Wer die Idee hinter Nancy Faesers Demokratieförderungsgesetz verstehen will, sollte Sascha Lobo lesen: Er erklärt aktuell, wie die Demokratie hartnäckig werden soll.
Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente
Die Zeiten haben sich geändert, weiß Deutschlands letzte Irokese zu berichten. Sascha Lobo legt seinen Lesern dar, wie die Demokratie in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung verändert werden muss. Sie kann nämlich nicht mehr warten, bis sie von ihren Feinden angegriffen wird, heißt es in seiner aktuellen Kolumne; er plädiert daher zu einer »Mischung aus Vorwärtsverteidigung, Präventivkampf und härtender Erneuerung der demokratischen Wehrhaftigkeit«.
Lobo bleibt recht vage in seinen Ausführungen, er sieht die Demokratie im Kampf gegen äußere und innere Feinde. Während er die ersteren Feinde recht unvermittelt eingrenzt – er nennt sie »putinartige Diktatoren« –, bleibt er bei den inneren Feinden recht nebulös. Es geht um Frauen-, Juden- und Schwulenhass. Das sind zugegeben allesamt keine schönen Charakterzüge. Warum sie jedoch die Demokratie gefährden, wird natürlich nicht erklärt – solche Behauptungen gelten heute als Prämissen im Diskurs. Später zählt er auch noch Impfgegner und Coronaleugner mit dazu. Die Wut gegen jene, die damals seinem Engagement für die Impfpflicht nichts abgewinnen konnten, sitzt bei Lobo ganz offenbar tief.
Die Vibes der Gleichschaltung
Der Spiegel-Kolumnist versteigt sich in Technologie-Träumereien. Die »hartnäckige Demokratie«, wie er sein Konzept nennt, könne beispielsweise TikTok »nicht kampflos den Demokratiefeinden« überlassen. Was das heißt, erläutert er selbstverständlich nicht. Man kann sich aber zusammenbasteln, was ihm vorschwebt, insbesondere wenn er schreibt, dass es »zur neuen Wehrhaftigkeit der hartnäckigen Demokratie im Innern gehört […], dass der Staat insgesamt nicht wie die letzte und tumbste Digitalknalltüte daherkommt«.
Was in seinen Ausführungen ungesagt mitschwingt, das ist ein Staat, der sich aller Medien bemächtigt. Sie fast lückenlos kontrolliert, Filter einsetzt, lästige Meinungen nicht zulässt, Löschungen anordnet. Man vernimmt Vibes, die – man entschuldige die Reaktivierung dieses historischen Begriffes – die Gleichschaltung avisieren. Die neue Demokratie muss demnach so hartnäckig sein, dass sie die engmaschige Einhegung der freien Rede und der Meinungsfreiheit in Angriff nehmen können soll.
Die hartnäckige Demokratie, die Sascha Lobo hier in den Sinn kommt, ist als eine locker-flockige Diktatur angelegt. In dieser fungiert der Staat quasi ohne Kontrolle. Er wirkt nicht als organisiertes Gemeinwesen, dass sich an die Prämissen des Rechtsstaates zu halten hat, sondern tritt als Hegemon auf. In einem solchen Gebilde übt der Staat die totale Kontrolle über Medien und Kanäle aus, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu gewährleisten. Wer an dieser Stelle etwaige Widersprüchlichkeiten entdeckt, wird künftig gut daran tun, wenn er sie nicht laut artikuliert.
Präventiv kaltstellen?
Denn die hartnäckige Demokratie wartet nicht ab, bis sie angegriffen wird. Sie muss schon vorher tätig werden. Angriff sei ja bekanntlich die beste Verteidigung. Diese Haltung entspricht nicht der demokratischen Grundüberzeugung, dass Tatsachen die Basis jeder Entscheidung sein sollten – man fordert im Grunde ein, schon dann einzugreifen, bevor Tatsachen überhaupt eingetreten sind. Ob sie eingetreten wären, weiß man nicht, keiner kennt Zeitlinien, die nie betreten wurden. Die »hartnäckige Demokratie« muss also einschreiten, wenn auch nur eine mögliche Tatsache hypothetisch im Raum schwebt. Das aber ist die Logik des Totalitarismus.
Wenn man Sascha Lobo so liest, muss man zu der Erkenntnis kommen, dass er genau einem solchen System das Wort redet. Seine Kolumnen dokumentieren bereits seit Jahren, wie die politische Kaste tickt – und wie nahe ihr der Medienbetrieb ist. Ob nun Lobo der Guru der Berliner Blase ist oder ob er nur wiederkäut, was dort ohnehin gefühlt, gefordert und gefummelt wird, bleibt fraglich. Aber klar scheint dennoch zu sein, dass das, was seine »hartnäckige Demokratie« betrifft und die wenigen Informationen, die man zu Nancy Faesers Demokratieförderungsgesetz vernommen hat, wie Geschwister im Geiste wirken.
Das Vorhaben eines Demokratieförderungsgesetzes gibt es seit längerer Zeit. Bereits Ende 2022 forderte das Innenministerium mehr finanzielle Hilfen für Bündnisse und Organisationen, die von sich behaupten, sie würden für die Demokratie eintreten. Vor einigen Wochen legte die Bundesinnenministerin nun noch gesondert 13 Punkte vor, die mit »Maßnahmen gegen Rechtsextremismus« übertitelt sind, aber nicht ganz konkret darlegen, wer damit gemeint sein könnte. Denn das Konvolut spricht sich auch gegen ausländische Einflussnahme, Hass im Netz und Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst aus. Was davon ist per se reine Prävention gegen rechtsradikale Umtriebe?
Wir entscheiden, wer Propaganda machen darf!
Innerhalb der 13 Maßnahmenpunkte fällt allerdings etwas auf: Die Ministerin spricht sich relativ vage formuliert dafür aus, dass der Bundesregierung weitreichende Eingriffsmöglichkeiten gestattet sind – konkrete Aussagen vermeidet sie. Die Trockenlegung von Finanzquellen etwa oder die Zerschlagung von Netzwerken, zeigt deutlich die Hartnäckigkeit, die sich Sascha Lobo in seiner Kolumne wünscht. Sicher, diese Maßnahmenpunkte sprechen deutlich von rechtsextremen Quellen und rechtsextremen Netzwerken – aber das Label irgendwie rechts zu sein, ist dieser Tage schnell vergeben. Daher muss man die Planungen Faesers als Generalangriff auf all jene betrachten, die nicht regierungskonform auftreten.
Man liest das ja auch bei Lobo, er wirft alles in einen Topf. Demokratiefeinde sind Rechte – nicht etwa die vermeintlich »progressiven Kräfte«, die die Demokratie und die Zukunft dieses Landes aufs Spiel setzen, indem sie außenpolitischen Abenteuern erliegen. Und in diesem Topf rechter Demokratiefeinde wirft er alle möglichen Gruppen: Vom alten weißen Mann, den er hier indirekt als Frauen- und Schwulenfeind skizziert, bis zu jenen Menschen, die sich gegen oder gar mehrere eine mRNA-Dosen entschieden haben. Man ist dieser Tage also schnell jemand, der rechts steht. Und damit landet man gewissermaßen unversehens auf Faeser Liste.
Wenigstens lichtet sich am Ende von Lobos Kolumne der Nebel. Er schreibt: »Das ist die hartnäckige Demokratie, oder besser, das kann und muss sie werden: ausdauernd widerstandsfähig gegen Propaganda von außen, Populismus von innen und die immer neuen Lügenwelten in sozialen Medien und vor allem in den Köpfen.« Die Propaganda von außen muss also gestoppt werden – wie mit der von innen zu verfahren ist, verschweigt er. Dieses Schweigen muss schon sein, denn das Konzept, das der Berliner Blase vorschwebt, basiert auf Propaganda. Anders gesagt: Wenn einer Propaganda macht in der hartnäckigen Demokratie, dann die Berliner Blase! Nur sie entscheidet, wer Propaganda machen darf und wer nicht.