Deutschlands ungeliebte Kinder

Ein Volk, das sich Kindergeldzahlungen leistet, ist noch längst kein Volk, das seine Kinder liebt.

Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente

Verdun Soldatengräber Abdou A. A. from Stockholm, SwedenCC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Kriegstüchtig werden, kriegsbereit sein. Man könnte es auch so übersetzen: »Hier können Familien ihren Nachwuchs abgeben!« Wer soll die Kriegsfähigkeit denn sonst umsetzen? Sicher, die Alten können sich auch auf den Boden in den Morast werfen und ein bisschen strampeln – aber die morschen Knochen dann erneut aufzurichten: Das nimmt Zeit in Kauf, die es unter feindlichem Beschuss nicht gibt. Die Debatte um die Wehrfähigkeit ist, auch wenn es kaum jemand merkt, eine Debatte über die Kinder in »unserer Mitte«.

Wenn man es genau nimmt, trifft das freilich auf allerlei Debatten zu. Vielleicht ist jedoch keine so existenziell wie jene um die Bewaffnung, Aufrüstung und das Ruinieren von Feinden. Über Jahrzehnte versprach das demokratische System des Westens, dass es den Kindern besser ergehen könne als vormals den Eltern oder Großeltern. Dieses »Versprechen« ist dahin, ziemlich sicher wird es den kommenden Generationen – trotz Elektroniktand, trotz KI und vereinfachten Bildungsabschlüssen (oder gerade wegen derer?) – schlechter gehen als ihren Altvorderen. Zynisch betrachtet könnte man die Remilitarisierung und die Widerkehr des Kriegswesens als Fortführung der Politik mit anderen Mitteln, auch als den Versuch betrachten, Kindern doch noch halbwegs annehmbare Zukunftsperspektiven zu schenken. Auch wenn deren Zukunft dann vielleicht kürzer ausfällt, als es sich jede Mutter je für ihr Kind wünschen würde.

Kinders, haltet Abstand!

Wenn Sie ganz still sind, können Sie es hören. Pst! Und – vernehmen Sie es? Richtig, da ist nichts, es ist ganz leise, nichts rührt sich. Und genau das ist das Problem. Eigentlich müssten Eltern, die ihre Kinder lieben – wenn sie sie lieben! – jeden Tag mit den Ketten rasseln und einen Mordslärm verursachen. Denn es sind ihre Kinder, die es rausreißen, die das Wirtschaftsprogramm auf Rüstungsgrundlage mit dem Einsatz ihres Lebens legitimieren sollen. Die Alten: Die sind für einige »großen Denker«, die Krieg als Motiv für eine total durchgeknallte Form der Generationengerechtigkeit halten, vielleicht von Interesse. Ernstnehmen kann man so einen Ruf nach einer geriatrischen Truppe freilich nicht. Nein, es geht um die Söhne derer, die nicht genug in der Tasche haben, um ihren Nachwuchs auszulösen.

Und machen wir uns nichts vor: Es geht auch um die Töchter. Denn eines ist sicher im hysterischsten Deutschland aller Zeiten: Es findet sich sicher irgendeine blauhaarige junge Neofeministin im hochgeschlossenen Rüschenblüschen, die ihr Duckface in eine Kamera hält und dabei klarmacht, dass es gegen den Russen nur mit Girlspower geht – dass man das den Jungs alleine überlässt, die Frauen nicht rekrutiert, sei mal wieder Patriachat pur. Und kaum, dass die junge Dame das ausformuliert hat, werden sich auch Transverbände melden und kundtun, dass auch sie ein Stück vom Kuchen des Gemetzels abhaben wollen. Wenn Sie das für die blühende Phantasie eines Redakteurs halten, freue ich mich für Sie, denn dann haben Sie sich den Schuss Naivität bewahrt, den man braucht, um im Leben immer wieder überrascht zu werden. Und ein Leben voller Überraschungen: Das ist es doch, was wir uns alle wünschen.

Werden dann wohl stolze Eltern weinen, nicht weil ihr Nachwuchs vielleicht nie wieder heimkommt, sondern weil er so verantwortungsbewusst ist? Stehen ihnen die Tränen in den Augen wie einst, als sie den Nachwuchs am schulfreien Freitag anfeuerten, als dieser – kaum aus dem SUV gestiegen – die Welt rettete?

Was Verantwortung bedeutet, haben die lieben Kleinen, die jetzt wohl kriegsflügge werden müssen, ja bereits ab 2020 in verschärfter Form erfahren. Damals lehrte man sie, dass der eigene Körper eine gefährliche Waffe sei, der das Alte, die Erzeuger von Mama und Papa nämlich, töten kann und töten wird: Die Kinder sollten die Angst kennenlernen. Und die Bereitschaft, auf Abstand zu gehen – auch auf Pausenhöfen, auch auf Spielplätzen. Die Lehrer triezten sie, zumindest war es der Lehrerverband, der damals so tat, als stehe er an der Front im Osten und brauche Waffenlieferungen, um im Unterricht sicher zu sein vor dem Feind, der hinter jeder nicht satt aufsitzenden Mund-Nasen-Bedeckung lauerte. Diese Generation wuchs in einem sonderbaren Gefühl auf, dass Abstand Nähe sei – die Unbeschwertheit, von jeher ein Zeichen kindlichen Lebensgefühls, wurde zur Gefährdung umgedeutet. Und die Eltern? Die ließen es mehrheitlich zu, manche aus Furcht, viele auch, weil sie es für richtig und wertvoll erachteten. Dem Beobachter jenes kinderfeindlichen Treibens beschlich damals schnell ein ganz mulmiges Gefühl: Lieben viele Eltern ihre Kinder eher so halbherzig? Wo waren die Löwenmütter die keine Rücksicht auf die doof gaffende Mehrheit nehmen? Und wo die erzürnten Väter, denen es einerlei ist, was andere über sie denken, wenn es nur dem Spross dient?

Haltung annehmen, Kindchen!

Die Liebe der Eltern und das deutsche Kind: Das ist ein Thema. Mein Vater stritt vor vielen Jahrzehnten mal mit einem Bekannten, weil er dem sagte, dass die Deutschen nicht sonderlich kinderlieb seien, überall störte ihr Spiel nur und mancher Vermieter merkt sofort an, dass er Familien mit Kindern nicht in seiner freistehenden Wohnung haben wolle. Über Diskriminierung spricht man hierzulande viel, das Gleichstellungsgesetz sollte dem vorbeugen – dass jedoch derjenige nicht diskriminiert werden sollte, der »mit Kind« ist, liest man eigentlich nie. Jedenfalls gefiel das dem Bekannten nicht: Er argumentierte – nun ja – Deutsch. Ein Land, das Kindergeld auszahle, könne man wirklich nicht als kinderfeindlich bezeichnen. Man kann die Gesellschaft natürlich immer auch buchhalterisch erfassen und schönrechnen. Ob allerdings mein Vater damals recht hatte, wusste ich nie so recht. Bis zu jenem Hygienefestival ab 2020 – damals bestätigte sich mein Verdacht, dass es die Kinderliebe schwierig in diesen Gefilden hat. Vermutet hatte ich es schon vorher.

Beispiel gefällig? Bitte: Wie man etwa die Kinder mehr oder weniger auf Klimademos schleppte – ja, schleppte! Denn mit den Eltern fing das an. Sie hatten das Potenzial, einen schulfreien Freitag zu beanstanden und Unterricht einzufordern. Aber da Schule ohnehin für viele nur als Verwahranstalt für das kleine Statussymbolchen angesehen haben, war es eigentlich auch einerlei, ob die in die Schule oder auf die Straße gingen. Hauptsache aufgeräumt – Helikoptereltern fuhren sie sogar hin, applaudierten den lieben Kleinen, die sich in eine richtige Hysterie hineinsteigerten, Psychosen entwickelten. Etwas später nannte man die, die gegen die Maßnahmenpolitik der Ministerpräsidentenkonferenz demonstrierten, ja, die sie auch nur in Frage stellten, spinnerte Schwurbler. Dieses Schwurbeln wurde aber am Rande von Friday for Future erfunden. Dort erzählte man, dass in zwei Jahren die Erde am Ende sei – man sah Bilder von hysterischen Kindern, in Erinnerung blieb mir ein kurzer Clip, in dem zwei Mädchen aufgelöst weinten, weil demnächst alles vorbei sei hienieden. Wo waren da die Eltern, die ihren total verängstigten Kindern, diesen NGO-geschädigten Geschöpfen, wenigstens  nur ein wenig die Angst nahmen?

Sie waren eine Rarität. Ganz im Gegenteil, ein so besorgtes Kind war ein Statussymbol Deluxe, hätte ein Lastenfahrrad einen Kofferraumdeckel, sie hätten sie einen Sticker drangemacht, auf dem steht: »Mein Kind hat Klimaangst!« Nachwuchs mit Haltung: Da schlug manches Elternherz höher. Und weil Haltung so was Feines ist, zog man die Kinder in allerlei andere Abenteuer hinein.

Wer in den Tiefen des Netzes unterwegs ist, kennt die vielen Fotos von Regenbogendemos, auf denen auch Kinder mitlaufen. Warum auch nicht, immerhin lernen sie teilweise in der Grundschule schon, dass es eine ganze Latte an Sexualitäten gibt – in Berlin war gar ein »homosexueller Kindergarten« geplant: Wer sich aufregte, war sofort Rechter. Meldet man sein Kind in so einer Einrichtung an, wenn man es liebt? Will man, dass Kinder so früh mit solchen Themen belastet werden? Dass sie sich schon mit drei oder vier Jahren mit Sexualität auseinandersetzen müssen? Auf manchen Pride-Demos entstanden Fotos von Kindern, vor denen Männer in Hundekostüm und Kötermaske auf allen Vieren herumstreunen und dabei mit dem Schwanz wackeln – mit welchem, mit dem aufgesteckten oder … nun ja … suchen Sie es sich aus. Vermutlich muss das Subjekt des letzten Satzes im Plural stehen – es wackelte also alles. Ist es das, was man seinem Nachwuchs in jungen Jahren schon aufbürden muss? Notgeile Kerle, die sich nicht mal mehr auf den zwei unteren Extremitäten halten können vor lauter Erregung?

Kämpfen, Kinder, kämpfen!

In Schulen kommt auch schon recht früh ein ganz großes Thema auf: Die Alternative für Deutschland – mir wurde von Eltern berichtet, dass auf den Schulhöfen kolportiert wird, dass diese Partei schon bald Massenabschiebungen veranstalten und – vielleicht noch schlimmer – Lager einrichten wird. Die Angst geht um – aber es ist eine Angst, die gezielt geschürt wird und die sich auf den Nachwuchs überträgt. Lehrer »klären auf«, behandeln den Nationalsozialismus früher als im Lehrplan vorgesehen und bringen diesen Stoff mit der heutigen Situation zusammen. Wichtig dabei: Die Panik hochhalten, die Kinder in einen permanenten Zustand von Furcht zu versetzen. Und das alles, damit »unsere Demokratie« gerettet wird. Gut, wer immer mit der Angst im Nacken zu tun hat, wird bestimmt nicht sonderlich demokratisch erzogen, sondern eher mit »totalitären Qualitäten« gequält, die auch nur einen totalitären Menschentypus heranreifen lassen können. Aber vielleicht ist es ja genau das, was benötigt wird. Die Zeiten, die da dräuen, sind jedenfalls nichts für Mitbestimmung und Bürgerwillen.

Wobei: Wenn der Bürgerwillen destilliert wird, wenn er sich so präsentiert, wie es sich elitäre Zirkel und philantrophische Lichtgestalten in den Höhen eidgenössischer Bergdörfer vorstellen, dann ist er geradezu ersehnt. Damit das hier und da auch mal gelingt, gibt es probate Mittel der Willenssteuerung. Dass man seine Kinder nicht zu sehr liebt, auch das könnte man als gezielten Angriff auf die Kohäsionskräfte der Familie ansehen. Spaltung ist das Stichwort – und zwar wo immer es geht. Wo der Kitt aufgelöst ist, gibt man seine Söhne auch. Dem Heer, der Luftwaffe, den Wasserstreitkräften – und das in Zeiten, in denen der Krieg vor der Tür steht. Kämpfen sollen sie, Haltung annehmen – diesmal militärisch. Und jetzt mal ausnahmsweise keine Angst haben. Auch wenn Angst das Mittel der schwarzen Pädagogik in diesem Lande war und weiterhin ist, jetzt bitte keine Furcht: Alles wird gut, wir werden einen Krieg führen, der voller Fürsorge steckt für die Kinder »unserer Bürgerinnen und Bürger«. Wetten, dass sich ein politischer Verantwortlicher – der Monolith der Ödnis aus Bellevue? – mit solchen Worten an die Erzeuger von Kanonenfutter wenden wird, um das Land einzustimmen und gleichzeitig zu besänftigen, wenn es denn soweit ist mit dem Ernstfall?

Zu Weihnachten sind sie wieder bei Ihnen, liebe Mütter! Wir passen gut auf Ihre Kinder auf. Als Vater, so wird man vernehmen, weiß ich, was das bedeutet und welche Zumutung das ist, seien Sie versichert, ich fühle mit – danach ruft er Töchterchen an, sie studiert in Vanuatu Klimawissenschaften und ist leider unpässlich für die große und heroische Zeit, die anbricht.

Gut werden sie aufpassen – so gut, wie sie während der letzten Jahre auf die Kleinen aufgepasst haben – die Kleinen, die groß wurden, aber immer die Kleinen bleiben. Neulich hat Thomas König über Carlo Masala berichtet, wie doof der Reinhard Meys Lied »Meine Söhne geb ich nicht« findet, weil doch die Eltern nicht entscheiden, ob volljährige Söhne zur Armee gehen oder nicht. Wer das so sieht, hat Elternschaft nicht begriffen – oder nicht erlebt. Hat Masala Kinder? Das Internet gibt in der Tat nichts her, Masala ist eine Schattengestalt. Natürlich können Eltern ihrem volljährigen Nachwuchs nichts verbieten. Aber sie können gut zureden, sich gewisse Dinge zu überlegen. Dazu vielleicht ein Antikriegsfilm oder Szenen aus echten Kriegen: Das kann überzeugen. Masala sei gesagt: Die Selbstständigkeit geht in Deutschland so weit, dass »erwachsene Kinder« von Habenichtsen weiter Teil der Bedarfsgemeinschaft bleiben müssen und nicht ausziehen dürfen – bis sie 25 Jahre alt sind. Wer sein Kind liebt, beeinflusst es für den Frieden – das mag vielleicht eine Anmaßung der Eltern sein: Aber Kinder zu beerdigen ist widernatürlich. Es gibt jedes Recht dazu, seine Kinder auch dann vor Schaden zu bewahren, wenn ihnen das Gesetz bereits die Selbstständigkeit gewährt. Manches Recht ist nicht von Menschen gemacht – sondern übernatürlicher Art, manche würden sagen: Göttlichen Ursprungs. Wo war der Aufschrei der Eltern, als Masala diesen Unsinn in die Welt setzte? Wo war er, als ein Althistoriker Eltern Opferbereitschaft abringen wollte und deren Kinder im Sinn hatte? Eltern, die lieben, müssen rebellieren. Wer Angst vor der Rebellion gegen die Kriegsvorbereiter hat, muss mit der Widernatürlichkeit an einem kargen Grab rechnen.

Roberto De Lapuente

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog »ad sinistram«. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs »neulandrebellen«. Er war Kolumnist beim »Neuen Deutschland« und schrieb regelmäßig für »Makroskop«. Seit 2022 ist er Redakteur bei »Overton Magazin«. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main.
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