„Unabhängig“, „investigativ“, „umfassende Transparenz unserer Finanzen“ – mit diesen Schlagworten werben die selbsternannten „Faktenchecker“ von Correctiv für die Arbeit ihres „Recherchezentrums“, welches unter anderem in Deutschland von Facebook dafür bezahlt wird, die „Faktenchecks“ auf der Social-Media-Plattform durchzuführen. Die NachDenkSeiten haben sich die Hauptfinanzierungsquellen von 2014 bis heute und den angeblichen „Transparenz“-Anspruch näher angeschaut.
Ein Beitrag von Florian Warweg
Wie alles begann
Correctiv wurde im Januar 2014 gegründet. Die Anschubfinanzierung in Höhe von drei Millionen Euro erfolgte durch die von der deutschen Milliardärin und Gesellschafterin des internationalen Medienkonzerns WAZ (seit 2013 „Funke-Mediengruppe“), Anneliese Brost, ins Leben gerufene Brost-Stiftung. Auf der Seite von Correctiv heißt es unmissverständlich:
„Ohne die Initialförderung durch die Brost-Stiftung wäre der Aufbau von CORRECTIV nicht möglich gewesen.“
Die ZEIT schrieb dazu 2014:
„So finanziert ausgerechnet die langjährige Chefin des westfälischen Zeitungskonzerns, Anneliese Brost, ein Projekt, das den redaktionellen Verkündungsjournalismus früherer Tage auf eine neue Ebene hieven soll.“
Halten wir fest: Die Basisfinanzierung des „unabhängigen Recherchezentrums“ erfolgte durch eine Stiftung, hinter der mindestens indirekt einer der einflussreichsten deutschen Medienkonzerne steht.
Doch von der Brost-Stiftung kam nicht nur die Anfangsfinanzierung, noch 2017 war die Stiftung der WAZ-Verlegerin der mit weitem Abstand größte Einzelspender von Correctiv (mit 450.000 Euro), gefolgt von Googles „Digital News Innovation Fund“ (DNI) und der vom US-Oligarchen George Soros finanzierten Open Society Foundation. Bis zu diesem Zeitpunkt finanzierten Multi-Milliardäre bzw. deren Stiftungen einen Großteil der Arbeit von Correctiv.
eBay-Gründer Omidyar wird größter Geldgeber von Correctiv
Ab 2018 betritt ein neuer Akteur und Haupt-Financier die Bühne. Der US-Multimilliardär und eBay-Gründer Pierre Omidyar bzw. dessen Stiftung „Omidyar Network“ werden nun zum Hauptsponsor von Correctiv. 2018 mit Spenden in Höhe von über 640.000 Euro.
2020 und 2021 wurden laut Correctivs eigenen Angaben je über 400.000 Euro vom Luminate-Omidyar Network überwiesen.
Stichpunktartige Überprüfungen mit den Angaben der Geberseite bestätigen generell die von Correctiv genannten Zahlen. Allerdings fallen dabei gewisse buchhalterische Tricks auf. So erklärt z.B. Luminate-Omidyar auf ihrer Website, dass sie 2020 an Correctiv eine Million Dollar überwiesen hätten, Correctiv selbst gibt, wie bereits angeführt, nur rund 400.000 Euro an, der Rest der Summe wird in Correctivs „transparenter“ Auflistung für 2021 verbucht.
Auch 2022 erhält Correctiv die mit Abstand höchste Spendensumme in Höhe von 636.331,94 Euro vom Omidyar-Netzwerk. Der nächsthöchste Spendenbetrag im Umfang von 361.784,69 Euro stammt von der Landeshauptkasse NRW.
Die Landeshauptkasse ist Teil des Landesamtes für Finanzen von Nordrhein-Westfalen und arbeitet auf Anweisung für die Dienststellen des Landes. Hierbei handelt es sich folglich um staatliche Zuschüsse an Correctiv. Auf der offiziellen Seite der Finanzverwaltung NRW heißt es zur Aufgabenstellung der Landeshauptkasse: „Die Landeshauptkasse NRW nimmt Kassenaufgaben wahr, deren Umfang ihr vom Ministerium der Finanzen NRW zugewiesen wird.“
Diese „Kassenaufgaben“ werden auf der Seite auch näher definiert:
Man fragt sich unweigerlich, welche der klar definierten Aufgabenfelder der Landeshauptkasse die Zahlungen im mittleren sechsstelligen Bereich an die „unabhängigen Faktenchecker“ von Correctiv rechtfertigen. „Die ordnungsgemäße Buchung der Ausgaben und Einnahmen der Dienststellen des Landes NRW“ kann es wohl ebenso wenig sein wie die Rolle als Vollstreckungsbehörde.
Für 2023 ergibt sich ein sehr ähnliches Bild, was die Finanzierung von Correctiv angeht. Erneut kommt die mit Abstand höchste Zuwendung vom US-Milliardär Omidyar und seiner Stiftung (661.018,53 Euro), gefolgt von staatlichen Mitteln. Mit einem Unterschied. Die nächsthöhere Zahlung in Höhe von 431.059,85 Euro stammt diesmal nicht von der Landeshauptkasse NRW, sondern von der Bundeskasse. Bei dieser handelt es sich um eine deutsche Bundesbehörde, die der Generalzolldirektion unterstellt ist. Die Fachaufsicht liegt beim Bundesministerium der Finanzen. Auch in diesem Fall fragt man sich, wieso zahlt eine Bundesbehörde, die der Generalzolldirektion unterstellt ist, hohe sechsstellige Steuergeld-Beträge an eine private „Faktenchecker“-Organisation, die offensichtlich genug finanzielle Ressourcen über private Geber akquirieren kann:
Weitere Partnerschaften und Finanzierungen durch das Omidyar-Netzwerk
Doch zurück zum Hauptfinanzier von Correctiv. Die Omidyar-Gruppe agiert als ein Investmentvehikel, das Hunderte von NGOs auf der ganzen Welt finanziert, zudem mehrere Medienplattformen, unter anderem den als explizit anti-russisch ausgerichteten ukrainischen TV-Sender hromadskeTV.
Neben dem „Omidyar-Network“ hat der eBay-Gründer auch noch unter anderem die Stiftungen Luminate und Democracy Fund gegründet. Während Luminate sich eher einen „liberal-progressiven“ Anstrich gibt und sich unter anderem die Erreichung einer „faireren Welt“ auf die Stiftungsfahnen geschrieben hat, bedient „Democracy Fund“ die andere Seite der politischen Medaille und unterstützt unter anderem den Protagonisten der US-Neokonservativen Bill Kristols und sein Projekt „Defending Democracy Together“.
Omidyar co-finanziert mittels des „Democracy Fund“ auch den transatlantisch ausgerichteten German Marshall Fund, der wiederum aktuelle deutsche Bundesminister wie die amtierende Außenministerin Annalena Baerbock oder auch Agrarminister Cem Özdemir, beide von den Grünen, gefördert hat. Die NachDenkSeiten haben bereits mehrfach die transatlantischen Netzwerke von Baerbock und Özdemir sowie deren Rolle als Einflussagenten nachgezeichnet, zum Beispiel hier und hier.
Durchforstet man die „partner database“-Seite von Luminate, stellt man fest, dass Omidyar allein mit dieser Stiftung 633 Nichtregierungsorganisationen finanziell fördert, darunter de facto alle spendenbasierten „Faktenchecker“-Einrichtungen weltweit. Egal, ob Afrika, Lateinamerika, Asien oder Europa. Wenn es eine privatfinanzierte Faktenchecker-Gruppierung gibt, dann ist Omidyar-Finanzierung dabei.
Selbst die deutsche Wikipedia-Ausgabe verweist im Beitrag zu Omidyar und seinem Netzwerk auf eine Einschätzung von MPN-News zu Omidyar, die da lautet:
„Omidyar arbeitet eng mit den führenden Vertretern der US-Softpower zusammen: Von der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) bis hin zum National Endowment for Democracy (NED) und fungiert als Vermittler für Projekte im Stil der Informationskriegsführung in Ländern auf der ganzen Welt.“
Was sagt Correctiv zu der Finanzierung durch US-Milliardäre und Facebook?
Während Correctiv auf seiner Webseite immer wieder die Unabhängigkeit bei der Arbeit rund um die Faktenchecks betont, kommen Vertreter des „Recherchezentrums“ bei direkten Fragen in Live-Formaten angesichts der erwähnten Financiers schnell ins Schleudern. Beispielhaft steht dafür der Auftritt der Leiterin des Faktenchecks von Correctiv, Alice Echtermann. Bei einer Veranstaltung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) im April 2021 wurde sie vom (ihr zudem sehr zugewandten) Moderator gefragt, ob es für Correctiv ein Problem darstelle, dass die „Rechercheplattform“ von Milliardären finanziert wird. Echtermanns erstaunliche Antwort:
„Hm, wenn man das so sehen möchte, dass so eine Finanzierung ein Indiz für fehlende Unabhängigkeit ist, können wir dem natürlich wenig entgegensetzen.“
Ähnlich aufschlussreich ist auch eine weitere Aussage der Faktencheck-Leiterin im Zuge derselben KAS-Veranstaltung. Vor dem Hintergrund der Betonung der Transparenz durch Correctiv wurde sie gebeten darzulegen, und seien es nur grobe Orientierungszahlen, wie hoch die Finanzierung von Facebook für die Correctiv-Faktenchecks ausfällt. Ihre Antwort?
„Nein. Kann ich nicht. Das darf ich nicht. Wir haben eine Vereinbarung mit Facebook, dass wir über Vertragdetails nicht sprechen dürfen.“
Auf der Webseite von Correctiv wird allerdings unmissverständlich verkündet: „Der transparente Umgang mit unseren Finanzen sowie unabhängige Prüfungen sind unerlässlich für uns.“
Bei der Offenlegung der Finanzierungshöhe für die im Auftrag von Facebook durchgeführten Correctiv-Faktenchecks löst sich die behauptete „Transparenz“ jedoch ganz schnell in Luft auf.
Die Zertifizierung von Correctiv als Faktencheck-Organisation
Correctiv verweist mit Stolz auf seine Zertifizierung durch das „unabhängige International Fact Checking Network“ (IFCN), welches eine „sehr renommierte Organisation“ sei und laut den „Faktencheckern“ aus Essen „weltweit führend in der Forschung zu Desinformation“.
Das IFCN ist an das Poynter-Institut mit Sitz in St. Petersburg (dem in Florida) angegliedert. Und wer finanziert wohl hauptsächlich das IFCN und das mutmaßlich so „renommierte“ Poynter-Institut, die das weltweite „Gütesiegel“ für Faktenchecker vergeben und sich selbst ganz bescheiden als „global leader in journalism“ bezeichnen?
Der geneigte Leser wird vor Überraschung hoffentlich nicht seinen lauwarmen Kaffee verschütten: Das Omidyar-Netzwerk via der dem Leser schon bekannten Luminate-Stiftung sowie dem Democracy Fund. Daneben agiert auch noch die Charles Koch Foundation des US-Multimiliardärs selben Namens als einer der Hauptsponsoren. Er und sein (mittlerweile verstorbener) Bruder David sind zugleich die größten bekannten Förderer der US-amerikanischen Tea-Party-Bewegung. Ach ja, US-Oligarch George Soros tritt via seiner Stiftung Open Society auch als Sponsor auf.
Weitere Förderer von IFCN und dem Poynter-Institut sind so unabhängige Institutionen wie die offen als halbstaatlicher Arm der US-Außenpolitik konzipierte Stiftung National Endowment for Democracy (NED), die sich massiv in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischt und z.B. massiv die rechte Opposition in Ländern wie Venezuela, aber auch Frankreich unterstützt hat.
Ron Paul kommentierte als Mitglied des US-Repräsentantenhauses die Aktivitäten des NED mit folgenden Worten:
„Was die NED in fremden Staaten unternimmt, wäre in den USA illegal. (…) Es ist orwellianisch zu behaupten, US-Manipulationen von Wahlen in fremden Staaten würde die Demokratie befördern. Wie würden die Amerikaner reagieren, wenn die Chinesen mit Millionen von Dollar bestimmte pro-chinesische Politiker unterstützen würden? Wäre das eine ‘demokratische Entwicklung’?”
Die Frage könnte man auch auf die Situation von Correctiv anwenden. Wie würden Medien und Bundesregierung reagieren, wenn statt US-Oligarchen wie Omidyar russische oder chinesische Oligarchen mit Millionenbeträgen das „Recherche- und Faktencheck-Netzwerk“ Correctiv finanzieren würden? Die Antwort ist recht offensichtlich und führt zugleich das Redaktionsstatut von Correctiv ad absurdum. Bereits bei Punkt 1 heißt es dort:
1. Wir sind journalistische Aufklärer, gehen dahin wo´s weh tut und fremdeln mit der Macht.
Das führt unweigerlich zur nächsten Frage: Wenn im Selbstverständnis von Correctiv „mit der Macht fremdeln“ bedeutet, sich von US-Superreichen mit öffentlich verkündeten Agenda-Setting-Absichten sowie deutschen Bundes- und Landesbehörden einen Großteil der „Recherche“-Arbeit finanzieren zu lassen – was für Rückschlüsse lassen sich dann für das Selbstverständnis „wir sind journalistische Aufklärer“ ziehen?
Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag ist eine aktualisierte Fassung eines Artikels vom Juni 2022 mit dem Titel „Faktencheck der Faktenchecker: Die fragwürdige Finanzierung und Zertifizierung von Correctiv“
Titelbild: Montage: NDS; Bildquelle: commons.wikimedia.org
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Der Beitrag von Autor Florian Warweg erschien in Erstveröffentlichung am 6.02.2024 auf dem Portal Nachdenkseiten. Florian Warweg ist gebürtiger Magdeburger und stieß im Juni 2022 zum Redaktionsteam der NachDenkSeiten. Zuvor arbeitete er u.a. im Bundestag sowie für das Lateinamerikaportal amerika21 und RT DE. Er lebt in Berlin. In der Zeitspanne von 2003 bis 2009 hatte er längere Arbeits- und Studienaufenthalte im Nahen Osten (Syrien, Israel) und Lateinamerika (Chile, Peru, Argentinien, Kolumbien). Für die NachDenkSeiten ist Florian Warweg als Parlamentskorrespondent tätig und wird in dieser Funktion auch die Bundespressekonferenz abdecken. Daneben betreut er das neue NDS-Projekt „Faktencheck der Faktenchecker“.