Protokolle zu Beratungen im Krisenstab des Robert-Koch-Instituts während der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgerufener Corona-Pandemie werden nun publik. Das Portal Multipolar hat sie freigeklagt. Etablierte Medien, Politiker und Experte reagieren darauf.
Das Portal Multipolar hat am 18. März die bislang geheim gehaltenen Protokolle des Corona-Krisenstabs des Robert-Koch-Instituts (RKI) freigeklagt. Daraus wird klar: Die im März 2020 verkündete Verschärfung der Risikobewertung von „mäßig“ auf „hoch“ – Grundlage sämtlicher Lockdown-Maßnahmen und Gerichtsurteile dazu – gründete, anders als bislang behauptet, nicht auf einer fachlichen Einschätzung des RKI, sondern auf der politischen Anweisung eines externen Akteurs – dessen Name in den Protokollen geschwärzt ist. Darüber berichtete das Nachrichtenportal Multipolar.Nun greifen das Thema die etablierten Medien auf, Politiker und Experte äußern sich dazu.
„Die Risikobewertung basierte nicht auf Daten von Wissenschaftlern“, sagt der Virologe und Epidemiologe Prof. Klaus Stöhr zu der Corona-Lage im März 2020. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) tritt dem Vorwurf einer politischen Einflussnahme auf das Institut entgegen. Bei dem „geschwärzten Mitarbeiter“ handle es sich um einen Mitarbeiter des RKI, sagte Lauterbach am Montag vor Journalisten. Man müsse Mitarbeiter schützen. Er verwies dabei auf mögliche Angriffe von „bestimmten Gruppen“.
„Multipolar“ setzte die Herausgabe der veröffentlichten Protokolle nach eigenen Angaben mit juristischen Schritten infolge eines Antrags nach dem Informationsfreiheitsgesetz durch.
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki verlangt von Lauterbach mit Blick auf die Protokolle volle Transparenz. „Ich fordere Karl Lauterbach deshalb auf, sämtliche Protokolle des RKI-Krisenstabs ohne Schwärzungen zu veröffentlichen“, sagte der FDP-Politiker der Nachrichtenagentur dpa.
„Früher oder später wird er ohnehin gezwungen werden, entweder gerichtlich oder politisch, dies zu tun. Ich werde mich jedenfalls als Parlamentarier dafür einsetzen, dass sämtliche Entscheidungsgrundlagen dieser Zeit öffentlich werden“, betonte Kubicki. Er richtete schwere Vorwürfe an das RKI und auch an den früheren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Es wird immer deutlicher, dass das Robert-Koch-Institut für die Gesundheitspolitik von Jens Spahn und wohl auch Karl Lauterbach als wissenschaftliche Fassade gedient hat.“
Hendrik Streeck, Virologe und ehemaliges Mitglied des Corona-Expertenrates, kritisiert ebenfalls die vielen Schwärzungen in den RKI-Protokollen. „Mich wundert doch sehr, dass ganze Seiten über Impfungen, zum Beispiel, geschwärzt wurden“, sagte er dem Nachrichtensender WELT. „Und ich frage mich, was da drinsteht, warum die Öffentlichkeit das nicht sehen soll.“
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) fordert eine umfassende Aufklärung „um die Zeit mit den größten Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik zu beleuchten“, sagte Wagenknecht der dpa. „Besonders das Schließen von Kitas und Schulen sowie die Ausgrenzung von Ungeimpften müssen untersucht werden, auch um Schlussfolgerungen für künftige Pandemien zu ziehen.“
Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Sichert appelliert an die anderen Bundestagsfraktionen und fordert einen Corona-Untersuchungsausschuss. „Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, was damals wirklich passierte.“