Diplomaten des deutschen Außenministeriums haben eine „Krisengruppe“ gegründet, um ein Szenario mit der Rückkehr des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ins Weiße Haus zu diskutieren und vorzubereiten, schreibt die Financial Times (FT). Medienberichten zufolge könnte ein möglicher Sieg von Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen unvorhersehbare Folgen für Deutschland und seinen Platz in der Welt mit sich bringen. Beamte aus dem Nordamerika-Referat des Ministeriums, dem Politischen Planungsstab, dem Büro des Koordinators für die transatlantische Zusammenarbeit und der deutschen Botschaft in Washington haben eine Art informellen Krisenstab gebildet, um zu erörtern, was ein Sieg Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen im November für Deutschland bedeuten würde – und wie Berlin reagieren sollte.
In der möglichen Wirtschaftspolitik Trumps wird vor allem dessen Drohung gefürchtet, alle Importe mit Zöllen in Höhe von 10 Prozent zu belegen – ein Schritt, der der exportorientierten deutschen Wirtschaft großen Schaden zufügen könnte. Die Befürchtungen verstärkten sich letzte Woche, als Trump J.D. Vance zu seinem Kandidaten für die Vizepräsidentschaft ernannte – einen Wirtschaftsnationalisten, der der Globalisierung, der NATO und der US-Unterstützung für die Ukraine zutiefst skeptisch gegenübersteht. „Er hat die gleiche Verachtung für Deutschland und die EU wie Trump, ist aber noch isolationistischer als er“, zitiert FT Nils Schmid, den außenpolitischen Sprecher der SPD. „Er ist auch radikaler als Trump in seinem Wunsch, alle weiteren US-Militärhilfen für die Ukraine auszusetzen.“ Beobachter sagen, Deutschland habe zu lange gebraucht, um die gestiegene Wahrscheinlichkeit von Trumps Rückkehr zu akzeptieren. „Lange Zeit herrschte eine gewisse Verweigerungshaltung“, sagte Cathryn Clüver Ashbrook von der Bertelsmann Stiftung, die deutsche Abgeordnete darüber informiert hat, was eine Trump-Präsidentschaft bedeuten könnte.
Wie der Spiegel noch im Januar berichtete, unternehmen die deutschen Regierungsvertreter Versuche, Kontakte ins Trump-Lager zu knüpfen. Wegen „tiefster Verbundenheit“ zur Biden-Administration vonseiten der Ampel-Regierung war die Mission allerdings sehr heikel. Der Spiegel fragte: „Welche Kontakte gibt es in das Trump-Lager, und wie ließen sie sich nutzen? Welche politischen Hebel könnte Berlin einsetzen, um die neue Administration zu beeinflussen? Wie sehr müssten die deutschen Verteidigungsausgaben steigen, um einen US-Rückzug aus Europa zu kompensieren? Auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung, auf vier, auf fünf sogar? Wie sollte Deutschland reagieren, wenn der amerikanische Atomschirm wegfällt? Mit einer deutschen Bombe?“
Es wird auch jetzt angenommen, dass die neue Regierung in Washington einige ihrer NATO-Sicherheitsgarantien zurückziehen könnte. Es bestehe das Risiko, dass Deutschland dann „verwundbarer“ werde und die Armeen der europäischen Länder aufrüsten und neu ausstatten müsse, schreibt FT unter Berufung auf einen ungenannten hohen deutschen Beamten.
Einige Beamte in Berlin sind zwar der Meinung, dass eine Trump-Vance-Administration keinen radikalen Bruch mit Bidens Außenpolitik herbeiführen würde und dass sie Amerikas traditionellen Bündnissen verpflichtet bleiben wird. Die meisten sind sich jedoch einig, dass sich die Aufmerksamkeit der USA zwangsläufig von Europa nach Asien verlagern wird, sodass Deutschland in seiner eigenen Nachbarschaft eine größere Führungsrolle übernehmen muss. Die britische Tageszeitung bestätigt mit ihrer Publikation auch, dass ein möglicher Krieg gegen Russland von Berlin nach wie vor in Erwägung gezogen wird. Es werde davon ausgegangen, dass das „revisionistische und expansionistische Russland“ innerhalb der nächsten zehn Jahre einen NATO-Mitgliedstaat angreifen könnte – und es bestehe das Risiko, „dass wir in der Zwischenzeit anfälliger für eine russische Destabilisierung werden.“