Die deutsche Wiedervereinigung ist gescheitert

Die Wiedervereinigung ist gescheitert. Uns wurden blühende Landschaften versprochen, stattdessen erhielten wir Kriegstüchtigkeit, Armut und den kulturellen Abstieg. Wenn die DDR – Kultur und ihre Menschen kollektiv erniedrigt werden, kann von „Wiedervereinigung“ keine Rede sein.

Ein Beitrag von Hildegard Vera Kaethner 

Quelle: Pixabay

Ostdeutsche Kultur hat ihre eigenen Wurzel

Die brandenburgische Kulturministerin Manja Schüle sagte bei der im Oktober d.J. bekanntgegebenen Neubesetzung der Leitung des DDRMuseums in Eisenhüttenstadt, dass es im 35. Jahr der Vereinigung nicht darauf ankäme, ob jemand aus dem Osten oder Westen wäre. Da wird Widerspruch angemeldet, denn im 33. Jahr der Vereinigung erhob Matthias Döpfner die Ostler in den Stand von:

„die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig.“

Mit dieser Äußerung manifestiert Herr Döpfner Unkenntnis über historische Entwicklungen in den Ostblockländern und darüber hinaus, wie auch in Italien, wo es ebenso nach 1945 eine starke kommunistische Bewegung gab.

Die frisch gekürte Museumsleiterin Christine Gerbich, aufgewachsen in Westdeutschland, formulierte, dass sie dem DDRMuseum in Eisenhüttenstadt eine nationale Bedeutung geben möchte. Es ist zu begrüßen, wenn es ihr gelingt, dieses Museum aus der Oberflächlichkeit in ein Museum von Rang zu heben. Das Museum in Eisenhüttenstadt ist prädestiniert z.B.an die jüdische Widerstandskämpferin Ursula Beurton, die in Shanghai als Spionin gegen Hitlerdeutschland ihr Leben aufs Spiel setzte, an den jüdischen Literaturwissenschaftler Victor Klemperer, an die jüdische Schriftstellerin Anna Seghers und den jüdischen Kommunisten Prof. oec. Jürgen Kuczynsky, der nach seiner Emigration im Nürnberger Prozess als Nebenkläger gegen IG Farben auftrat; und die nach 1945 in der DDR arbeiteten, zu erinnern.
Vergessen werden sollte auch nicht, dass in der DDR die Entnazifizierung im Gegensatz zur westdeutschen Politik, die unter Konrad Adenauer in den 1950erJahren salopp gehandhabt wurde, bis zum DDR – Beitritt 1990, systembedingt konsequent andauerte.

Es ist nicht legitim, dass das DDR – Erbe bedeutungslos werden soll

Forderungen sowjetische Gedenkstätten umzugestalten oder abzureißen werden immer wieder erhoben. Für das geschützte sowjetische Ehrenmal im Treptower Park erhob eine Gruppe um ex Innensenator Berlins Andreas Geisel die Forderung einer Uminterpretation. Ähnliche Wünsche beziehen sich auf Arbeitergedenkstätten, wie die Ernst Thälmann Gedenkstätte in Ostberlin.

Begründungen derer, die eine Änderung anstreben, fußen auf Aussagen wie: Die Denkmale sind nicht mehr zeitgemäß. Auch das Thälmann Denkmal sei überflüssig, da Thälmann ein Kommunist gewesen und ein Gedenken an ihn überflüssig sei.
Vergessen wird dabei, das Thälmann Opfer der Gewaltherrschaft war und im KZ Buchenwald auf Befehl von Hitler ermordet wurde. 
Zu beachten ist, dass diese Denkmale dem erhöhten Schutz unterliegen und als historische Zeugnisse weder dem Zeitgeist noch persönlichen Identifikationswünschen unterworfen sind.

Sowjetische Gedenkstätten sind ostdeutsche Geschichtszeugnisse

Laut Homepage der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien unterhält und finanziert die Bundesrepublik diese Gedenkstätten. 
Der Eindruck trügt, denn viele Sowjetdenkmale werden ohne Finanzmittel des Kulturstaatsministers Weimar erhalten. Ständige Bitten um Gelder für diese Mahnmale seitens ostdeutscher Bürgermeister und Landräte dürften nicht sein, denn diese Gelder müssten der Kulturstaatsminister und die Kulturlandesminister zur Verfügung stellen.
Die Rechtsbegründung der Erhaltungspflicht inbegriffen der Finanzierung liegt darin, dass diese Denkmale durch den 2 plus 4 Vertrag (12.9.1990) und dem dazugehörigen Schreiben der deutschen Außenminister de Maiziére und Genscher an die Außenminister der vier Siegermächte, einen hervorgehobenen Schutzstatus erhielten: 
-„Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage 
(1945- 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen.“
-„Die auf deutschem Boden errichteten Denkmäler, die den Opfern des Krieges und der Gewaltherrschaft gewidmet sind, werden geachtet und stehen unter dem Schutz deutscher Gesetze. Das Gleiche gilt für die Kriegsgräber, sie werden erhalten und gepflegt.“

Enteignungen in der Sowjetischen Besatzungszone

Die besatzungsrechtlichen, -hoheitlichen entschädigungslosen Enteignungen von 1945 bis 1949 betrafen Organisationen, Parteien, Betriebe, Privatpersonen, die mit den Nazis zusammengearbeitet haben. 
Der Befehl 209 der sowjetischen Militäradministration vom 9.September 1947 legte fest, dass sämtliche Gutshöfe, die über 100 ha Land verfügen, enteignet werden. Das war der Bodenreformbefehl vom obersten Chef der Sowjetischen Militäradministration Deutschlands Marschall Sokolowski. Dieser Befehl wurde in jedem Land der SBZ zugunsten von Landumverteilung an Neubauern umgesetzt. Dieser betraf Landwirtschafts- und Forstflächen, zu denen auch Schlösser, Herrenhäuser und Gutshäuser gehörten.

Nach dem Krieg waren in der SBZ -Brandenburg- noch 779 dieser denkmalgeschützten Bauten vorhanden. Davon sollten 643 Gebäude abgerissen, 82 als Heime, Schulen, Kindergärten und eine weitere Anzahl als öffentliche Gebäude wie beispielsweise Kulturhäuser und Krankenhäuser umgestaltet werden.

In Summe sollten 643 denkmalgeschützte Gebäude abgerissen werden. Davon sind ca.90 Prozent bis 1990 erhalten geblieben; wenn auch oftmals in baulich veränderter Form. Die Gründe waren, dass einige Landräte sich weigerten den Befehl umzusetzen oder dass in vielen Herrenhäusern ausgebombte Berliner Unterkunft fanden. Oftmals wandten sich Ortsansässige an Sowjetoffiziere, um eine Sondergenehmigung für den Bestand der Gutshäuser zu erhalten. Dies meist mit Erfolg, denn dass diese Gebäude als Kindergärten oder Schulen benötigt wurden, war angesichts der ausgebombten Städte erkennbar. Aber die größte Anzahl der benannten Güter ging erst nach 1990 aufgrund der Privatisierungspolitik und des damit bedingten Leerstandes verloren.

Der Beitritt der DDR zur BRD und die Rechte der Alteigentümer 

Im vereinigten Deutschland meldeten die enteigneten Großgrundbesitzer ihren Anspruch auf ihre Besitzungen an. In der Summe betraf es 3,3 Millionen ha, das waren 
ca. 35 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche der DDR. Aus dieser entstanden entsprechend des Bodenreform-Befehls 210 000 Neubauernwirtschaften, mit einer durchschnittlichen Größe von 8 ha. Nach 1990 kam es von Alteigentümern zu Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht, die aber mit Verweis auf die gemeinsame Erklärung, dass diese Bodenreform von 1947 im vereinten Deutschland Bestand hat, scheiterten.

In der öffentlichen Debatte um diese Verfahren wurde oftmals kolportiert, dass Gorbatschow die Nicht-Rückabwicklung der Bodenreform als Bedingung für die Wiedervereinigung nannte. Gorbatschow sagte dazu, „es stimme nicht, dass er damals, 1990, ausdrücklich die Rückgabe jenes Eigentums habe verbieten wollen“, und von „Restitutionsverbot oder Scheitern des Großen Vertrages“ sei nie die Rede gewesen“. (TAZ vom 05.9.1994)
Diese Haltung deckt sich mit den Ausführungen in seinem 1987 herausgegebenen Buch “Umgestaltung und neues Denken für unser Land und für die ganze Welt“. In diesem verweist er auf die Wirtschaftsnotwendigkeit einer sowjetischen Reform in Richtung Abbau der Planwirtschaft.

Gorbatschow führte im Jahr 1990 die Verhandlungen aus einer finanzschwachen Position. Eine vor dem Wirtschaftskollaps stehende UdSSR konnte objektiv keine systemischen Bedingungen gegen den Willen der USA – und BRD durchsetzen, auch nicht den Bestand der Bodenreform.

Die Rechte der Alteigentümer blieben bei Entschädigung statt Rückgabe bis auf die Ausnahmen für die Grundbesitzer, die unter dem Hitlerregime enteignet wurden; dass vielfach jüdisches Eigentum betraf.

Nach 1990 begannen die Aufkäufe von riesigen Landflächen aus dem Bestand der dafür gebildeten Bodenverwaltungsgesellschaft, den Treuhandgesellschaften.

In allen ostdeutschen Ländern entstanden gesonderte Plattformen für den Verkauf von den einst im sozialistischen Eigentum stehenden Schlössern, Herrenhäusern und Gutshäusern. In Brandenburg wurde die Schlösser GmbH gegründet, die unter dem Motto der Rettung der Kulturgüter letztlich auch den Verkauf der Anwesen verfolgte. Es wurde vorgegeben, dass der Verkauf sich immer an ein Nutzungskonzept der Käufer bindet. Nutzungskonzepte wurden en masse eingereicht, die Wohnungen, Arztpraxen und Büros einrichten wollten. Zeitweise waren Bieterverfahren en vogue.
Diese Verfahren führte in der Summe zu keiner nachhaltigen Nutzung der Kulturgüter. Der Ausverkauf und das Geschacher sind nach wie vor Bestandteil der ostdeutschen Kulturpolitik.

Weshalb wurden die Herrenhäuser, die zu DDR-Zeiten weiterhin als Wohnungen, Schulen Ambulatorien, Museen, Kindergärten in Nutzung waren, leer gezogen, um genau diese Nutzungen mittels Verkäufe oder Bieterverfahren zu erreichen? Bittere Realität ist, dass die Alteigentümer als auch die DD-Bürger um diese Kulturgüter betrogen wurden. Nutznießer sind vielfach Hasardeure und Glücksritter im wilden Ausverkauf der Kulturgüter.

Für die Windenergie-Profiteure werden Schutzgesetze geändert

Der Umgebungsschutz ist in den Denkmalschutzgesetzen verankert und gilt auch bei Standorten für Windkraftanlagen. Dies ist auch in Brandenburg so, wenn sich nicht der brandenburgische Gesetzgeber über eine jeweilige Abwägung der Schutzinteressen hinweggesetzt hätte. Das brandenburgische Denkmalschutzgesetz hob den Umgebungsschutz durch Vorrangklausel der erneuerbaren Energien im Jahr 2023 auf. Faktisch und rechtstheoretisch ist dies ein Fehler, denn Denkmale rangieren als Schutzgüter, die im öffentlichen Interesse liegen und somit muss immer eine Einzelfallabwägung zwischen den Belangen des öffentlichen Interesses erfolgen.

Wer Schutzgesetze zunichte macht, verlässt den Korridor des Gemeinwohls und begünstigt die Profitinteressen Einzelner.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.


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