Eine vollkommen verrottete Weltmacht

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  • Dezember 17, 2024
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Joe Biden – oder das, was von seiner Zurechnungsfähigkeit übrig ist – plant den Rundumschlag. Er will all seine Weggefährten wie seine Söhne behandeln: Und sie begnadigen. Ob sich Kim Jong-un das trauen würde?

Ein Meinungsbeitrag von Roberto J. De Lapuente

shutterstock/prashantajsingh

Seinen Herrn Sohn hat er schon begnadigt. Hunter Biden geht nicht ins Gefängnis. Er geht direkt über Los, um es monopolystisch zu sagen. Mindestens hat er aber das große Los gezogen: Denn er hat einen Vater, der das verhindern kann – per Dekret. Verstoß gegen das Waffenrecht und ein Steuervergehen: Alles vom Tisch. Es muss für Hunter gewesen sein, wie für einen Monopoly-Spieler, der diese eine Gemeinschaftskarte zieht, die man behalten darf und erst einsetzen kann, wenn man auf das Gefängnis-Feld kommt. Bloß, dass der Freifahrtschein des Herrn Vaters keine Gemeinschaftskarte ist, sondern in gewisser das Gegenteil davon: Ein Schlag gegen die amerikanische Gesellschaft.

Hunter sei unfair behandelt worden, argumentierte der US-Präsident – und dies, weil er eben der Sohn des US-Präsidenten sei. Die Kinder reicher Leute, wir wissen es natürlich, haben es besonders schwer im Leben. Ständig wollen ihnen alle nur übel mitspielen. Sie vor Gericht bringen, ihnen Waffen unterjubeln und ein Steuervergehen anhängen. Joe Biden hofft, dass das amerikanische Volk Verständnis für einen Vater hat, der nicht zusehen will, wie die US-Justiz einen Mann – seinen Sohn – ins Gefängnis steckt, nur weil er Sohn seines Vaters ist.

Generalbegnadigung für die eigene Peer-Group

Dass die US-Justiz korrupt und verschlagen ist: Ist das eigentlich nicht das, was dieser Donald Trump von sich geben soll, glaubte man alles, was man so über ihn lesen kann? Soll er angeblich nicht immer wieder betonen, wie unfair man mit ihm umgehe? Und das, obwohl er nicht Joe Bidens Sohnemann ist – und auch nie war. Vor diesem Donald Trump, der die US-Institutionen mit Dreck bewirft, so hieß es immer wieder aus der Peer-Group der US-Demokraten, müsse man das Land bewahren: Denn das sei der Haupteingang zum Faschismus. Und nun macht Biden einen auf Trump …

Und dies noch viel drastischer als man annehmen durfte, nachdem er sich dazu entschloss, seinem Nachwuchs einen Freifahrtschein auszustellen. Den möchte er nun kopieren und auch anderen in die Hand drücken. Allen voran Anthony Fauci, Immunologe und Chefpandemieplaner des Weißen Hauses. Weil der im Corona-Bericht des Untersuchungsausschusses des Repräsentantenhauses schlecht abschnitt, erwägt der US-Präsident einen solchen drastischen Schritt. Für Fauci und auch andere, die sich fürchten müssen, dass während der Amtszeit von Donald Trump Ungeheuerliches geschieht: Nämlich, dass sie einer juristischen Prüfung mancher Vorgänge in der US-amerikanischen Politik ausgesetzt werden dürfen. Damit die Justiz nicht tätig werden kann, will Joe Biden – oder wer auch immer ihn gerade ins Oval Office führt – nochmal in Vorleistung gehen und eine Generalbegnadigung verfügen.

Einen Schutzschirm will er spannen. Für Fauci, dem ehemaligen Militär Mark Milley, den Senator Adam Schiff oder auch für Liz Cheney, die eigentlich Parteimitglied bei den Republikanern ist – und deren Vater Dick die Grand Old Party maßgeblich geprägt hat. Biden malt dabei ein Bild an die Wand, als ob Trump persönlich alle in Kerkerhaft werfen lassen würde. Dass juristische Verfahren drohen, kann ja durchaus sein – ob zurecht oder nicht, das sei dahingestellt. Aber es waren doch die US-Demokraten, die an die Fairness der US-Justiz glaubten, die Kritik aus dem Lager Trumps als Aufwiegelei ausmachten. Und nun muss man Leute vor eben jener Justiz schützen? Ihnen sogar einen Rettungsschirm aufspannen, damit sie nicht vor Gericht müssen?

The American Way of Slice

Den US-Demokraten nehmen immer weniger Amerikaner ab, sie würden ihre Interessen vertreten. Wie könnten sie das auch annehmen? Während der Wahlkampfkampagnen tummelten sich die Demokraten mit Milliardären aus dem Showbiz vor den Kameras, feierten die horrenden Wahlkampfspenden, die man ihnen zuteilwerden ließ. Weiter weg war diese Partei, die so tut, als sei sie der Rettungsanker von John Doe, noch nie von der Bevölkerung. Über Jahre erzählen sie nun, sie würden gegen die Spaltung, deren Ausdruck der politische Erfolg von Donald Trump ist, angehen. Doch was dabei herumkommt, sah man während des Wahlkampfes: Kamala und Joe kuscheln mit Taylor Swift und halb Hollywood, während Donald Trump bei McDonalds Pommes abfüllt. Natürlich war das Show, selbstverständlich hat dieser Trump keine Ahnung, wie es ist, wenn man sich sein Geld mit richtiger Arbeit verdienen muss: Das Dilemma ist jedoch, dass die Demokraten es nicht mal mehr für nötig halten, eine Show abzuliefern für diese Klientel.

Und jetzt, da die große Kamala-Harris-Promi-Show so viel eher vorbei ist, als man sich in diesen Kreisen erhoffte, haut Sleepy Joe einen nach dem anderen raus. Er eskaliert einen Krieg, den selbst die US-Amerikaner nicht wollen, holt seinen Sohn aus der Scheiße und überlegt einen juristischen Schutzschirm für Leute zu erlassen, die ihm und seiner Weltanschauung nahestehen. Wer glaubt, dass er damit das gespaltene Amerika wieder kittet, muss entweder verblendet oder dann doch dement sein. Das ist doch eine Ohrfeige für jeden, der sich im Leben für das, was er tut, auch selbst zu verantworten hat. Den kleinen Leuten sagt man: Verlass dich auf unseren großartigen US-Rechtsstaat – der richtet es schon. Andere seien schließlich neidisch auf dieses Recht und die sich daraus rekrutierende Gerechtigkeit. Aber Hunter, Fauci und Co. brauchen sich darauf nicht zu verlassen.

Längst sind die Vereinigten Staaten in Scheiben geschnitten. Einen intakten Gesellschaftskorpus gibt es seit Jahrzehnten nicht mehr. Das Land besteht aus verschiedenen Parallelgesellschaften, die man nicht verhindert, oft sogar gefördert hat. Es ist in Stücke geschnitten, in Slices zerteilt worden. Und die US-Demokraten wollten dieses American Way of Slice endlich wieder beheben: Jedenfalls erklärten sie das wortreich. Und nun, da man sie nicht lässt, da man Joe Bidens Präsidentschaft mit einer Abwahl seines zu Ehren gekommenen Running Mates rüde an ein Ende brachte, zerstückelt die noch amtierende Administration das Land weiter in Teile.

Kim Jong-un nickt anerkennend

Überhaupt ist anzumerken, dass Joe Biden seinen ins Auge gefassten Schutzschirm ganz ohne juristischen Prozess aufspannen will. Beim Falle seines Sohnes gab es ja wenigstens noch ein Verfahren, dass er per Dekret beendet hat – aber bei Fauci und Kollegen gibt es keine tätige Justiz. Noch imaginiert man sie sich lediglich. Und weil es so kommen könnte, begnadigt der scheidende Präsident apriorisch. Das muss man sich erstmal trauen. So viel Chuzpe muss man wirklich mal haben. So ein Kärtchen, das einen vor juristischer Verfolgung bewahrt, kennt man eher nicht aus Systemen, die sich Demokratie schimpfen. Sakrosankte Funktionseliten: Die gibt es in – excuse my french, folks! – Diktaturen!

Man kann sich regelrecht vorstellen, wie Kim Jong-un morgens den Pjöngjanger Generalanzeiger aufschlug und las: Biden will eigene Clique mit Dekret von US-Justiz bewahren! Vermutlich nickte er anerkennend und dachte sich: Mensch, dieser Biden, der hat wirklich das Zeug, ein Land so zu führen, wir er es dem kommenden und ehemaligen Präsidenten immer unterstellte.

Es ist schlicht kaum vorstellbar, dass es da draußen noch Leute gibt, die immer noch glauben, die Amerikaner würden in der Welt nur überall intervenieren, weil sie Demokratie und Menschenrechte exportieren wollen. Ein Blick in die Abgründe der eigenen Eliten – auch jener, die für sich in Anspruch nehmen, die eigentlichen Guten zu sein – zeigt doch recht deutlich an, was für eine ethisch, ökonomisch und juristisch verrottete und geradezu caponeske Kamarilla da am Werk ist. Vor vielen Jahren hat der Autor George Packer einen episodenhaften Abriss der jüngeren amerikanischen Geschichte abgeliefert, der einige Beachtung fand. »Die Abwicklung« hieß sein Buch. Und er beschrieb darin, wie die USA intellektuell und moralisch immer mehr abbauten – seinen Anfang nahm der Kontrollverlust, der erst ein Vertrauensverlust war, mit Richard Nixon und Watergate. Seither befindet sich das Land im Niedergang – Emmanuel Todd kommt aktuell zu einer ähnlichen Einschätzung: Seit den Sechzigern befinden sich die Vereinigten Staaten auf dem absteigenden Ast. Die US-Eliten haben sich das Land zur Beute gemacht – alle Eliten. Hüben wie drüben. Joe Biden beweist es dieser Tage.

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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