Nur Verhandlungen können die Ukraine noch retten

  • MEINUNG
  • Februar 27, 2024
  • 0 Kommentare

Der Ukrainekrieg darf nicht in ein drittes Jahr gehen

shutterstock/Tomas Ragina

Michael von der Schulenburg

Am 24. Februar jährt sich die Invasion russischer Truppen in die Ukraine zum zweiten Mal und damit der Ausbruch des größten, brutalsten und gefährlichsten Krieges auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg. Dieser Krieg hat bisher auf beiden Seiten mehrere hunderttausende Tote sowie schwerst-verwundete und seelisch verkrüppelte meist sehr junger Menschen gefordert. Dieser enorme Blutzoll hat uns einer Lösung des Konfliktes keinen Schritt nähergebracht – im Gegenteil, eine friedliche Lösung wird täglich schwieriger. Wie lange soll das Töten weitergehen, bis wir endlich Empathie mit dem Leiden des ukrainischen Volkes fühlen und die Vernunft dem Leiden ein Ende setzt?

Der russische Angriff ist illegal, und niemand darf das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung in Zweifel ziehen. Aber dieses Recht darf nicht in der Zerstörung des ganzen Landes ausarten. Und es sind nicht nur russische Waffen, sondern auch die von NATO-Ländern gelieferten Waffen, die auf ukrainischem Territorium eingesetzt werden. Sie sind also gleichermaßen für das Leiden und die sukzessiven Zerstörungen des Landes verantwortlich. Das kann und darf nicht Ziel unserer Politik sein, es würde uns eine schwere Schuld aufbürden.

Für die Ukraine hat sich die militärische Lage zunehmend besorgniserregend entwickelt und es besteht kaum noch eine realistische Chance, dass die Ukraine den Krieg gewinnen könnte. Erschwerend für die Ukraine findet eine Entvölkerung des Landes mit gleichzeitiger Veralterung und Verarmung der dort verbleibenden Menschen statt. Zusätzlich wird das Land durch Korruption, zunehmende interkommunale Differenzen und innenpolitische Konflikte geschwächt, während die militärischen und finanziellen Unterstützungen der NATO-Länder drastisch abnehmen.   

Kriege fordern in den Abnutzungs- und Endphasen die meisten Opfer. Das es dazu kommt, dürfen wir nicht zulassen. Die Fortsetzung des Krieges wäre unverantwortlich, denn sie würde die Ukraine zerstören und ihren Bürgern eine lebenswerte Zukunft nehmen.

Auch für die Menschen in der Europäischen Union und insbesondere in Deutschland würde eine Weiterführung des Krieges zu immer größeren negativen Konsequenzen führen. Der Niedergang des europäischen Wirtschaftsstandortes mit der Folge einer hohen Schuldenlast für die folgenden Generationen, der zunehmenden Unfähigkeit der Regierungen, ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden und das Notwendige in eine lebenswerte Zukunft der Menschen zu investieren wird soziale Ungerechtigkeiten sowie innerstaatliche Gegensätze und politische Spannungen verschärfen. Wir würden die Risiken für unsere offene, pluralistische Gesellschaft ebenso wie für die demokratische Ordnung erhöhen. Mit einer Fortsetzung oder gar einer Ausweitung und Eskalation des Krieges setzen wir die Menschen in Europa zunehmend der Gefahr eines unkontrollierbaren, vielleicht sogar nuklearen Krieges aus.

Die Ukraine braucht Frieden – Europa braucht Frieden, und dieser Frieden kann nur durch einen Waffenstillstand mit darauffolgenden Friedensverhandlungen erreicht werden. Diesen Krieg auf europäischem Boden zu beenden, ist unsere europäische Verantwortung. Er darf nicht in ein weiteres Jahr gehen und zu noch mehr sinnlosen Opfern führen. Deshalb erinnere ich die Bundesregierung an die ihr von der Verfassung auferlegte Verpflichtung, dem Frieden der Welt zu dienen und fordere sie daher mit allem Nachdruck auf, gemeinsam mit unseren europäischen Verbündeten und Partnern und der ukrainischen Regierung alles zu unternehmen, um einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Friedensverhandlungen zu erreichen.

Michael von der Schulenburg (75) ist ehemaliger UN-Diplomat und Assistant Secretary-General der Vereinten Nationen. Er ist BSW-Kandidat für die Europawahl im Juni 2024.

Zuerst ist der Text bei Nachdenkseiten.de erschienen.

https://www.nachdenkseiten.de/?p=111633

  • Related Posts

    Der nette Onkel mit der Koffeinschleuder

    Sogenannte Energy Drinks ruinieren massenhaft und wirkungsvoll die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Eine paralysierte Zivilgesellschaft sieht zu, wie Politik und Medien mit Konzernen kollaborieren. Das dokumentiert aktuell eine schockierende…

    In Mitteleuropa braut sich ein politischer Sturm zusammen

    Bei Ihrer Kritik an der EU nahmen Ungarns Außenminister Péter Szijjártó und der slowakische Nationalratsvizepräsident Peter Žiga kein Blatt vor den Mund. In ungewöhnlich scharfem Ton warfen Sie den nichtgewählten…

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    You Missed

    Der nette Onkel mit der Koffeinschleuder

    • April 17, 2025
    • 30 views
    Der nette Onkel mit der Koffeinschleuder

    Römischer Pferdefriedhof in Stuttgart entdeckt

    • April 17, 2025
    • 4 views
    Römischer Pferdefriedhof in Stuttgart entdeckt

    «Woke» Elite-Universität auf Konfrontationskurs – Präsident Trump: «Harvard ist ein Witz, lehrt Hass und Dummheit»

    • April 17, 2025
    • 4 views
    «Woke» Elite-Universität auf Konfrontationskurs – Präsident Trump: «Harvard ist ein Witz, lehrt Hass und Dummheit»

    US-Justizministerium verklagt Maine im Streit um sogenannte Transgender

    • April 17, 2025
    • 4 views
    US-Justizministerium verklagt Maine im Streit um sogenannte Transgender

    In Mitteleuropa braut sich ein politischer Sturm zusammen

    • April 16, 2025
    • 42 views
    In Mitteleuropa braut sich ein politischer Sturm zusammen

    Pistorius reagiert skeptisch auf Merz‘ Taurus-Pläne

    • April 16, 2025
    • 7 views
    Pistorius reagiert skeptisch auf Merz‘ Taurus-Pläne