Der letzte Tango in Paris – Der neue Premier Gabriel Attal ist ein Blender wie der Präsident selbst

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  • Januar 14, 2024
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Ein Kommentar von Haralampi G. Oroschakoff:

shutterstock/Obatala-photography

Seit über 7 Jahren steht Emmanuel Macron unter robustem Druck der Straße sowie der islamischen Mitbürger und am Ende auch in der eigenen Partei. Der Staatspräsident war in seinem Berufsleben Partner von Rothschild und hatte exzellente Beziehungen zu Goldman-Sachs: Dort waren sein Duz-Freund Mario Draghi und der britische Premier Rishi Sunak einmal Manager.   Seit seinem fulminanten Start hat Macron viel vom Nimbus der Lichtgestalt eingebüßt. Er ist heute der unbeliebteste Staatschef der gesamten französischen Geschichte.

Die kommenden Europawahlen dürften für ihn ein Debakel werden: Beobachter erwarten einen Sieg der Kandidatin des rechtsextremen Rassemblement National Marine Le Pen. Sie führt in den Umfragen mit 26,0 % gegen Macrons Partei En Marche mit 20,0 %. Rechnet man auch den konservativen Block, also die Partei von Éric Zemmour, sowie Nicolas Dupont-Aignan zusammen, ergibt dies eine solide Mehrheit von 38%. Macron hat keine Mehrheit mehr und ist stattdessen auf Duldung und Unterstützung der Opposition angewiesen. Sozialisten und Grüne dümpeln unter 10% herum. Die Kommunisten führen ein Schattendasein.

Inzwischen gibt es an die 100 Opfer des islamistischen Terrors. Die Franzosen hatten im Angesicht der Brutalität dieser Anschläge entsetzt reagiert, wie am 16. Oktober 2020 geschehen, als der Lehrer Samuel Paty in der Nähe seiner Mittelschule auf offener Straße enthauptet wurde. Der 18jährige Islamist Abdullah Ansorow wurde beim anschließenden Versuch der Festnahme erschossen. Seit dem Anschlag auf Charlie Hebdo 2015 mit 12 Toten, (die Täter gehörten zur Al-Quaida-Abteilung im Jemen) wurde der Ausnahmezustand in Frankreich schon in 6. Folge verlängert und mittlerweile gesetzlich fixiert. Viele Franzosen werfen dem Elysee vor, den Schutz der Nation nicht gewährleisten zu können. Jetzt hat Emmanuel Macron einen Rettungsanker ausgeworfen, um seinen eigenen Machtverlust zu verlangsamen: den jungen, attraktiven Gabriel Attal. Er wirkt wie die Wiedergeburt von Macron selbst – aber als Lichtgestalt und jugendlicher Held in der Rolle des Premierministers.

Attal ist ein privilegierter Spross aus der Oberschicht: Sein Vater war Filmproduzent und führt seine Ahnenreihe auf den russischen General Baron Fjodor von Meyendorff zurück. Seine Mutter entstammt dem französischen Adel. Attal hat die übliche Eliteausbildung durchlaufen und gehörte zu Klaus Schwabs Förderprogramm „Young global leaders“ in Davos. Er begann seine politische Karriere als Staatsekretär. Danach wurde er beigeordneter Minister im Finanz- und Wirtschaftsministerium. 2023 übertrug ihm Macron das Bildungsressort, wo Attali das „Mobbing in der Schule“ zu seiner Priorität erklärte. Als nächstes setzte er ein Verbot der islamischen Tracht durch und plädierte für die Einführung von Schuluniformen. Wo immer eine Talkshow zu besetzen war, platzierte Macron seinen „Avatar“ vor der Kamera. Dort ertranken Freunde und Gegner in seinem endlos schwadronierenden Redefluss. Verwirrung siegte über Substanz.

Die Franzosen ihrerseits haben für den Shooting Star mittlerweile ein Bonmot entwickelt: „La copie d´Emmanuel“. Gegen ihn tritt der neue „Superstar der Rechten“ an, Jordan Bordella. Auch er ist attraktiv, aber noch jünger, und beeindruckt Freund und Feind. Der Sohn aus einer armen italienischen Einwanderungsfamilie hat sich aus der Enge seiner Existenz mit eiserner Disziplin hochgearbeitet. Rhetorisch ist er Gabriel Attal ebenbürtig. Aber anders als sein Konkurrent formuliert er präzise und spricht zur Sache, auch mit der nötigen Härte.

Im Gegensatz dazu muss sich der junge Premierminister der Intrige erwehren, er habe sich „hochgeschlafen“. Der bekennende Homosexuelle war jahrelang mit dem Regierungssprecher Stéphane Séjourné liiert, ein enger Freund von Macron und seit heute Außenminister der 5. Republik. Attal hat keine Partei und sein Programm beschränkt sich auf die Befehle aus dem Elysee. Ob er als Blitzableiter für den Ärger der Bürger benutzt wird oder als Wunderkerze verglüht – die Fantasielosigkeit des Machterhalts hat mit dieser Rochade eine neue Qualität bekommen. Ein inhaltlicher Neuanfang sieht anders aus.

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