Warum ich mich über das Compact-Verbot nicht freuen kann: Der Brief eines Muslimen an Jürgen Elsässer

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  • August 15, 2024
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Die Überschrift wird einige überraschen, denn das Compact-Magazin war eines der islam-feindlichsten Publikationen Deutschlands in den letzten Jahren. Dennoch – oder vielleicht sogar gerade deswegen – stelle ich mich als vergleichsweise unbedeutende Stimme unter den Muslimen gegen dieses Verbot.

Ein Beitrag von Yavuz Özoguz

Shutterstock/ Anel Alijagic

Zunächst einmal kenne ich den Chefredakteur Jürgen Elsässer seit über zwölf Jahren. Damals hatte ich die Gelegenheit eine Reise von deutschen Intellektuellen im Jahr 2012 in die Islamische Republik Iran zu organisieren. Unter den sehr bunt gemischten Reiseteilnehmern von links bis rechts war auch Jürgen Elsässer. Unter anderem, weil ich eine Privataudienz beim damaligen Präsidenten Ahmadinedschad für die Gruppe organisieren konnte, waren wir mit Jürgen per Du. Nur damit man einen Eindruck von der Reisegruppe bekommt, sei darauf verwiesen, dass unter anderem der jüdische Publizist Elias Davidson [1] dabei war – Gott habe ihn selig – und die Freunde von der Arbeiterfotografie, mit denen ich heute noch befreundet bin. Letztere haben damals einen Artikel herausgebracht, der den Titel trägt: „Land der Liebe“. [2]. In der Gruppe war auch der berühmte Architekt, Publizist und strammer Katholik Konrad Fischer [3], dessen Grab ich vor einem Jahr besucht habe. Gott habe ihn selig. Heute noch am Leben und aktiv ist der Publizist Gerhard Wisnewski, dessen Telegramm-Kanal rund 50.000 Abonnenten hat [4]. Er war auch dabei. Zu der Gruppe zählten noch weitere Publizisten, von denen die Öffentlichkeit bisher nichts erfahren hat und ich sie deshalb auch nicht preis geben möchte.

Unabhängig unterschiedlicher Meinungen

Von Jürgen Elsässers Teilnahme ist mir eine Aussage bis heute im Gedächtnis geblieben. Er sagte damals zu mir, als Hauptunterschied zwischen dem Alltagsleben im Iran und in Deutschland wäre ihm aufgefallen, dass dort alles auf „Konzentration“ ausgerichtet sei, während in Deutschland alles auf „Zerstreuung“ ausgerichtet ist. Diese Beschreibung fand ich sehr zutreffend.

Nach der Reise habe ich ihn unter anderem zu einer offenen Diskussionsrunde mit Pater Nennstiel in eine der berühmtesten Moscheen Deutschlands eingeladen, und wir haben recht offen miteinander über das Thema „Ist der Islam für Deutschland geeignet?“ diskutiert [5]. Es war die Zeit, in der Jürgen Elsässer meine bescheidenen Artikel noch verbreitet hat [6].

Doch danach gab es eine Entwicklung, die letztendlich zum öffentlichen Bruch zwischen mir und Jürgen im Jahr 2016 geführt hat. Dieser Bruch ist im „Briefwechsel zwischen Dr. Özoguz und Elsässer“ öffentlich dokumentiert [7]. Im Rahmen der Pegida-Diskussion kam es im Hintergrund zu einem heftigen Mailwechsel zwischen meiner Wenigkeit und Jürgen, die – unabhängig von unterschiedlichen Meinungen – respektvoll verlief. Eigentlich sollte die private Auseinandersetzung privat bleiben, doch die Verlesung einer Grußbotschaft von Geert Wilders auf der Pegida-Veranstaltung am 27. Januar 2015, den ich damals als einen der berühmtesten und offenen Islamhasser eingestuft hatte, brachte mich zu der Ansicht, dass auch eine „öffentliche“ Distanzierung voneinander notwendig sei. Hierzu habe ich mich damals an Jürgen gewandt (wir Duzen einander trotz heftigster Meinungsunterschiede) und ihn gebeten, den Mailwechsel zum Thema veröffentlichen zu dürfen. Jürgen hat dem zugestimmt und so ist der Mailwechsel dokumentiert und der abgedruckte Text ist von beiden autorisiert worden [7].

Geringe Weitsicht für das Verbot

Ich hätte dennoch allen Grund gehabt habe, mich über ein Compact-Verbot zu freuen, zumal jene Zeitschrift bezüglich Islamhass so ziemlich alles zuvor Dagewesene übertroffen hat. Denn haben nicht die Rechten bei jedem Moschee-Verbot laut gejubelt? Warum sollte ich nicht jetzt auch jubeln?

Ich kann nicht jubeln, weil das Verbot sich nicht gegen Compact allein richtet, sondern gegen die Meinungsfreiheit. Das Verbot dient nicht dem Schutz der Demokratie, an die ich als aktuell bestmögliche Staatsform für Deutschland auch glaube – wäre sie doch realisiert – ,sondern schafft die demokratischen Strukturen ab und verdeutlicht die Schwäche des Systems. Compact wurde bislang keine einzige Straftat vorgeworfen und mit dem Trick des Vereinsgesetzes wurde eine GmbH als exekutive Maßnahme einfach auf Basis einer Einzelentscheidung verboten, ohne dass eine juristische Auseinandersetzung jemals stattgefunden hat. Alle Umstände, die zu diesem Verbot geführt haben [8], lassen bei mir alle Alarmglocken schrillen, dass jenes Verbot morgen auch jeden anderen treffen kann, der die zunehmend diktatorisch vertretene Staatsmeinung nicht teilt. Du bist gegen die Staatsräson und willst nicht alle Interessen Deutschlands für das Wohl des Apartheidsstaates Israel opfern? Verbot! Du glaubst nicht an die Klimavorgaben einiger Wissenschaftler? Verbot! Du willst Dich nicht zum Sündenbock abstempeln lassen, weil Du Dich nicht impfen lassen willst? Verbot! Du glaubst, dass die USA Hauptschuldiger an dem Ukraine-Konflikt sind? Verbot! Du willst Dich für Eurasien und gegen Transatlantik engagieren? Verbot! Du glaubst, dass es im deutschen Interesse ist, den mörderischen Kriegskurs der westlichen Welt gegen die muslimische Welt nicht mitzutragen? Verbot! Die Liste liese sich weiter fortsetzen…

Zeitgemäßer hat die aktuelle Situation Pastor Martin Niemöller beschrieben, der eine Leitfigur des christlichen Widerstandes war [9]. Das Gedicht beschreibt die zunehmende Unterdrückung verschiedener Gruppen durch die Nazis und die Gleichgültigkeit oder Untätigkeit derer, die nicht sofort betroffen waren. Eine bekannte Version dieses Gedichts lautet:

Ist es nicht heute so ähnlich? Doch, wo waren die „Rechten“, als eine Moschee nach der anderen verboten worden ist? Wo waren sie, als jede Stimme für Palästina, die von „Migranten“ geäußert wurde, verboten worden ist? Wo waren sie, als „Corona-Kritiker“ verboten worden sind? Wieviele Ärzte hat das Land in der Zeit verloren?

Ich wundere mich über jeden Muslim, der sich heute freut, weil eine offenkundig islamfeindliche Zeitschrift verboten worden ist. Was für eine geringe Weitsicht steckt hinter dieser Haltung? Was für eine Naivität und Dummheit führt dazu?

In dieser Welt frei und ehrenhaft sein

Meine abschließenden Worte richte ich öffentlich an Jürgen Elsässer selbst, den ich seit vielen Jahren nicht mehr kontaktiert habe.

Lieber Jürgen, ich verachte, was du über den Islam und die Muslime in den letzten Jahren publizierst hast und einiges andere mehr. Und alle Gründe, die damals zu unserem Bruch geführt haben, sind für mich heute viel heftiger gültig als damals. Dennoch solidarisiere ich mich mit Dir und verurteile das Verbot aufs Schärfste in dem Sinne, dass ich Maßnahmen, die unsere gemeinsame Heimat Deutschland immer näher einem faschistischen Treiben von BlackRock [10] zuführen und das Land ganz offensichtlich kriegstauglich gemacht werden soll. Deutschland darf nicht in die Arme der Kriegstreiber geführt werden von einer offensichtlich kriegslüsternen Polit-Elite, die selbst einen Atomkrieg in Kauf nehmen würde. Daher solidarisiere ich mich mit Dir, zum Schutz unserer gemeinsamen Heimat, selbst wenn Deinesgleichen mich rausschmeißen und meinesgleichen Dich schützen wollen. So lange meine Wenigkeit – mit einer erheblich geringeren Reichweite als Du sie hattest – nicht verboten wird, werde ich mich für Meinungsfreiheit in diesem Land engagieren, so Gott will. Dein Fehlverhalten gegenüber Minderheiten darf niemals Rechtfertigung für ein Fehlverhalten gegenüber unser aller Recht werden!

Heute ist der Tag von Aschura [11], der wohl heftigste Tag des Islam gegen Unterdrücker und Unterdrückung. Eine der wichtigsten Aussagen Imam Husains an dem Tag war an die Anhänger des damaligen Unterdrücker-Regimes gerichtet, die man heute ebenso an alle Staatsbediensteten, Soldaten, Polizisten und viele andere mehr richten könnte: „Oh Anhänger des Hauses der Unterdrückung, wenn Ihr keinen Glauben habt und den Tag der Rückkehr (zu Gott) nicht fürchtet, dann seid zumindest in dieser Welt frei und ehrenhaft.“

Quellen:

1) https://de.wikipedia.org/wiki/Elias_Davidsson

2) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17745&css=print

3) http://www.eslam.de/begriffe/f/fischer_konrad.htm

4) https://t.me/GWisnewski

5) https://muslim-tv.de/offene-podiumsdisku…hland-geeignet/

6) https://juergenelsaesser.wordpress.com/2…-und-pro-leute/

7) Briefwechsel zwischen Dr. Özoguz und Elsässer

8) https://tapferimnirgendwo.com/2015/10/29…t-von-voltaire/

9) https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Niem%C3%B6ller

10) BlackRock gegen den Schwarzen Stein

Zum Autor: Yavuz Özoğuz ist ein türkischstämmiger Autor, der in Deutschland lebt und mit seinem Bruder Gürhan die Website Muslim-Markt betreibt. Die Erstveröffentlichung erfolgte am 16.07.2024 unter ist über diesen Link aufrufbar:  muslim-markt-forum.de 

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen. Die Meinungen und Ansichten der Autoren müssen nicht der Redaktion von Berlin 24/7 entsprechen.

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