Zwischen Eindhoven und Antwerpen haben Bauern auf der A67 eine von drei Grenzblockaden errichtet. In den niederländischen Medien wird fast nur über eine Blockade von Klima-Aktivisten berichtet. Die Bürger werden über die dramatischen Folgen der Landwirtschaftspolitik kaum informiert.
Ein Beitrag von Felicitas Rabe
Während die französischen Bauerngewerkschaften nach den Versprechungen des französischen Präsidenten, den Forderungen der Bauern entgegenzukommen, am Donnerstag ihre Autobahnblockaden fast vollständig abbrachen, wird in anderen europäischen Ländern weiter blockiert, unter anderem auch hierzulande. So wurden beispielsweise am Samstag Autobahnzufahrten zum Frankfurter Flughafen von Traktorenumzügen gestört und in Bremerhaven die Zufahrt zum Hafen von Bauern blockiert. Bei der Bauernblockade auf der A2 wurden Misthaufen, Holz und Autoreifen eingestreut. Seit Wochen finden täglich in Deutschland sich stetig radikalisierende Proteste der Bauern statt.
In Belgien und den Niederlanden hatten sich für dieses Wochenende Bauern zu gemeinsamen Blockaden des Autobahngrenzverkehrs zusammengeschlossen. Dabei blockierten sie gleichzeitig den Fernverkehr auf drei Autobahnen zwischen den Niederlanden und Belgien. Auf der A4 zwischen Bergen op Zoom und Antwerpen, der A16 zwischen Breda und Antwerpen und der A67 zwischen Eindhoven und Antwerpen. Gemäß ihrer Ankündigung waren die Blockaden für das ganze Wochenende geplant. Insbesondere um mit belgischen Bauern über ihre Auswertung der Ergebnisse nach der großen Blockade um das Europäische Parlament vom Donnerstag zu sprechen und ihre Bewertung der Bauernkämpfe in Europa zu erkunden, machte sich die Autorin auf den Weg zur Blockade auf der A67 bei Arendonk.
Verkehrsnachrichten unterschlagen die Vollsperrung der A67
Die Raststätte Bedburg auf der A4 Richtung Venlo war komplett überfüllt mit Lkw. Gern hätte die Autorin von den Lkw-Fahrern erfahren, welche Auswirkungen die mehrtägigen Blockaden der wichtigsten Fernstraßen nach Antwerpen für sie hatte. Erstaunlicherweise befanden sich nur Lkw aus Polen und Litauen auf der zugestellten Raststätte. Die Angesprochenen sprachen wenig Englisch, schienen aber über die massiven Autobahnblockaden völlig uninformiert zu sein. Jedenfalls meinten sie, davon wüssten sie nichts. Vielleicht gab es auch Missverständnisse.
Deshalb befragte die Berichterstatterin, nachdem sie bereits auf der A67 zwischen Venlo und Eindhoven war, Mitarbeiter auf zwei verschiedenen Autobahnraststätten über ihre Wahrnehmung der Blockaden. Diesmal gab es keine Sprachprobleme, aber die Befragten wussten offensichtlich am Samstagnachmittag gar nicht, dass die Autobahn, an der sie arbeiteten, seit zwei Tagen blockiert wurde. Wie kann das sein, im Zeitalter der Digitalisierung? Merkwürdig war auch, dass diese „Verkehrsbehinderung“ beziehungsweise Vollsperrung der A67 in den niederländischen Verkehrsnachrichten gar nicht durchgegeben wurde, jedenfalls nicht in dem Radioprogramm, das die Autorin unterwegs hörte.
Kurz vor der vermuteten Blockadestelle verließ sie vorsichtshalber die A67. An einer Tankstelle direkt an der Autobahnabfahrt bei der Stadt Eersel wollte sich die Berichterstatterin erkundigen, wo genau die Blockade der Autobahn war und wie sie auf Schleichwegen am besten dorthin käme.
Wiederum hatte auch diese Tankstellenmitarbeiterin noch nicht von der seit zwei Tagen bestehenden Bauernblockade gehört, die sich in circa zehn Kilometern Entfernung befinden musste. Glücklicherweise befand sich ein Kunde in der Tankstelle, ein junger Mann, der Bescheid wusste. Er erklärte der Autorin, wie sie auf Schleichwegen zu einer Brücke über die Autobahn käme, genau an der Blockadestelle.
Ein Bürger aus Amsterdam: Die Politik gefährdet unsere Nahrungsmittelversorgung
Nachdem die Autorin noch ein paar Kilometer auf der Autobahn gefahren war, gab es plötzlich die Vollsperrung, von der man in den Nachrichten nichts gehört hatte. Der Verkehr wurde bei der Abfahrt Reusel von der Autobahn geführt. Gegen 16:45 Uhr traf die Berichterstatterin an der Brücke über die Blockadestelle ein, aber von den Bauern war keiner mehr da. Während sie da stand, trafen immer mehr Feuerwehren und Ordnungskräfte ein, die einen Schwelbrand von Autoreifen löschten und Aufräumarbeiten durchführten. Es ist unklar, warum die Bauern diese Blockade entgegen ihrer Angaben schon vor Ende des Wochenendes abgebrochen haben.
Neben ein paar Journalisten, die das Geschehen filmten und kommentierten, standen auch ein paar interessierte Bürger auf der Brücke. Thomas S. war extra aus Amsterdam hierhergekommen, um die Bauernblockade per Drohnenaufnahme zu dokumentieren. Im Interview mit der Autorin erklärte der Mittdreißiger seine Wahrnehmung der Bauernproteste aus der Sicht eines Bürgers, der sich vorher noch nie um politische Demonstrationen gekümmert habe.
Der niederländische Unternehmensberater wäre zum ersten Mal zu einem Demonstrationsort gefahren, berichtete er zu Beginn des Gespräches. Normalerweise nutze er seine Drohne für Urlaubs- und Freizeitaufnahmen. Angesichts der Situation wolle er allerdings mit eigenen Augen sehen, was in seinem Land passiere. Er wüsste nicht genau, wie man die Situation lösen könne, aber das Mindeste wäre, dass es mehr Berichte darüber in den Medien gäbe. Der Amsterdamer wörtlich:
„Aber auf jeden Fall, so denke ich, braucht es mehr Berichterstattung, über die Protestereignisse und über deren Hintergründe.“ Warum mehr Berichterstattung ihm als bisher nicht politisch engagierten Bürger aktuell so wichtig sei, wollte die Autorin von ihm wissen. Es gehe hierbei schließlich um etwas ganz Wesentliches, nämlich um die Ernährungssicherheit der Menschen: „Die Politik, die die niederländische Regierung und die EU derzeit verfolgen, gefährdet unsere Ernährungssicherheit. Und diese wichtige Nachricht kommt nirgends vor.“
Stattdessen werde in den Niederlanden ganz massiv verbreitet, dass die Landwirtschaft das Klima gefährde. Aus diesem Grunde dächten die Menschen, es sei unmoralisch, die Bauern zu unterstützen. Dabei seien die Bürger nicht in der Lage, die Konsequenzen zu sehen, wenn man die Landwirtschaft und die Bauern immer mehr einschränken würde. In der niederländischen Politik sei ihm besonders aufgefallen, dass in den Verhandlungen zwischen der Regierung und den Vertretern der Landwirtschaft die Organisation Farmers Defense Force (FDF) überhaupt nicht vertreten sei. Die FDF werde nicht als Verhandlungspartner zugelassen. Seine Hoffnung bestehe darin, dass die Bauern ihren Protest immer weiter ausweiten würden. In den Niederlanden hätten schon viele Dinge, die klein anfingen, schließlich zum Erfolg geführt. Was wir jetzt bei den Bauernprotesten erlebten, sei erst der Anfang.
Bauernproteste bedrohten angeblich die Regierung
Warum man von den Autobahnblockaden und Vollsperrungen nichts in den Verkehrsnachrichten erfahre, wollte die Autorin wissen. Nach seinem Kenntnisstand werde in den Medien über zwei Autobahnblockaden berichtet, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Hauptsächlich sei über die Blockade der Klima-Aktivisten auf der A12 berichtet worden, die Bauernblockade auf der A67 habe man nur am Rande erwähnt. Nach Ansicht der FDF stellten die Mainstream-Medien die Bauern als Bedrohung für die Regierung dar, bezog sich Thomas S. auf eine Aussage der Bauernorganisation. Seit ein paar Tagen kündige die FDF ihre Aktionen auch nicht mehr auf ihrem Social-Media-Kanal an. Er gehe davon aus, dass diese Transparenz den Blockaden mehr geschadet als genutzt habe – und dass die Bauernorganisation ihre Pläne lieber unter dem Radar der Öffentlichkeit machen wolle.
Am Ende des Interviews war ihm noch eine Botschaft wichtig: Täglich passiere so viel auf der Welt. Aber die Menschen sollten die Darstellung in den Medien nicht einfach so hinnehmen, sondern ihre eigene Recherche betreiben. Und vor allem: „Entfernen Sie das Wort Verschwörungstheorie aus Ihrem Vokabular“, erklärte der Mann aus Amsterdam.
IWF-Chefin: Die Regierungen würden ein Entgegenkommen bei den Bauern anschließend bereuen müssen
Ungeachtet der deutschen Bauernproteste beschloss der Bundestag am Freitag den Abbau der Steuerentlastungen für die Bauern. Ebenfalls am Freitag „warnte“ die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, Kristalina Georgiewa, dem Manager-Magazin zufolge die europäischen Regierungen. Man dürfe den Bauern finanziell nicht „zu sehr entgegenkommen“. Denn ein Entgegenkommen gegenüber den Bauern würden die Regierungen am Ende bereuen. Sie könnten dann nämlich nicht mehr das Notwendige tun:
„Aber wenn dieses Gefühl anhält und es Regierungen in eine Ecke drängt, in der sie nicht mehr das Notwendige zur Stärkung der Volkswirtschaften unternehmen können, dann wird der Zeitpunkt kommen, an dem sie es bereuen.“
Man solle schon deshalb keine Zugeständnisse an die Bauern machen, weil es viel zu schwierig sei, sie anschließend wieder zurückzunehmen, erläuterte die IWF-Chefin ihren Standpunkt: „Sie erkennen aber auch, wie schwierig es ist, Unterstützung zu entziehen.“ Georgiewa weiter: „Es ist leicht, zu geben. Es ist schwierig, es wieder zurückzunehmen.“
Unterdessen haben die französischen Bauern ihrer Regierung zur Umsetzung der angekündigten Versprechen ein Ultimatum gestellt. Emmanuel Macron hat jetzt bis Anfang März Zeit, zu beweisen, ob er den Abbau der Bürokratie in der Landwirtschaft und seine anderen Versprechen umsetzt.