Die Corona-Protokolle des RKI wurden am Dienstag ungeschwärzt geleakt. Darin finden sich brisante Details zu Drosten, Spahn, Kinderimpfungen und „Gegenwehr aus der Bevölkerung“. Gegen die Impfung von Kindern gab es fachliche Bedenken. Dennoch wurden von der Politik Impfprogramme aufgesetzt. In den Protokollen ist nachzulesen, dass „Empfehlungen durch das RKI in der Rolle einer Bundesbehörde ausgesprochen werden, und einer ministeriellen Weisung zur Ergänzung dieser Empfehlung nachgekommen werden muss, da das BMG (Bundesministerium für Gesundheit) die Fachaufsicht über das RKI hat und sich als Institut nicht auf Freiheit der Wissenschaft berufen kann.“ Das RKI notiert die bittere Erkenntnis in das Protokoll vom 10.09.2021: „Die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI von der Politik ist insofern eingeschränkt.“
Ein Beitrag von Philipp Debionne
Das Rätselraten um geschwärzte Namen und Passagen in den Corona-Protokollen des Robert Koch-Instituts hat ein Ende. Die Journalistin Aya Velázquez hat am Dienstag alle Dokumente ungeschwärzt veröffentlicht. In den Daten finden sich brisante Details aus der Corona-Zeit – und sie verdeutlichen, dass man beim RKI deutlich differenzierter auf die Corona-Politik blickte, als die politisch Verantwortlichen und die meisten Medien der Bevölkerung Glauben machten.
Konkret geht es in den Protokollen aus der Corona-Zeit, die jeweils den Beratungsstand innerhalb des RKI detailliert wiedergeben, etwa um Christian Drosten, der eine eigene Studie nicht veröffentlicht habe, weil sie eine Empfehlung enthielt, die „dem Regierungshandeln widerspricht“ oder auch um Jens Spahn, der die Impfung von Kindern ohne Rücksicht auf die Stiko habe durchsetzen wollen („BM Spahn plant trotzdem ein Impfprogramm“).
Laut RKI-Protokollen sollen zudem der Impfstoffhersteller Pfizer mit der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) darüber nachgedacht haben, ob sie bei der Corona-Impfung „ggf. die Phase-III-Studien auslassen und direkt in eine breite Anwendung gehen.“ Als Phase-III-Studien bezeichnet man klinische Studien, bei denen ein Arzneimittel (hier der Impfstoff) an einem größeren Patientenkollektiv erprobt wird. Mit Phase-III-Studien soll geprüft werden, ob sich Wirksamkeit und die Unbedenklichkeit auch bei vielen unterschiedlichen Patienten bestätigen lässt.
Woher stammen die Dokumente? „Ein/e Whistleblower/in, ein/e ehemalige/r Mitarbeiter/in des RKI, ist auf mich zugekommen und hat mir den Datensatz zugespielt“, sagt Velázquez. Und weiter: „Einzelheiten zur Person unterliegen selbstverständlich dem Informantenschutz, aber soviel kann ich sagen: Die Person hat es aus Gewissensgründen getan. Für die Wahrheit, für eine vollumfängliche Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen – und nicht zuletzt für die Menschen in diesem Land.“ Velázquez recherchiert und veröffentlicht bereits seit geraumer Zeit im Themenfeld von Corona-Politik und -Impfungen.
Mehrere Wochen arbeitete sich Velázquez mit ihrem Team durch die Protokolle und fand unzählige brisante Details, die bislang vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden sollten, weil das RKI die Daten nur geschwärzt herausgegeben hatte – und auch das nur, nachdem der Journalist Paul Schreyer auf Herausgabe der Daten geklagt hatte.
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Velázquez’ Fazit zu dem Datensatz lautet: „Die Corona-Politik basierte nicht auf rationalen, wissenschaftlichen Abwägungen. Zahlreiche politische Entscheidungen, wie etwa 2G, die einrichtungsbezogene und geplante allgemeine Impfpflicht oder die breitflächige Impfung von Kindern waren rein politische Entscheidungen, für die das RKI als weisungsgebundene Behörde eine vermeintlich wissenschaftliche Legitimation geliefert hat.“
Auch die Redaktion der SV Gruppe (Nordkurier und Schwäbische Zeitung) hatte bereits vor der nun erfolgten Veröffentlichung vollständigen Zugriff auf die gesamten Daten und konnte sich eine Übersicht verschaffen.
Information der Redaktion Berlin 24/7: Die Protokolle sind in ganzer Längehier,hierundhierzu finden und können heruntergeladen werden. Das angekündigte Zusatzmaterial von 10 GB Datenvolumen ist momentan nicht mehr auf der Seite rki-transparenzbericht.de zugänglich. Diese Seite zeigt eine Fehlermeldung an.
Zum Autor: Philipp Debionne ist seit 25 Jahren im Nachrichtengeschäft. Wichtigste Erkenntnisse aus dieser Zeit: Die persönliche Beliebtheitsskala darf für einen Journalisten keine Rolle spielen. Angstfreier Journalismus ist eine elementare Stütze jeder demokratischen Gesellschaft. Er ist Autor bei Die Schwäbische, in der die Erstveröffenlichung am 24.Juli 2024 erschien.
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