Die Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan haben ihren Rückzug angekündigt. Wie die beiden Politiker dem Vorstand mitteilten, werden sie beim Parteitag in Halle im Oktober nicht mehr kandidieren,
Hintergrund ist die Serie von Wahlniederlagen und wachsende Kritik an den beiden Vorsitzenden. Darüber hinaus wurde die Partei durch die Abspaltung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) geschwächt.
Schon 2021 kam die Linkspartei nur über eine Sonderregel mit drei Direktmandaten in den Bundestag. Bei der Europawahl im Juni erhielt die Linke nur noch 2,7 Prozent der Stimmen.
«Ich nehme wahr, dass es in Teilen der Partei den Wunsch nach einem personellen Neuanfang gibt», schrieb Wissler in ihrer Erklärung, die auf der Webseite der Partei veröffentlicht wurde. «Ich halte es jetzt für den richtigen Zeitpunkt, Klarheit zu schaffen, zwei Monate vor dem Parteitag, damit der Partei genug Zeit bleibt für ein transparentes Verfahren und eine innerparteiliche Meinungsbildung zu Kandidaturen.»
Schirdewan appellierte in seiner Erklärung an die eigenen Parteimitglieder: «Gebt denen, die nun bald das Steuer übernehmen, die Chance und das Vertrauen, die Partei auch führen zu können». Dazu brauche es ein «Ende der teilweise destruktiven Machtpolitik in unseren eigenen Reihen.»
Der Politiker hatte nach der Europawahl Selbstkritik mit Blick auf den Wahlkampf geübt. Dem «Tagesspiegel» sagte er kürzlich: «Keine Frage: Es ist scheiße gelaufen. Da kann man nicht drumrum reden.» Schon in dem Zeitungsinterview deutete er an, dass er über einen Rückzug nachdachte: «Ich werde rechtzeitig darüber informieren, ob ich noch einmal antrete.»
Es gehe darum, die Linken zu einer «starken sozialistischen Kraft» zu entwickeln, schrieb Schirdewan in seiner am Wochenende veröffentlichten Erklärung. Der Ampel-Regierung warf er unter anderem Versagen «gegenüber einem außer Kontrolle geratenen Krisenkapitalismus, von Inflation, Ungleichheit und Kriegen» vor.
Der Druck auf die Parteispitze war in den letzten Monaten deutlich zu spüren. «Ich sage es hier ganz offen, wir brauchen eine strukturelle, politische und personelle Erneuerung», sagte der frühere Fraktionschef Gregor Gysi mit Blick auf den Parteitag im Oktober. Ähnlich äußerte sich der Bundestagsabgeordnete Dietmar Bartsch. Die sachsen-anhaltische Fraktionschefin Eva von Angern forderte Wissler und Schirdewan zum Rückzug auf. Kritik kam auch von der langjährigen Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch und vom gescheiterten Europakandidaten Gerhard Trabert.
Die Linke steckt seit Jahren im Richtungsstreit und in der Krise. Im Oktober verlor die Partei mit Sahra Wagenknecht eine ihrer bekanntesten Politikerinnen. Sie gründete das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und erzielte bei der Europawahl aus dem Stand 6,2 Prozent. Viele Stimmen kamen von der Linken.
«Die letzten zwei Jahre waren innerparteilich vor allem geprägt von der Klärung alter Konflikte und den damit einhergehenden Umbrüchen und Auseinandersetzungen», schrieb Schirdewan. «Das hat unsere öffentliche Wirkung vielfach gehemmt, manchmal konterkariert.» Er räumte ein: «Notwendige inhaltliche Weiterentwicklungen sind wir auch nach der Abspaltung zu langsam angegangen.»
In ihrer Erklärung warf Wissler die Frage auf, ob man die Abspaltung hätte verhindern können. «Nein. Nur um den Preis, dass wir keine linke Partei mehr wären.» Mit dem Wissen von heute hätte sie aber manche Entscheidung anders getroffen. Seither habe es Tausende Neueintritte gegeben, was ihr Hoffnung mache. «Aber das Ergebnis der Europawahl und die Umfragen in Ostdeutschland zeigen, wie schwer es ist, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und dass wir einen langen Weg vor uns haben.»
Schirdewan kündigte an, er wolle sich nun auf seine Arbeit als Fraktionsvorsitzender der Linken im Europäischen Parlament konzentrieren. Wissler will als hessische Bundestagsabgeordnete weitermachen.
Thüringens Staatskanzleichef und Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) schloss eine Kandidatur für den Vorsitz nicht aus. «Diese Frage würde ich mir gegebenenfalls stellen, wenn ich aus der Partei heraus gebeten werden sollte», sagte der 48-Jährige auf Anfrage. Hoff gilt als versierter Stratege und enger Vertrauter von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Hoff bewirbt sich in Thüringen auch um ein Landtagsmandat und steht bei der Linken auf einem aussichtsreichen Listenplatz. Am 1. September wird der Thüringer Landtag gewählt.
Bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September muss die Linke weitere Rückschläge fürchten. In Thüringen erreichte sie bei der Landtagswahl im Jahr 2019 noch 31 Prozent und stellt den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Dort haben sich ihre Werte in Umfragen etwa halbiert. In Sachsen und Brandenburg steht die Linke in jüngsten Umfragen bei etwa fünf Prozent.
(red/dpa)