Die Geschichte einer ungeliebten Karrieristin

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  • August 1, 2024
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Der Staat ist sie: Nancy Faeser hat höchstpersönlich Compact verboten. Dieser Akt wirft nicht nur Fragen zur Verfassung Deutschlands, sondern auch Nancy Faesers auf.

Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente

shutterstock/Alexander H. Jungmann

»Ich habe heute das rechtsextremistische Compact-Magazin verboten«, verkündete Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Morgen des 16. Juli 2024 bei X. Nicht etwa ihr Ministerium, nicht ihr Stab – ja, auch nicht »wir«, wie man das im Rahmen einer in der Bundesregierung beschlossenen Maßnahme vielleicht sagen würde. Nein, Nancy Faeser hat es verboten. Ich, wie sie es aus ihrer Perspektive darlegt – anders als Julius Caesar, der auch mal in der dritten Person von sich gesprochen haben soll.

Sie hielt es eher mit dem Sonnenkönig. L’etat, c’est moi – oder anders formuliert: Die Zensur bin ich. Die Kritik an diesem Vorgehen war nicht gering. Zumindest im Bereich alternativer Medien. Der Mainstream berichtete nicht darüber im Sinne einer Berichterstattung – er zitierte mehr oder weniger aus der Packungsbeilage, die das Bundesinnenministerium, also ihro Gnaden Sonnenministerin Faeser, zum Verbot reichte. Und auch wenn das Verbot sicherlich ein systemischer Vorgang war, dem Sinne nach, dass die Bundesregierung – wie fast alle »demokratischen Regierungen« in Europa – perspektivisch Alternativmedien zur Anpassung zwingen will, so sollte man auch die Person der Nancy Faeser betrachten.

Vergangenheit im zweiten Glied

In Nancy Faeser ist der amtierende Zeitgeist zur Menschwerdung geworden – in ihrer Person begegnen sich all die kleinen und großen Attitüden unserer Zeit. Die Melange mannigfaltiger »Tugendhaftigkeiten« des momentanen Zeitalters hat sich diese Frau ausgesucht, um die Menschheit heimzusuchen – eine Heimsuchung übrigens, die als großer Wurf vorgestellt wird. Denn Faeser gibt gerne die Herrin der Vernunft und des Anstandes.

Faeser wurde im hessischen Bad Soden geboren. Ihr Vater war Bürgermeister in Schwalbach am Taunus. Von 2003 bis 2021 war die Abgeordnete des hessischen Landtages. Vorsitzende ihrer Fraktion in Hessen wurde die Sozialdemokratin im Jahr 2019. Faeser war in ihren hessischen Jahren stets zweite Wahl, stand im Schatten anderer – sie war Teil des Schattenkabinettes Andrea Ypsilantis. Als studierte Juristin sollte sie damals das Justizministerium übernehmen. Die eigene Fraktion – die berühmten vier Abtrünnigen – fiel ihr in den Rücken. Nach Ypsilanti wurde Thorsten Schäfer-Gümbel zum kommenden Mann der Hessen-SPD aufgebaut. Auch dort war sie Teil eines Schattenkabinettes, sie sollte Innenministerin werden, so die SPD die Landtagswahlen gewinnt.

Dass das geschehen sollte, galt als durchaus möglich. Die Prognosen sprachen phasenweise für eine rot-grüne Koalition. Am Ende gingen die Grünen mit der CDU zusammen. Volker Bouffier blieb Ministerpräsident – Nancy Faeser in der Opposition. Und innerhalb dieser Opposition war sie weiterhin nur eine Figur aus dem zweiten Glied ihrer Partei. Gut für Schattenministerien, sich aber sonst den führenden Köpfen unterordnend. Schäfer-Gümbel war in jenen Jahren das Gesicht der hessischen SPD. Ein wenig charismatischer, teils langweiliger Zeitgenosse, dessen Sidekick Nancy Faeser über einige Jahre war.

Faeser blieb auf Landesebene stets unbedeutend. Greifbare Ämter bestätigten sich schlussendlich nicht. Und im Landesverband ihrer SPD war sie die Frau, auf die man nicht setzt – die man anderen zur Seite stellt. 2021 landete sie in Berlin. Sie stellte sich nicht zur Wahl, sondern wurde von Olaf Scholz als Bundesinnenministerin vorgeschlagen. Nicht die hessischen Bürger entsandten sie nach Berlin, sondern der designierte Bundeskanzler rief sie.

Niederlage bei der Hessenwahl 2023

Zwei Jahre später zog es Nancy Faeser zurück in ihre Heimat. Sie kandidierte als Ministerpräsidentin. Wie es um ihre hessische Beliebtheit steht, konnte man im Herbst 2023 gut erkennen. In ihrem heimischen Wahlkreis erreichte sie lediglich den dritten Platz mit gerade einmal 14,8 Prozent der Stimmen. Die hessischen Sozialdemokraten fuhren mit ihrer Spitzenkandidatin insgesamt 15,1 Prozent ein – das mit Abstand schlechteste Ergebnis, das die SPD in Hessen je einfuhr. Faeser fiel freilich weich: Sie blieb einfach Bundesinnenministerin.

Nancy Faesers politischen Laufbahn ist eine Geschichte der Verschmähung und fehlenden Zuneigung der Wähler. Selbst in ihrer Heimat erwärmt sich kaum jemand für die Sozialdemokratin. Anzunehmen, dass das spurlos an jemanden vorbeigeht, erfasst das Wesen der Verschmähung und damit dieser Frau nicht: Sie strebt nach Anerkennung, will in gewisser Weise geliebt werden – wie andere Politiker auch. Dass sie Ministerin wurde, weil man sie vorschlug und nicht, weil der Souverän sie mit einem Mandat ausstattete, führt das Dilemma ihrer politischen Biographie vor Augen.

Verschmähte gieren nach Bestätigung. Und erfolgt die nicht, wollen sie respektiert und im schlimmsten Falle auch gefürchtet werden. Gut möglich, dass wir es bei Nancy Faeser mit dieser Form von Reaktanz zu tun haben. Ihr Ausspruch, sie habe das Verbot erlassen – sie selbst, nicht ihr Ministerium, nicht die Regierung –, verrät eine solche Haltung. Die Bürger mögen sie nicht lieben, nicht schätzen, ja noch nicht mal anerkennen: Aber fürchten können sie sie schon. Und sollen sie sie auch. Als Ersatz für die verschmähte Anerkennung ihrer Person.

Natürlich steckt mehr hinter dem Verbot des Compact-Magazins – nicht nur die verletzte Persönlichkeit einer Frau, die sich nicht richtig gesehen fühlt. Dahinter steckt eine Agenda. Alternativen Medien soll jederzeit der Saft abgedreht werden und Regierungskritik unterbunden werden können. Aber in der Person der Nancy Faeser kommt eine persönliche Komponente hinzu, die sie quasi prädestiniert für diese Aufgabe. Denn eine Regierung, die Regierungskritik unterbindet, deutet auf fehlende Selbstsicherheit hin. Diese Eigenschaft der Bundesregierung ist auch das treibende Attribut der Bundesinnenministerin.  

Zum Autor:  Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Seit 2017 ist er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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