Diverse gute Gründe nicht mehr „woke“ zu sein.

US-amerikanische Unternehmen stellen ihre Diversitätsprogramme ein – und deutsche Medien glauben, dies liege an Donald Trump. Dabei haben sie schon vorher damit begonnen. Vielleicht gibt es ja andere Gründe?

Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente

Regenbogenflagge wird eingeholt
Governor Tom Wolf from Harrisburg, PACC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Letzte Woche gab Mark Zuckerberg bekannt: Faktenchecker bei Meta wird es nicht mehr geben. Die Bestürzung war groß – besonders in Deutschland. Macht der Facebook-Gründer jetzt gemeinsame Sache mit Donald Trump? Knickt er – und knicken andere Digitalunternehmen – vor dessen Amtsübernahme ein? Was auch immer die Antwort darauf ist, eine Vorwegnahme sei dann doch erlaubt: Meta und andere Digitalunternehmen sind bereits schon mal eingeknickt. Und das nicht vor Trump, sondern vor der US-Regierung, die nach ihm kam. Meta und Co. haben sich damals den Democrats ergeben und ihre Netzwerke mit Prüfdiensten bestückt, die im Sinne der amtierenden Regierung »argumentierten«. Das sollte man im Kopf haben, wenn heute von einer Anbiederung an Donald Trump die Rede ist: Denn wenn man es genau nimmt, wurde eine Entwicklung zurückgenommen, die mit Joe Biden ihren Anfang nahm.

Eine weitere Nachricht, die in der letzten Woche ein wenig unterging, weil Zuckerberg die Berichterstattung prägte: McDonalds wird seine DEI-Programme einstellen. DEI steht für Diversity, Equity und Inclusion – also für Vielfalt, Gerechtigkeit und Integration. So möchte das Unternehmen intern keine Diversitätsziele mehr vorgeben, von Zulieferern keine Diversitätsstandards mehr verlangen und nicht mehr an externen Umfragen zur Arbeitsplatzinklusion teilnehmen. Kommt auch der Burgerbrater der neuen US-Regierung zuvor, die schon vor einiger Zeit angekündigt hatte, die Wokeness stark eindämmen zu wollen?

US-Unternehmen denken um

McDonalds war im Grunde spät dran, denn in den Vereinigten Staaten haben diverse Unternehmen bereits vor längerem damit begonnen, ihre DEI-Programme einzustampfen – teilweise schon Monate bevor überhaupt klar wurde, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahlen gewinnen würde. Vor knapp zwei Monaten erklärte Amerikas größte Einzelhandelskette Walmartdass sie ab sofort andere Wege beschreiten werde. Man werde unter anderem keine Sprechregelungen wie LatinX für genderneutrale Latinos mehr verwenden. Insbesondere am Corporate Equality Index (CEI) der Human Rights Campaign werde man nicht mehr teilnehmen – der Index stellte ein LGBTQ-Ranking dar.

Auch mehrere andere Unternehmen, die im Verlauf der letzten Monate der Presse erklärten, ihre Diversitätsprogramm einzudampfen oder ganz einzustellen, verwiesen regelmäßig auf den CEI, den sie nicht mehr bedienen wollten. So zum Beispiel Jack Daniel’s oder Toyota – der japanische Automobilhersteller habe unter anderem ein Sommercamp für Kinder subventioniert, in dem es zu einem Drag-Queen-Auftritt gekommen sein soll. Das wurde von außen stark kritisiert. Jack Daniel’s entschied sich schon im August des letzten Jahres für einen Kurswechsel. Toyota im Oktober 2024.

Im April des vergangenen Jahres erklärte der Motorradhersteller Harley-Davidson seine Abkehr vom DEI-Programm. Der Landmaschinenhersteller John Deere zog nach. Deere will weder Diversitätsquoten aufrechterhalten, noch bei externen kulturellen Veranstaltungen zum Thema involviert sein. Außerdem seien Angaben zu Pronomen nicht Bestandteil der Unternehmenskultur. Selbst Microsoft zog mit, wenn auch nicht derart radikal: Das Unternehmen gab bereits im August 2024 bekannt, das konzerneigene DEI-Team stark auszudünnen – gleichzeitig betonte Microsoft aber auch, wie wichtig Vielfalt auch weiterhin sei.

Politkommissare kosten

Während dieser Text entsteht, meldet Fox News, dass auch die Bundesbehörde FBI nachzieht. Es beendet seine Diversitätsprogramme – was Donald Trump sauer macht, denn er versprach, Bundesbehörden von DEI zu befreien. Nun kam sie ihm zuvor. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sich die Vereinigten Staaten aus dem Zugriff der sogenannten Social Justice Warriors löst. Die kämpfen nicht für soziale Gerechtigkeit, wie wir sie hierzulande oft einfordern – Social Justice meint hier Identität und fordert eine Politik, die eben diese Identität ins Zentrum der Wahrnehmung stellt, dabei alle anderen Qualitäten unterordnet: Qualifikation zum Beispiel. Für die Unternehmen und die politische Agenda war das in den vergangenen Jahren recht bequem. Man konnte sich einen sozialen Anstrich verpassen, ohne massiv Gelder lockern zu müssen.

Die Aktivisten waren für die amerikanische Herrschaftsklasse wie Sozialisten, die vergessen hatten, die Ungleichgewichte innerhalb der Gesellschaft, an der Frage der Verteilung des Besitzes und der Produktionsmittel festzumachen. Anders als Gewerkschafter waren deren Geldforderungen überschaubar – eine DEI-Abteilung sollte es sein, ein Diversitätsbeauftragter und eine Quotierung, die ad hoc erstmal nichts kostete. Die gewerkschaftlichen Kollegen wollen immer höhere Löhne, bessere Sicherheitsstandards, Ausgleiche hier, Förderungen dort. Wer aber Welt und Geschichte als Kampf der Identitäten begreift, nicht aber als eine Litanei von Klassenkämpfen, durfte sich als günstige Alternative zu diesen unseligen Materialisten anwerben lassen.

Ben Shapiro rechnete in seinem Buch »Der autoritäre Terror. Wie Cancel Culture und Gutmenschentum den Westen verändern« mit der Identitätspolitik ab, die Einzug hielt in verschiedenste Bereiche des amerikanischen Alltagslebens. Unter anderen auch in die Arbeitswelt. Dort sei eine Lähmung entstanden, man habe in den Unternehmen mehr denn je Angst, etwas Falsches zu sagen. Die Diversitätsbeauftragten seien als Politkommissare anzusehen – ausgestattet mit der Macht, unliebsame Kollegen für eine Entlassung zu empfehlen. Man kann sich also vorstellen, dass die Installation eines Diversitätsbüros innerhalb der Betriebe erstmal verhältnismäßig günstig war – aber die verdeckten Kosten durch schlechtes Klima, Verstimmungen und Kontrolle, dürften sich durchaus summiert haben.

Students for Fair Admissions Inc. versus President and Fellows of Harvard College

Mit Donald Trump hat das also sehr wenig zu tun – es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum Amerikas Unternehmen abspringen. McDonalds gab bei seiner Begründung für den Abbruch an, was das Unternehmen umtrieb: Die veränderte Rechtslage. Bereits im Juni 2023 urteilte der Oberste Gerichtshof, dass die sogenannte Affirmation Action verfassungswidrig sei. Als Affirmation Action bezeichnet man Maßnahmen, die darauf abzielen, benachteiligten Gesellschaftsgruppen zu fördern – zum Beispiel mittels Quotenregelungen. Das Urteil des Supreme Court behandelte die Affirmation Action auf Hochschulen. Damals war aber bereits klar, dass es sich auch auf andere Bereiche juristisch auswirken könnte.

McDonalds bezieht sich nun auf dieses Urteil und gibt an, es mit in die Überlegungen einbezogen zu haben. Denn es könnte sich auf das Unternehmen auswirken – da wolle man vorbauen. Der Burgerbrater scheint das einzige Unternehmen zu sein, das die Beendigung der Programme mit dem Gerichtsurteil in Verbindung bringt. Unter Umständen ist es für Unternehmen aber auch nicht gerade patriotische Werbung, wenn man zugeben müsste, die amerikanische Verfassung nicht geachtet zu haben – also erwähnt man das lieber nicht.

Für die deutsche Medienlandschaft ist allerdings klar, dass Donald Trump und der damit einhergehende Rechtsruck diese Situation verursacht hat. Seine Wahl ließe die Wirtschaft nun einknicken. Deutsche Journalisten zeigen mit dem Finger auf die USA unter Trump – wie gewohnt: Gekonnt überheblich und mit moralischem Dünkel. Natürlich mag hier und da ein Unternehmer auf die neue politische Situation schielen und dann einen Entschluss fassen. Aber viele Unternehmen haben schon lange vor Trump damit begonnen, ihre Diversitätsagenda auszuhöhlen oder gleich ganz sein zu lassen. Und das Urteil des Obersten Gerichtshofes fand mitten in der Amtszeit von Joe Biden statt – dem angeblichen Vertreter des demokratischen Amerika. Dieses Urteil dürfte den Unternehmen am meisten Angst eingejagt haben.

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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