich von der Krise zu erholen.

Doch es gibt noch eine andere Methode, das BIP aufzublähen, und das sind Investitionen. Dies geschieht in Form eines Finanzvehikels für die Lokalregierungen, dem „Local Government Finance Vehicle“ (LGFV), da es diesen eigentlich verboten ist, Geld zu leihen. Diese LGFVs erhalten Land von den Lokalregierungen und verpachten dieses entweder an Bauunternehmen, um etwas darauf zu errichten, oder aber sie hinterlegen dieses Land als Sicherheiten für Kredite bei Banken. Das Geld daraus wird wiederum genutzt, um es in öffentliche Infrastrukturprojekte wie Straßen und Brücken zu investieren.

Diese Projekte sind zwar für die Bevölkerung wichtig, bringen aber wenig Geld zurück, vor allem dann, wenn es sich um Projekte handelt, die nur des Bauens wegen gebaut wurden, um das BIP der Lokalregierung aufzublähen. So entstanden Straßen, die ins Nichts führten, Brücken, die keinen Nutzen hatten und dergleichen mehr. Dies führte zu einer massiven Verschuldung, die jedoch, da der Staat das Geld nicht direkt geliehen hat, versteckt ist. Die Lokalregierungen haben auf diese Weise Schulden in Höhe von 5 Billionen Dollar angehäuft.

Weitere 10 Billionen Dollar an Schulden könnten die LGFVs angehäuft haben. China sitzt damit auf einem gigantischen Schuldenberg, der die offizielle Verschuldung von etwa 80 Prozent der Wirtschaftsleistung um einiges übersteigt. Damit sieht sich China mit einer gewaltigen Schuldenkrise konfrontiert.

Hinzu kommt die Immobilienblase, die in den vergangenen Jahren unter anderem durch den Niedergang von Evergrande mehr oder weniger geplatzt ist. Dadurch sind die Immobilienpreise massiv gefallen, was jedoch schlecht für Investoren ist. Und Investoren sind in China oft auch chinesische Bürger. Denn um in China eine Wohnung zu kaufen, muss der gesamte Betrag im Vorhinein an das Bauunternehmen gezahlt werden, noch bevor der Bau des Hauses überhaupt begonnen wurde. Das Geld wird dann jedoch nicht genutzt, um das Haus zu bauen, sondern um mehr Land zu kaufen, um in Zukunft mehr Gewinne einzufahren.

Es ist ein System, das nur so lange funktionieren kann, wie es Menschen gibt, die dringend Wohnungen benötigen, was mit der Abnahme der Bevölkerung ein Ende findet. Hinzu kommt, dass China bereits heute leerstehenden Wohnraum für etwa 3 Milliarden Menschen zur Verfügung hat.

Ein massives Überangebot für eine Bevölkerung von 1,4 Milliarden, und damit eine gewaltige Blase, deren vorläufiges Ende mit der Abwicklung Evergrandes sowie mehr als 50 weiterer Bauunternehmen erreicht ist. Die Chinesen, die sich bereits verschuldet haben, um die Wohnungen zu kaufen, die jetzt niemals fertig gestellt werden, bleiben auf ihren Schulden sitzen, was auch viele Privatpersonen in eine tiefe Krise stürzt.

Für die Frage eines potenziellen Krieges Chinas mit Taiwan oder den USA ist zudem ein Blick in den Militärapparat von Interesse. Hier berichtete das Medienunternehmen „Bloomberg“ vor nicht allzu langer Zeit von einem massiven Korruptionsskandal, der die militärische Schlagkraft des Landes erheblich schwächen solle. Demzufolge wurde vom zuständigen Personal statt teurer, hochentwickelter Militärtechnik billige und minderwertige angeschafft. So sei beispielsweise kostengünstiger und damit schlechterer Raketentreibstoff eingekauft worden, der zur Folge hat, dass die Raketen eine geringere Reichweite haben. Das eingesparte Geld hätten sich die Verantwortlichen dann selbst in die Tasche gesteckt. Und auch wenn es sich bei Bloomberg um ein westliches Propaganda-Organ handelt, so muss man doch feststellen, dass in letzter Zeit einige hochrangige Militärs, unter anderem der Verteidigungsminister Li Shangfu, ausgetauscht wurden. Damit scheint im Militärapparat Chinas auf jeden Fall etwas vor sich zu gehen, und da China schon lange Probleme mit Korruption hat, ist es naheliegend, dass an diesem Skandal durchaus etwas dran ist.

Wenn China Taiwan also militärisch eingliedern will, wie seit Jahren behauptet wird, dann könnte sich das Fenster dafür bereits schließen. China hat einige schwerwiegende ökonomische Probleme. Zu diesen gehört auch die weltweite Inflation, da diese den globalen Konsum senkt. Das wiederum wirkt sich auf Chinas Exportmarkt aus, der immerhin 20 Prozent des BIP ausmacht.

Das alles, verbunden mit der alternden Bevölkerung und der Korruption im Militär, könnte eine Invasion Taiwans erheblich erschweren, zumal es sich dabei um eine Insel handelt — die großen Bodentruppen für den ersten Angriff können deshalb überhaupt nicht eingesetzt werden. China wäre dabei vollkommen auf die Luftwaffe, die Marine sowie die Mittel- und Langstreckenraketen angewiesen, um überhaupt eine Landung der Bodentruppen vorbereiten zu können. Zudem würden sich die NATO und andere Staaten wie Südkorea und Japan in den Konflikt einschalten. Auch ist der Verteidiger, also Taiwan, immer in einer günstigeren Position als der Angreifer.

Bei genauerer Betrachtung leidet China also unter einer ganzen Reihe wirtschaftlicher, militärtechnischer sowie struktureller Probleme. All das zusammengenommen verleitet einige, vor allem US-amerikanische Analysten, bereits zu der Einschätzung, dass China in naher Zukunft in seiner heutigen Form untergehen wird. Allerdings ist ein Untergang Chinas schon häufig prognostiziert worden. Dabei waren die Propheten jedes Mal überrascht, dass der Untergang nun doch ausblieb. Dabei litten ihre Einschätzungen wahrscheinlich an dem simplen Fehler, dass sie westliche Modelle, Theorien und Ideologien einfach auf China übertrugen. Das jedoch ignoriert die vollkommen andere chinesische Kultur sowie die völlig andere ökonomische Struktur des Landes.

Denn China verfügt über eine staatlich gelenkte Ökonomie. Das bedeutet nicht, dass sich jedes Unternehmen in staatlicher Hand befindet. Es gibt auch in China private Unternehmen. Der Unterschied ist, dass der Staat eine viel direktere Kontrolle ausübt und, beispielsweise im Falle eines Aktiencrashs wie im Januar, direkte Maßnahmen ergreifen und diesen aufhalten kann.

Auch im Immobiliensektor ist der Einfluss des Staates sehr groß.

Was die Schulden angeht, so ist es China bislang immer möglich gewesen, diese zu ignorieren. Dafür bedient sich die Regierung bestimmter Institutionen, in denen die Schulden angehäuft und dann einfach vergessen werden. Der Schuldenberg stellt damit, zumindest bislang, für China kein Problem dar. Chinas vollkommen anderes ökonomisches System macht es für westliche Ökonomen unvorhersehbar. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass China auch in Zukunft nicht untergehen wird.

Das Wachstum des Landes könnte weiter abnehmen, doch das muss den Aufstieg Chinas nicht unbedingt aufhalten. Selbstverständlich ist das Land mit ökonomischen Problemen konfrontiert. Keine Volkswirtschaft kann über Jahrzehnte so extrem wachsen, ohne dass sich Probleme ergeben; und Phasen des Abschwungs gehören im Kapitalismus dazu, das erlebt der Westen bereits seit Jahren. Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, dass China seine Probleme auf unkonventionelle Weise lösen oder anderweitig beseitigen wird.

Bei den Enthüllungen der Korruption im Militär kann es sich um eine Übertreibung westlicher Propaganda handeln. Doch selbst wenn die Berichte der Wahrheit entsprechen, so ist China dem Westen trotzdem militärtechnisch überlegen. Im Gegensatz zu den USA verfügt China über eine Hyperschallrakete, die jegliche Luftabwehr schachmatt setzt. Hinzu kommt, dass China einen großen Teil US-amerikanischer Staatsanleihen hält.

Die USA sind also bei China verschuldet, und sollte ein Krieg zwischen den beiden Mächten ausbrechen, würden die USA durch die Rückforderung der Schulden seitens China augenblicklich in eine Hyperinflation rutschen. Das US-amerikanische Dollarsystem würde kollabieren, und damit ein großer Teil der Weltwirtschaft. Kein Wunder also, dass China, Russland und die anderen BRICS-Staaten derzeit daran arbeiten, den US-Dollar als Weltreservewährung abzuschaffen.

Auch die Operation Shady Rat wäre im Falle eines Krieges für die USA gefährlich. Denn es ist unklar, wie viele US-amerikanische und, denkt man an die NATO, europäische Systeme von chinesischen Trojanern infiltriert sind. Dazu gehören nicht nur Unternehmen, sondern auch die Infrastruktur wie Kraft- und Wasserwerke oder der öffentliche Transport. Im Falle eines Krieges könnten chinesische Hacker diese Systeme über die Trojaner gezielt manipulieren, und damit verheerende Zerstörungen anrichten, wenn man beispielsweise an Atomkraftwerke oder die Wasser- und Elektrizitätsversorgung denkt.

Dennoch ist nicht ausgemacht, wer einen solchen Krieg gewinnen würde. Hoffen wir, dass wir das niemals herausfinden müssen, auch wenn im Westen viele schon zu einem derartigen Krieg trommeln.

Der Beitrag erschien in Erstveröffentlichung im Magazin Manova, Link:https://www.manova.news/artikel/der-scheinriese

Zum Autor: Felix Feistel, Jahrgang 1992, studierte Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Völker- und Europarecht. Schon während seines Studiums war er als Journalist tätig; seit seinem Staatsexamen arbeitet er hauptberuflich als freier Journalist und Autor. So schreibt er für manova.newsapolut.netmultipolar-magazin.de sowie auf seinem eigenen Telegram-Kanal. Eine Ausbildung zum Traumatherapeuten nach der Identitätsorientierten Psychotraumatheorie und -therapie (IoPT), als der er auch arbeitet, erweiterte sein Verständnis von den Hintergründen der Geschehnisse auf der Welt.

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