Wie unterschiedlich Statistiken gelesen werden können, zeigen zwei Berichte über den am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht des Europarats zur Pressefreiheit.
Der Jahresbericht des Europarates zur Pressefreiheit zeige, dass Medienschaffende in Europa weiter unter Druck stehen, berichtet die „Evangelische Zeitung“. Späh-Attacken und missbräuchliche Klagen würden eine Rolle spielen.
„Journalisten in Europa sind weiterhin Angriffen und Einschüchterung ausgesetzt“, so die Zeitung. Sie beruft sich auf den Jahresbericht des Europarats zur Pressefreiheit. Danach gingen im Jahr 2023 die Meldungen von Repressalien oder Bedrohungen leicht auf 285 zurück. Die entsprechenden Hinweise auf einer Plattform zum Schutz von Medienschaffenden zeigten aber eine wachsende Vielfalt von Eingriffen in die Pressefreiheit.
Der Bericht hebt demzufolge besonders den Einsatz von Spionagetechnologie hervor. Er verweist aber auch auf Einschüchterungsklagen, mit denen Politiker und Unternehmen durch die Androhung von Schadensersatzforderungen eine kritische Berichterstattung unterbinden wollen.
Die Evangelische Zeitung zitiert die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejcinovic Buric, die die Ergebnisse des Berichts als Beleg wertete, dass „Journalisten und Medien in Europa zunehmend Risiken und Behinderungen ausgesetzt seien“. Nötig seien „entschlossene Maßnahmen der Staaten, um Journalisten zu schützen und Bedrohungen der Medienfreiheit wie missbräuchliche Klagen und illegale Überwachung zu bekämpfen“.
„Eine große Bedrohung für die physische Sicherheit von Journalisten im Jahr 2023 war die russische Invasion in der Ukraine“, schreibt das Portal Euronews zu dem Jahresbericht über Pressefreiheit. Das Portal legt bei der Auswertung des Berichtes den Fokus auf Russland und Belarus: Vor allem in diesen Ländern seien Medienvertreter illegal ausspioniert worden, mit Klagen überzogen und inhaftiert. „Im vergangenen Jahr wurden zwei Journalisten – Bohdan Bitik und Arman Soldin – bei der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine getötet, mehrere andere wurden verletzt. Beide starben bei russischen Angriffen.“
Erwähnt wird dagegen fast nebenbei, dass es auch im Westen Probleme gebe.
Die Inhaftierung ist laut dem Euronews-Bericht nach wie vor eine gängige Strafe für Journalisten, die die Führung ihres Landes kritisieren, insbesondere in Russland und Belarus. Das Kriegsland Ukraine wird im Bericht kaum erwähnt.
Auch der US-Blogger Gonzalo Lira kommt darin nicht vor, der in seinen Berichten die Nato, die Regierung von US-Präsident Joe Biden und Wolodymyr Selenskyj kritisierte. Dafür wurde er in der Ukraine verhaftet. Während der mehr als achtmonatigen Haft verweigerten die ukrainischen Behörden dem Journalisten nicht nur lange Zeit die medizinische Versorgung, sondern folterten ihn, verlangten von ihm 70.000 US-Dollar und verweigerten ihm den Kontakt zu seinen Anwälten. Anfang Januar dieses Jahres starb der Blogger, der auch die chilenische Staatsbürgerschaft besaß.
Dazu schrieb der ungarische Auslandsjournalist Gábor Stier auf seinem Portal #Moszkvater Folgendes: „Zunächst einmal wirft der Tod von Gonzalo Lira die Frage auf, wie man mit Meinungsfreiheit und Menschenrechten in Kriegszeiten umgehen soll”. Und fügte hinzu:
„Wie wir sehen: selektiv. Und das nicht nur in Kriegszeiten. Wenn es um Russland geht, um die Verhaftung derjenigen, die den Krieg verurteilen, die russische Armee kritisieren oder sie diffamieren, dann sind die westlichen Mainstream-Medien schnell empört und diskutieren ausführlich über das Wesen des russischen ‚Regimes‘ und die Haftbedingungen. Doch wenn die Ukraine dasselbe tut, dann folgt ein tiefes Schweigen.“
Ende 2023 saßen in den 46 Europarats-Staaten laut dem Bericht 59 Medienschaffende in Haft, 65 weitere in Russland und Belarus, die keine Mitgliedstaaten sind.
Russland war im September 2022 aus dem Europarat ausgeschlossen worden.