Zur Zeit wird nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in der Russischen Föderation viel darüber spekuliert, wie der neue Verteidigungsplan der Bundeswehr, der „Operationsplan Deutschland (OPLAN)“, der bis März erarbeitet werden soll, zu werten ist. Wird es sich bei dem Geheimpapier um ein Konzept der weiteren Stärkung der militärischen „Abschreckung gegen eine bevorstehende russische Aggression“ handeln, dessen Gespenst hierzulande immer wieder von Politik und Massenmedien unisono an die Wand gemalt wird, oder sollen mit dem sogenannten „Verteidigungsplan“ ganz andere Absichten kaschiert werden?
Ein Beitrag von Wilhelm Domke-Schulz
In der öffentlichen Diskussion in der Russischen Föderation fragt man sich zum Beispiel auch, ob es sich bei den deutschen Planungen um einen regionalen Teilaspekt von verdeckten Vorbereitungen der NATO auf einen beabsichtigten „Präventivschlag“, einen möglicherweise geplanten Angriffskrieg gegen Russland handeln könnte.
In diesem Zusammenhang stellen einige russische Kommentatoren ebenfalls die Frage, ob die Verhandlungen über die Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen an die ukrainischen Streitkräfte nicht eher für einen offensiven als für einen defensiven Charakter der aktuellen strategischen NATO-Planungen sprechen.
Ein nicht von der Hand zu weisender Aspekt, denn schließlich können die F-16 mit Atomwaffen bestückt werden und Höchstgeschwindigkeiten von über Mach 2 erreichen, was sie zu potentiellen Angriffswaffen macht. Und an die Ukraine geliefert, wären sie direkt an der russischen Grenze stationiert, womit sie aus russischer Sicht eine massive Bedrohung der nationalen Sicherheit der Russischen Föderation darstellen würden.
Der Befehlshaber des zuständigen „Territorialen Führungskommandos“, Generalleutnant André Bodemann, hat dazu vor der Presse Stellung bezogen. Aus seiner Sicht wird sich der Operationsplan Deutschland (OPLAN) auf vier Schwerpunkte konzentrieren:
Wenn man sich diese Aufgabenstellung genauer betrachtet, kristallisieren sich zwei Schwerpunktaufgaben heraus. Einerseits wird die Rolle der Territorialkräfte der Bundeswehr als „Etappenarmee“ in einem größeren Konfliktfall deutlich.
Die erste Hauptaufgabe der deutschen „Heimatschutzarmee“ wird also darin bestehen, die schnelle Truppenverlegung der „richtigen Kampfverbände“, die hauptsächlich von den USA, Großbritannien und wahrscheinlich auch von Frankreich, also den ehemaligen westdeutschen Besatzungsmächten und ehemaligen Alliierten der Sowjetunion während des II. Weltkrieges, aber auch von den eigentlichen Kampfverbänden der Bundeswehr gestellt werden, abzusichern.
Das heißt die Territorialkräfte der Bundeswehr werden für Geleitschutz, Unterkunft und Verpflegung der Kampfverbände sorgen, für die Bereitstellung von Kraftstoffen und sicher auch für Reparatur und Wartung von liegengebliebener Kampftechnik der „Verbündeten“ zuständig sein. Das entspricht in etwa den Aufgaben der Bundeswehr in den „Defender-Manövern“ der vergangenen Jahre. Insofern ist das nichts neues.
Interessanter wird es, wenn man die zweite Kernaufgabe genauer unter die Lupe nimmt, die hauptsächlich darin besteht die „Heimatfront“ zu sichern. Also umgangssprachlich formuliert, gegen Regierungskritiker im eigenen Land vorzugehen, unliebsame Medien unter Kontrolle zu bringen, Kriegsgegner in noch näher zu definierender Art und Weise in Schach zu halten, möglicherweise zu internieren und evtl. zu bekämpfen. Das schließt auch die sogenannte „Gegenspionage“, also geeignete Maßnahmen gegen gegnerische „Spione“, Diversanten und Saboteure mit ein.
Bei dem neuen Verteidigungsplan der Bundeswehr, dem „Operationsplan Deutschland (OPLAN)“, handelt es sich also nicht um offensiv nach außen sondern um restriktiv nach innen gerichtete Planungen, die nicht nur nach außen gerichtete Kriegshandlungen der Bundeswehr und der NATO-Streitkräfte, nach innen absichern, sondern auch bei Staatskrisen „unterhalb des Artikels 5 des NATO-Vertrages, also dem Bündnisfall“ zum Einsatz kommen sollen. Beim OPLAN handelt es sich also um einen Einsatzplan der Territorialstreitkräfte der Bundeswehr im Inland und nicht um Pläne für Auslandsaktivitäten der deutschen Armee. Soweit so gut. Allerdings ist das Ganze nicht unumstritten.
Kritik kam schon während der Coronakrise auf, als erstmals Pläne der Bundeswehr publik wurden, bis zu sechs Regimenter sowie vier Führungsstäbe speziell für den Inlandseinsatz aufzustellen, weil das verfassungswidrig sein könnte. Denn mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichtes legen an den Einsatz von Bundeswehreinheiten in Inland hohe Hürden.
Dass man gerade jetzt, erstmals seit Ende des „Kalten Krieges“, an der Neuauflage eines „Verteidigungsplanes“ arbeitet, hinterlässt zumindest einen fahlen Beigeschmack, wenn man an die markigen Worte des jetzigen deutschen „Verteidigungsministers“ denkt, der die Bundesrepublik Deutschland „kriegstüchtig“ machen will. Und wenn man außerdem bedenkt, dass das diesjährige NATO-Manöver „Steadfast Defender“, das über mehrere Monate geplante, größte NATO-Manöver seit Ende des Kalten Krieges, auf dem Szenario eines angenommenen russischen Angriffs auf ein alliiertes Territorium und damit auf der Auslösung des NATO-Bündnisfalls basiert, wird es dem kritischen Betrachter noch viel mulmiger in der Magengegend.
Denn die Bundeswehr ist nun einmal Teil eines weltweit agierenden vorgeblichen „Verteidigungsbündnisses“, das seit dem gemeinsamen, völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der NATO gegen Jugoslawien im Jahr 1999, noch viele weitere zumeist auf Lügen basierende, verbrecherische, völkerrechtswidrige Angriffskriege (Jugoslawienkrieg – Lüge vom Hufeisenplan), zum Beispiel gegen Afghanistan, gegen den Irak (Lüge von Massenvernichtungswaffen) und gegen Syrien geführt hat und führt. Und wenn ein solch aggressives Militärbündnis beim größten NATO-Manöver seit Jahrzehnten eine „Vorwärtsverteidigung“ gegen seinen diesmal erstmals namentlich benannten Hauptfeind „Russland“ trainiert, dann sollten bei allen friedliebenden Menschen sämtliche Alarmglocken läuten.
Denn der Kontext vom neuem „Verteidigungsplan“ der Bundeswehr gegen Kriegsgegner im Inland und dem zeitgleich geplanten NATO-Großmanöver gegen Russland ist gelinde gesagt beängstigend.
Womit wir als „Sahnehäubchen“ bei der Atomkriegs-Angriffswaffe der NATO, der F-16 wären, die an die Ukraine ausgeliefert werden soll.
In diesem Zusammenhang stellt sich die beängstigende Frage, ob die Anfang der 2000er Jahre in den USA entwickelte „Strategie des Enthauptungsschlages“, der „Prompt Global Strike Plan“
tatsächlich auf Eis gelegt wurde oder immer noch in den Köpfen mancher US- und NATO-Strategen herumspuckt. Ein Plan, der darauf basiert mit konventionellen oder atomaren Waffen einen blitzartigen Präventivschlag gegen Kommandozentralen und z.B. auch Atomwaffendepots zu verüben, der den potentiellen Gegner gleichzeitig führungslos und unfähig zu einem Gegenschlag machen soll, um dann mit einem Großaufgebot von konventionellen Streitkräften „den Rest zu erledigen“.
Irgendwie scheint das alles zusammen zu passen: Die NATO drängt aktuell die EU-Staaten einen gemeinsamen „Schengenraum“ für das NATO-Militär zu schaffen, um innerhalb kürzester Zeit große (Angriffs-)Verbände an die potentielle Ostfront, die sich von den baltischen Staaten bis hinunter zum Schwarzen Meer erstrecken soll, zu verlegen. Diese massiven Truppenverlegungen probt man im diesjährigen NATO-Großmanöver „Steadfast Defender“ unter dem Szenario eines Krieges mit der Russischen Föderation, während die Bundeswehr zeitgleich einen „Verteidigungsplan“ gegen Kriegsgegner im Inland erarbeitet und westliche „Bündnispartner“ Lieferungen von potentiellen Atomwaffenträgern, den F-16 an das ukrainische Regime planen, die dann von ukrainischen Piloten geflogen werden sollen.
Also von Angehörigen einer Armee, die im Dienste eines Regimes steht, das im Februar 2014 verfassungswidrig und mit Gewalt an die Macht gekommen ist. Nach dem blutigen Sturz des legitim gewählten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Durch massiven Einsatz von Gewalt gegen Putschgegner. Durch Pogrome, Massenmorde und gezielten Staatsterrorismus.
https://www.berlin247.net/read/1705755600/911
https://www.youtube.com/watch?v=qK-wJU1yGDk
https://www.youtube.com/watch?v=56bfHtbMC9w&t=1469s
Dieses Regime hält sich u.a. mit Parteienverboten, Schließung von Oppositionsmedien, Verfolgung und Ermordung von Regierungsgegnern an der Macht und erfreut sich durchgängig massiver westlicher Unterstützung, vor allem der NATO-Staaten und ganz vorn dran auch durch Deutschland. Seit zehn Jahren führt dieses Regime nicht nur einen Terrorfeldzug gegen Regierungsgegner, sondern vor allem gegen ethnische Russen im eigenen Land, mit dem Ziel ihr Staatsgebiet vollständig zu „ukrainisieren“, also eine reinrassige Ukraine zu schaffen.
Deshalb bombardiert die ukrainische Armee seit zehn Jahren zivile Wohngebiete im Donbass und seit letztem Jahr nun auch Zivilisten in Russland, wie zum Beispiel schon mehrfach in Belgorod. Die ukrainischen Kampfverbände töten gezielt Zivilisten, wie z.B. mehrfach in Donezk, im gesamten Donbass, in Russland und auf der Krim, aber auch in mehrheitlich von ethnischen Russen bewohnten Städten, die unter Kiewer Kontrolle stehen, wie zum Beispiel letztes Jahr auf dem Markt in Konstantinowka oder am Bahnhof von Kramatorsk. Es sind aber nicht nur reguläre Streitkräfte, die seit zehn Jahren einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung führen, sondern vor allen deren berüchtigte Stoßtrupps aus Einheiten von faschistischen Freischärlern, wie dem „Asow-Regiment“, „Aidar“, „Kraken“, „Dnepr 1“, „Dnepr 2“ und vielen anderen, die unter dem Konglomerat „Nationalgarde“ zusammengefasst wurden.
Vor diesem Hintergrund möchte man sich nicht vorstellen, was passiert, wenn die bewaffneten Kräfte eines solch brutalen, russophoben Regimes, neben konventionellen Kurz- und Mittelstreckenwaffen auch noch atomwaffenfähige F-16 Kampfflugzeuge geliefert bekommen. Denn, wie soll die Russische Föderation reagieren, wenn solche Flugzeuge die russische Grenze anfliegen, während gleichzeitig die NATO, zu ihrer „Verteidigung“, massive Truppenverlegungen nach Osten trainiert? Abwarten, ob sich vielleicht doch keine Atombomben an Bord befinden, die innerhalb weniger Minuten Moskau erreichen können? Im Grunde kann man nur hoffen und beten, dass das westliche Kriegsabenteuer in der Ukraine noch vor den Lieferungen der ersten F-16 Kampfflugzeuge beendet wird.
Denn die toxische Mischung aus NATO-Truppenverlegungen nach Osten, von Plänen zu Niederschlagung von Antikriegsbewegungen in Deutschland und der geplanten Lieferung von potentiellen, atomaren Angriffswaffen an das Kiewer Regime ist hochgefährlich und trägt das Potential zu einem Weltbrand in sich, der im schlimmsten Fall das Ende der Menschheit bedeuten könnte. Ob sich die westlichen Kriegstreiber, Kriegsplaner und Kriegsgewinnler darüber bewusst sind, mit welchem Feuer sie da spielen ist schwer einzuschätzen. Im Grunde kann man nur darauf vertrauen, dass sich am Ende die politischen Kräfte, die noch über Restbestände an Vernunft und über einen gesunden Selbsterhaltungstrieb verfügen, in den westlichen Staaten durchsetzen und diesem üblen Treiben ein friedliches Ende setzen. Bevor es zu spät ist.
Autor: Wilhelm Domke-Schulz, geboren 1956, ist ein deutscher Dokumentarfilmemacher, Medien- und Gesellschaftsanalytiker sowie Buchautor. Seine Dokumentarfilme „Remember Odessa“ über den Massenmord an Antifaschisten und Demokraten am 2. Mai 2014 in Odessa und „Leben und Sterben im Donbass“ über den Genozid an der Donbassbevölkerung seit 2014 erregten national und international großes Aufsehen. Er produzierte über siebzig Filme in Eigenregie, vor allem Reportagen und Geschichtsdokumentationen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (MDR, NDR, ARD) sowie künstlerische Dokumentarfilme wie etwa „Life at a Standstill: A Middle East Diary“, „Rauhmannstag“ oder „Krimreise“. Als Medienanalytiker hält er Vorträge zu Themen wie Meinungsmanipulation und Propaganda in Massenmedien.