Keine Zugeständnisse mehr an die palästinensische Terrororganisation Hamas. Israelische Soldaten sollen den Gazastreifen erobern und langfristig kontrollieren. Angehörige der von den Hamas-Terroristen dorthin verschleppten Geiseln sind empört. Das Auswärtige Amt zeigt sich besorgt.

Tel Aviv – Nach Jahrzehnten blutigen Terrors ist Israels Geduld mit der palästinensischen Terrororganisation Hamas endgültig zu Ende. Die israelische Armee soll nach dem Willen der Regierung den Gazastreifen erobern und auf Dauer besetzt halten. Für die großangelegte Offensive werden Zehntausende Reservisten mobilisiert. Weiter beschloss das Sicherheitskabinett um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach Angaben aus Regierungskreisen einen Plan, um die seit Wochen gestoppten Hilfslieferungen in den abgeriegelten Küstenstreifen wieder aufzunehmen.
Der Plan sehe auch vor, die palästinensische Bevölkerung vom Norden in den Süden zu bewegen, hieß es in einer Mitteilung der Regierung weiter. Ziel sei es, die im Gazastreifen herrschenden Hamas-Terroristen zu besiegen und die Freilassung der von islamistischen Extremisten festgehaltenen Geiseln zu erreichen. Die Islamistenorganisation soll demnach auch daran gehindert werden, humanitäre Hilfsgüter für sich abzuzweigen oder weiterzuverkaufen.
Netanjahu erklärte, die Armee werde nicht mehr nur Razzien im Gazastreifen durchführen, sondern Gebiete erobern und auf Dauer dort bleiben. Laut der israelischen Zeitung «Haaretz» ist neben der Einnahme weiterer Gebiete vorgesehen, die schon geschaffene «Pufferzone» auszuweiten. Auf diese Weise wolle Israel in den Verhandlungen mit der palästinensischen Terrororganisation Hamas mehr Druckmittel gewinnen. Beide Seiten können sich seit Wochen nicht auf ein Abkommen zur Freilassung weiterer Geiseln sowie eine Waffenruhe einigen.
Netanjahu sagte laut Regierungskreisen außerdem, er unterstütze weiterhin den Plan des US-Präsidenten Donald Trump für eine «freiwillige Emigration von Gaza-Einwohnern». Man sei dazu mit mehreren Ländern im Gespräch. Trumps Plan war international auf starke Kritik gestoßen.
Smotrich: Bleiben auch im Fall eines Deals in Gaza
Auslöser des Gaza-Kriegs war der Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Finanzminister Bezalel Smotrich sagte israelischen Medien zufolge, Israel werde sich auch im Falle eines weiteren Deals zur Freilassung von Geiseln nicht aus dem Gazastreifen zurückziehen. Er betonte demnach auch die Möglichkeit einer Annexion des Palästinensergebiets.
Angehörige der Geiseln warfen der Regierung vor, die Geiseln mit ihrem «Smotrich-Netanjahu-Plan» aufzugeben. Israels Führung seien Gebiete wichtiger als die Verschleppten, sie handle damit gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung, sagte das Forum der Geisel-Familien.
Geiseln unter grausamen Umständen festgehalten
Umfragen zufolge befürwortet eine große Mehrheit der israelischen Bevölkerung ein Abkommen, das die Freilassung aller noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln vorsieht – auch wenn dies ein Ende des Krieges bedeuten würde. Die Hamas-Terroristen wollen eigenen Angaben zufolge nur dann weitere Geiseln freilassen, wenn die Kämpfe endgültig enden. Dies würden aber nur den Terroristen Vorteile bringen, nicht aber dem unter Dauerterror der Islamisten leidenden jüdischen Staat.
In dem Küstenstreifen sind nach israelischen Angaben noch 24 Geiseln sowie die Leichen von 35 Entführten in der Gewalt von Terrororganisationen. Sie werden nach Angaben ehemaliger Geiseln von ihren Entführern unter grausamsten Umständen festgehalten.
Israel hatte sich vor 20 Jahren aus Gaza zurückgezogen
Kritiker in Israel werfen Netanjahu, gegen den seit Jahren ein Korruptionsprozess läuft, Eigeninteressen im Gaza-Krieg vor. Der israelische Regierungschef, dem nachgesagt wird, angeblich an der Macht zu klammern, ist für sein politisches Überleben auf seine Koalitionspartner angewiesen. Diese fordern schon länger die Wiederbesetzung und Wiederbesiedlung des Gazastreifens, aus dem Israel sich vor 20 Jahren zurückgezogen hat.
Israelische Beobachter haben in dem Fall bereits vor den Auswirkungen für Israel gewarnt. So kämen auf das Land Kosten in Milliardenhöhe zu, für die Geiseln bedeute die Entscheidung wahrscheinlich den Tod. Zudem bräuchte die Armee deutlich mehr Soldaten, so Analysten.
Generalstabschef Ejal Zamir hatte am Sonntag bereits angekündigt, Zehntausende Einberufungsbefehle an Reservisten verschicken zu wollen, um die Offensive im Gazastreifen ausweiten zu können. Diesen Schritt hatte das Sicherheitskabinett ebenfalls beschlossen.
Die Mutter eines entführten Mannes forderte Berichten zufolge Reservisten der Armee dazu auf, aus moralischen und ethischen Gründen nicht zum Dienst zu erscheinen.
Deutschland lehnt dauerhafte Besatzung des Gazastreifens ab
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts nannte die Berichte zu den Eroberungsplänen «besorgniserregend». Das Ministerium lehnt eine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens nach eigenen Angaben ab. «Gaza gehört den Palästinenserinnen und Palästinensern», so der Sprecher. Auf die Terrorherrschaft der Hamas, die nicht nur gegen Juden und den Staat Israel, sondern auch gegen die eigene Bevölkerung gerichtet ist, die sie permanent als lebende Schutzschilde missbraucht, darauf ging der Sprecher offenbar nicht ein.
Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hatte bereits im vergangenen Monat gesagt, Israels Soldaten sollten in allen im Gazastreifen eroberten Gebieten dauerhaft die Kontrolle behalten. Anders als in der Vergangenheit werde die Armee keine Gebiete mehr räumen.