Ein Kommentar von Sven Brajer
Aus und vorbei. Mit der lang erwarteten Gründung der Wagenknecht-Partei wird sich die Linke von der bundespolitischen Bühne endgültig verabschieden. Im Karl-Liebknecht-Haus hat man den Schuss aber immer noch nicht gehört und gibt sich trotzig wie ein Kleinkind – doch Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.
Endlich ist die Katze aus dem Sack! Am vergangenen Montag wurde der Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ auf der Bundespressekonferenz vorgestellt. Die prominente Namensgeberin will vor allem für „wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit“ einstehen, und auch beim Thema Außenpolitik fühlt man sich direkt an die SPD der 1970er bzw. die CDU der 1980er Jahre erinnert. Im Gründungsmanifest heißt es: „Unsere Außenpolitik steht in der Tradition des Bundeskanzlers Willy Brandt und des sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, die dem Denken und Handeln in der Logik des Kalten Krieges eine Politik der Entspannung, des Interessenausgleichs und der internationalen Zusammenarbeit entgegengesetzt haben.“ Das war erwartbar, Überraschungen blieben aus – Wagenknecht bewegte sich stehts im Rahmen des Sagbaren. Beispiel gefällig? Die EU und ihre zentralistische Bürokratie kritisieren? Ja! Den ganzen Laden revolutionär vom Kopf auf die Füße stellen? Wo denkst du hin? Vielleicht wird man aber auch nicht gleich mit der Tür ins Haus gefallen – wer weiß? Denn Sahra Wagenknecht ist klar – und hat es auch kurz angedeutet –, dass sie in der Bundespressekonferenz die ganzen Missstände der geballten, hochdotierten bundesdeutschen Lohnschreiberei vor sich sitzen hat. Deren Fragen zeichnen sich dementsprechend durch die eigene wohlstandsverwahrloste und moralinsaure Filterblase und die bundesdeutsche Staatsräson (der universalistischen „linksgrünen“ Angst vor „rechts“) aus: „Haben Sie ein schlechtes Gewissen?“, „Wird ihre geplante Partei ‚gemeinsame Sache machen‘ mit.“ .“ der AfD ausschließen“? [sic!, Thilo Jung] „Wollen Sie eine Obergrenze bei der Zuwanderung?“, „Sie haben gesagt, Gaza ist ein Freiluftgefängnis – wer ist denn da der Gefängniswärter?“
Wagenknechts Team – das noch einige Fragenzeichen hinterlässt, den man dennoch nur alles Gute mit auf dem Weg geben kann – wirkt auf jeden Fall entschlossen – ganz im Gegensatz zu den „Restlinken“ um Martin Schirdewan. Dem komplett schwarz gekleideten Parteivorsitzenden, welchen im Gegensatz zu seinem Großvater bis 2022 niemand kannte, steht (mal wieder) die schlechte Laune ins Gesicht geschrieben: „Unverantwortlich“ sei das Verhalten von Wagenknecht und Co. – es geht ja auch um Arbeitsplätze und Geld – Nämlich von der Fraktion und der Mitarbeiter.
Gleichzeitig sieht Schirdewan nun „eine große Chance für die Linke“ und meint „heute ist ein guter Tag, um in die Linke einzutreten“ – von Selbstkritik – wie immer in den letzten Jahren bei den verantwortlichen linken Bundesparteivorsitzenden – keine Spur. So soll es denn sein: Die Transformation der einstmals stolzen ostdeutschen Identitäts- und Arbeiterpartei hin zu einer bedeutungslosen ultrawoken Klimasekte ist damit abgeschlossen – doch wie heißt es so schön: „In jedem Ende liegt ein neuer Anfang.“ (Miguel de Unamuno)
Zum Autor: Sven Brajer ist promovierter Historiker, freier Journalist sowie gelernter Einzelhandelskaufmann. Er stammt aus der Oberlausitz, hat in Göttingen und lange in Dresden gelebt, lebt derzeit in Berlin. Er interessiert sich für die deutsche und europäische Sozial-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte des 19.-21. Jahrhunderts, Revolutionsforschung, Geopolitik mit Schwerpunkt Mittel- und Osteuropa, aber auch für aktuelle (finanz-)politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen, insbesondere von Parteien und Bewegungen. Brajers Aufsätze behandeln darüber hinaus die Makrosoziologie und Kommunikationswissenschaft, insbesondere die Funktion und Funktionsweise von Propaganda. Seit dem 22. April 2023 ist er Vizepräsident der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften eV .