Bundesverwaltungsgericht ohrfeigt Faeser

Das kam – nicht überraschend! Das Magazin Compact wird nicht verboten. Das Bundesverwaltungsgericht machte deutlich, dass ein solches Verbot in dieser Form verfassungswidrig sei.

Ein Kommentar von Roberto J. De Lapuente

Quelle: Shutterstock

Das Grundgesetz garantiere auch den Feinden der Verfassung die Meinungs- und Pressefreiheit, ließ das Gericht verlautbaren. Das Compact-Verbot sei hinfällig. Im August letzten Jahres hatten die Bundesrichter das Verbot im Eilverfahren bereits vorläufig ausgesetzt. Nun, knapp ein Jahr später, bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die damalige Entscheidung. Überraschend ist das heutige Prozessergebnis nicht, mehrfach wiesen Juristen darauf hin, dass das Vorgehen, gesteuert durch das Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser, keinerlei Grundlage haben könne.

Das Gericht erklärte außerdem, dass man zahlreiche polemische und zugespitzte Äußerungen in jenem Magazin finde. Die Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit sei jedoch nicht überschritten, so das Gericht. Das ist eine klare Botschaft an jene, die Aussagen »unterhalb der Strafbarkeitsgrenze« mittels Meldestellenregister erfassen wollen, um auf diese Weise eine Demokratie zu retten, die es offen gestanden so nicht geben kann: Denn ein Staat, der Aussagen erfasst, die juristisch nicht zu beanstanden sind, hat längst den Pfad der Tugendhaftigkeit verlassen. Während der Amtszeit der letzten Bundesinnenministerin hat diese Praxis zunehmend Kontur angenommen – heute wurde sie publikumswirksam und im Namen des Volkes zerlegt.

Was sie anfasste wurde zu …

Was für eine Ohrfeige für Nancy Faeser dieses Gerichtsurteil doch darstellt! Hat man sie schon dazu befragt? Überhaupt hat man den Eindruck, dass diese Frau eine Königin Midas war – alles was sie anfasste wurde, ganz anders als beim gekrönten Legendenmonarchen, nicht zu Gold, sondern zu Exkrementen. Welche Art von Fachlichkeit qualifizierte Faeser für das Amt? Und nein, Proporz ist keine Fachlichkeit.

Man denke exemplarisch nur mal daran zurück, wie sie eilends die Entlassung des Leiters des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm veranlasste – im Oktober 2022 war das. Im ZDF hieß es seinerzeit, der Mann habe Kontakte nach Russland. Aber was heißt da ZDF? Die Redaktion von Jan Böhmermann hatte das »recherchiert« und dann ausstrahlen lassen. Ein halbes Jahr später sickerte durch, dass das Bundesinnenministerium einer Falschinformation – aus dem Äther des öffentlich-rechtlichen Qualitätsmediums – aufgegessen war. Im Januar dieses Jahres urteilte dann das Kölner Verwaltungsgericht, dass die Entlassung unbegründet war. Faeser ist Juristin: Hätte sie nicht absehen müssen, dass eine solche Entlassung juristisch stichhaltig sein muss? Aber was heißt das schon in einer politischen Landschaft, in der Konsequenzen für politische Irrgänger nicht vorgesehen sind? Kaum die Causa Schönbohm angefasst – und heraus kam Unrat. Wie an vielen anderen Fällen auch. Aber Oberarm zeigen bei der Fußball-WM: Darin war sie Weltklasse!

Während ihrer Amtszeit wuchs das Meldestellenwesen im Lande. Seither vermelden diese Stellen jährlich regelmäßig neue Rekordzahlen eben solcher Meldefälle. Deutschland ist unter der Innenministerin Faeser also nicht sicherer geworden, sondern zu einem Land mutiert, in dem unschöne Vorfälle gegen Frauen, Ausländer, jüdische Mitbürger usw. mehr und mehr wurden. Natürlich nahmen die Vorfälle nicht unbedingt und realiter zu. Aber wenn man eine Stelle hat, der man was melden kann, dann gebraucht man sie auch. Wie viele der dort eingegangenen Vorfälle letztlich zu Verurteilungen führten, bringen die Meldestellen nicht in Erfahrung – das wäre auch gar nicht von Bedeutung, denn dort meldet man ja gewollt auch Vorkommnisse, die »unterhalb der Strafbarkeitsgrenze« liegen. Und die können gar nicht vor Gericht zur Sprache kommen. Aber in der Statistik sind sie aufgeführt, dort firmiert dann jemand, der ein Emoji eines Glases Milch postet, gleich neben einer Gewalttat, die ursächlich aus rassistischen Gründen stattfand.

Katastrophe als Ressort

Sie wissen nicht, was es mit dem Glas Milch auf sich hat? Der NDR informierte sein Publikum neulich auf einer seiner Plattformen über »rechtsextreme Codes«, die mittels Emojis ausgedrückt würden. Ein Glas Milch als Bildchen, so weiß man zum Beispiel dort, will viel mehr sagen als: Kalzium ist wichtig für den Knochenbau. Es meint nämlich: Ich gehöre der nordischen Rasse an, ich vertrage Milch und bin keiner dieser Ausländer, die es vermehrt mit der Laktoseintoleranz halten. Abenteuerlich, oder? Aber letztlich ein Vorfall für alle, die sich dessen annehmen und es melden wollen. Man ersinnt groteske Alltagsrassismen und bauscht Mikroaggressionen auf – und die Meldestellen sagen artig Danke, wenn man sie dann mit der Meldung eines solchen Schwachsinns in Anspruch nimmt.

Mit dem Namen Nancy Faeser lässt sich diese Transformation zur Meinungsunfreiheit durchaus verbinden. Ihr Ressort hat sie wie eine Katastrophikerin geleitet: Die Deutungslage der innenpolitischen Zustände wurde stets so gewählt, dass der Bürger zu dem Eindruck gelangen musste, dass das Land kurz vor der Übernahme des Höllenfürsten steht. Rettungsanker: Die Demokratin Faeser. Deutschland wurde so als Land gezeichnet, in dem der Hass bis in jede Alltagsnische hineinwirke. Um das zu belegen: Dazu brauchte man Zahlenmaterial und Statistiken. Das Meldestellenwesen lieferte dergleichen. Nicht immer wuchsen diese Ideen auf dem Mist der Ministerin, die Trusted Flaggers der Netzagentur unterstanden beispielsweise dem Ministerium von Robert Habeck. Aber wo war da die Innenministerin, die intervenierte? Doch warum hätte sie das auch tun sollen? Alles was dazu geeignet war, das Land in den dunkelsten Farben zu malen, war schließlich nützlich und musste unbedingt gefördert werden.

Die Unterstützung von Organisationen, die vorgeben, nicht für eine Regierung tätig zu sein, während sie die Hände nach Regierungsgelder ausstrecken, galt demselben Ziel. Sie wurden als Hoffnungsträger in einem Land installiert, dass offenbar immer mehr »Vorfälle« und »Vorkommnisse« produziert und in dem harte Entscheidungen getroffen werden mussten – wie jene zum Verbot des Compact-Magazins. Irgendwie folgerichtig, dass das Innenministerium irgendwann zu diesem drastischen Schritt bereit sein musste, immerhin war Notstand, da darf man nicht zimperlich sein. Die Beschwörung der ewigwährenden inneren Katastrophe: Die Ministerin Nancy Faeser schien daran Freude zu haben. Denn so ließ es sich nach Haltung und Bauchgefühl regieren und Entscheidungen rechtfertigen, die rechtsstaatlich nicht zu rechtfertigen waren. Heute hat man also nicht nur die Pressefreiheit gestärkt, sondern auch dem Meldestellenstaat und seinem Verbotswahn eine schallende Ohrfeige verpasst.

Roberto De Lapuente

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog »ad sinistram«. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs »neulandrebellen«. Er war Kolumnist beim »Neuen Deutschland« und schrieb regelmäßig für »Makroskop«. Seit 2022 ist er Redakteur bei »Overton Magazin«. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main.
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Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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