Tschüss, Annalena!

Eine Sache lässt sich bereits heute verbindlich sagen: Das Außenamt wird künftig sicher einige Versager beherbergen. Aber keiner wird wohl je jener Frau das Wasser reichen können, die es jetzt verlässt.

Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente

Annalena Baerbock vor EU-Flagge
Kasa FueCC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Wer erinnert sich noch an den NATO-Stricherjungen? So nannte einst Diether Dehm den Außenminister, der vor der Dame kam, die das Außenamt seit 2021 an sich riss. Heiko Maas hieß der Mann – ein Dressman sozialdemokratischer Prägung. Und er galt bis dato als schwächster Außenminister, den die Bundesrepublik je hatte. Denn er gestaltete seine Amtsführung lediglich reaktiv und ziemlich stark am Puls des transatlantischen Bündnisses – zudem sprach er sich dafür aus, die Sanktionen gegen Russland, die es ab dem Jahr 2014 gab, weiteraufrechtzuerhalten. So unscheinbar und ohne eine eigene Duftmarke zu setzen, hatte vorher nie jemand Deutschland vertreten.

Die Sache war klar: Maas würde auf lange Zeit der Außenminister sein, den man im Ranking aller bisherigen Minister des Äußeren als den unfähigsten und schwächsten bezeichnen würde. Wir konnten ja nicht ahnen, was das Schicksal für dieses Land noch in petto hatte. Kaum war Maas verschwunden, grüßte Annalena Baerbock aus dem Außenamt. Mit dem ersten Satz, der aus ihrem Munde kam, war klar: Das hier ist eine totale 360-Grad-Wende, wie sie Deutschland bislang noch nicht gesehen hatte.

Putin verhinderte sie als Bundeskanzlerin

Eigentlich war die gute Frau nur eine Verlegenheitslösung. Denn im Grunde war sie für ein höheres Amt bestimmt: Bundeskanzlerin sollte sie werden. Und die ersten Prognosen sahen 2021 gar nicht mal so übel für sie und die Grünen aus. Dann gab es Gerüchte, mit ihrem Lebenslauf sollte angeblich etwas nicht stimmen. Und ihr damals aktuelles Buch soll zudem Plagiate beinhaltet haben. Also reichte es nicht mehr für die Kanzlerschaft, sie wurde heruntergestuft und sollte »nur« Deutschlands höchste Diplomatin werden.

Doch einen Augenblick, bitte! Diese Geschichte galt bis neulich als ausgemachte Sache – und jeder, der glaubt, er könnte sich daran erinnern, sollte nun wissen, wie es wirklich zuging. Baerbock hat das neulich im Talk mit Maybrit Illner richtiggestellt. Sie wäre Bundeskanzlerin geworden, sagte sie. Aber Wladimir Putin hatte was dagegen. Russland habe die öffentliche Wahrnehmung manipuliert, weil das Land offenbar ahnte, was eine Kanzlerin namens Baerbock für sein Land bedeuten würde. Süffisant erklärte sie das dem abendlichen Publikum – ohne dabei im Sinn zu haben, was sie eigentlich gesagt hatte: »Wenn ich Kanzlerin geworden wäre, hätten die Russen sich fürchten müssen! Ich wäre ein präsidentsloser Angriff auf den Despoten Putin gewesen!«

Dieser Teufelskerl Putin hat also entweder viel Glück gehabt – oder er hat nachgeholfen. Denn jemand, der vom Völkerrecht kommt, wäre ihm sicher lästig gewesen. Als Bacon of Hope hätte diese Kanzlerschaft gelten können. Doch dieses Leuchtfeuer flackerte nun im Außenamt. Zwangsdegradiert in höchster Not. Mit ihr hätte man einen Krieg gegen Russland geführt – und das ganz direkt und ohne falsche Diplomatie, mit Panzern, wie sie schon Napoleon einplante. Und anknüpfend an die Vorarbeit ihres Großvaters, den sie immer mal wieder erwähnte: Waldemar Baerbock war Offizier der Wehrmacht. Einsatzort: Ostfront. Für die Geschichte ihres Großvaters kann die Frau natürlich nichts. Dass sie ihn aber öfter erwähnte, auch um ihren Kampf gegen Russland zu unterstreichen: Dafür kann sie was – oder vielleicht ja auch nicht?

Der Männeralptraum

Denn Annalena Baerbock ist ein Opfer. Eines, mit großer Passion. In den Jahren ihres außenpolitischen Verwirkens, stilisierte sie sich immer wieder als Stilfigur des neuen Feminismus. Der ist gar keine emanzipative Bewegung, sondern ein Opferkult. Wann immer etwas gegen eine Frau, die ein hohes Amt bekleidet, gesagt wird, kommt die Keule zum Einsatz. Dem Kritiker wird dann unter lautem Getöse vorgeworfen, er könne es nur nicht verknusen, dass eine starke Frau eine starke Performance hingelegt hat, wie man heute in schönstem Deutsch sagt. Die Außenministerin wurde zur Ikone dieses Opfergebarens – Frauen aus Politik und Medien nahmen sie in Schutz: Jede Kritik wurde als maskuline Weinerlichkeit abgetan. Sie könnten einfach keine führenden Kröpfe aushalten, die nicht bartstoppelig – also männlich – seien.

Dabei führte sie einen Krieg, so virtuos wie jeder Mann. Gut, nicht mit eigenen Truppen – als vereitelte Bundeskanzlerin fehlten ihr dazu die Machtbefugnisse. Aber die ukrainischen Bauern ließen sich eine ganze Weile gut über das Schachbrett des Teufels ziehen. Bis immer häufiger Bilder und Clips von ukrainischen Männern in den Netzwerken auftauchten, die sich der Rekrutierung verweigerten. Wieder waren es also Männer, die der Ministerin übel mitspielten und ihre Arbeit torpedierten. Sahen denn diese ukrainischen Mannsbilder nicht, dass sie die Brigade der wertegeleiteten Weltordnung sein durften? Einer Weltordnung, die Annalena Baerbock die Ehre hatte, in alle Welt tragen zu dürfen.

Welche Werte das waren, zeigte sie auch auf ihren Reisen. So flog sie etwa die Hunderttausende von Kilometernach Indien und besuchte barfüßig die Gedenkstätte der großen Seele Mahatma Gandhi. Gewaltlosigkeit war dessen Konzept gewesen. Und nun stand die deutsche Außenministerin vor dem Schrein, der diesem Mann gewidmet war und gedachte dieses großen Mannes des Gewaltverzichtes, während sie synchron dazu nur eines im Sinn hatte: Indien gegen Russland einzupeitschen und damit Russland zu ruinieren. Doch die Inder gingen nicht auf sie ein, lächelten nett und fragten sich: Warum hat die Außenministerin eine Praktikantin geschickt und ist nicht selbst gekommen? Annalena und die weite Welt: Ein Thema für sich. Sie mochte als Außenministerin die Welt, flog gerne umher – aber die Welt schien sie nicht zu mögen.

Die einsamste Diplomatin der Welt

Bilder gingen um die Welt: Ein Jahr nach ihrem ersten Besuch in Indien, trieb es sie wieder auf den Subkontinent. Der G20-Gipfel stand an. Landung in Neu-Delhi. Und da stand sie nun auf dem Flugfeld. Einsam, nicht verlassen – denn um verlassen zu werden, braucht es erstmal jemanden, der anwesend ist, der von dannen ziehen kann. Aber keiner war da, um sie hinter sich zu lassen. Später wurde der Vorfall als organisatorisches Missverständnis eingeordnet. Im Januar 2024, als Baerbocks Maschine in Kuala Lumpur, Malaysia, landete, dieselbe Situation – und dieselbe Ausrede.

In China empfing sie nicht der Amtskollege, sondern ein nachrangiger Beamter – der chinesische Außenminister ließ die Deutsche mehrere Stunden warten. Und trat am Ende noch nicht mal mit ihr zusammen für eine Pressekonferenz vor die Kamera. Baerbock trat alleine vor die Journalisten – alles musste sie selbst machen in diesem Land, in dem ein Diktator die Zügel in der Hand hält und der es noch nicht mal verträgt, dass man ihn als Diktator bezeichnet. Wenn erstmal ein Sieg über Putin erreicht sei, so meinte sie, würde das Diktatoren wie Xi eine Lehre sein. Sie traute sich, was sich keiner traute, meinte sie: Xi beim Namen zu nennen. Für sie schien das revolutionär, wie die Rebellion gegen die Männerdomäne der Außenpolitik. Sie fühlte sich als weibliche Schewegewara, die den tristen Laden mal aufmischt mit klaren Ansagen.

Im Ausland lachte man dennoch über sie. Russen und Chinesen bekamen vermittelt, dass diese deutsche Außenministerin Schwierigkeiten hatte, ihr Amt sinnvoll auszufüllen – man berichtete den Völkern dieser Welt, dass die gute Frau sogar Probleme hatte, Sätze in ihrer Muttersprache gerade herauszubringen. Das war ihnen bislang verborgen geblieben, aber rundete ihr Bild von Annalena Baerbock ab. Und so, wie sie sich als Opfer einer patriarchalen Welt betrachtete, begannen die Russen und Chinesen damit, die deutsche Bevölkerung als das eigentliche Opfer zu bewerten. Nicht nur, weil die der Baerbock ausgeliefert war, sondern auch anderen blassen und tristen Gestalten aus den Kaderschmieden der deutschen Parteienlandschaft.

Koboldsgesetz

Anders als der, den Putin nach Ansicht Baerbocks ins Kanzleramt brachte, putzte sich die Außenministerin als bunten Fleck der Ampelkoalition heraus. Besonders am Anfang ihrer Amtszeit, als sie noch etwas agiler wirkte. Später ereilte sie das Schicksal jedes Spitzenpolitikers: Sie altern schneller, werden käsig und wirken immer ein wenig wie der Gilb, der in der Werbung der Achtziger und Neunziger noch in Gardinen kroch und Hausfrauen in Angst und Schrecken versetzten, jetzt aber auch Politikergesichter beglückte.

Vielleicht meinte die Grüne genau das, als sie nach seltenen Erden gefragt wurde, aber mit dem Kobold als Antwort auf den Lippen konterte. Denn wie es ein Koboldsgesetz sein soll – nach Ellis Kaut –, bei klebriger Haftung sichtbar zu werden, so ist das umgekehrte Koboldsgesetz der hohen Politik, keine Haftung zu übernehmen und langsam unsichtbar zu werden. Inhaltlich veränderte sich hingegen nichts, denn Inhalte waren bei ihr stets unsichtbar gewesen. Der ganze Bumseltag wusste das im Grunde auch – ebenso wie die Regierungsbank. Auf Annalena konnte man sich ekeftiv und emonotial verlassen: Sie würde den transatlantischen Kurs nicht durch eigene Gedanken stören – da durften sich Regierung, Opposition und Steuerinnenzahler sicher sein.

Als Young Global Leader hat sie gelernt, worauf es ankommt: Auf die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten – die westliche Hemisphäre ist viel besser mit einem kontaminierten Begriff zu erklären. Jenem nämlich, den die Japaner für ihr Großreich verwendeten, bevor zwei Atombomben sie in die Knie zwangen: Wohlstandssphäre. Selten war ein Imperium ehrlicher. Denn darum geht es, wenn man sich imperial betätigt: Man erobert Räume, aus denen der Wohlstand abgeschöpft wird, den man dann in die Heimat importiert. Die Vereinigten Staaten halten es ähnlich: Ihre Bündnisse sind auf das Wohl der eigenen Nation ausgerichtet. Das kann man ihnen nicht mal vorwerfen – vorwerfen muss man es jenen, die aus der Sphäre stammen und es in der Sphäre exekutieren. Und niemand war so ehrlich wie Baerbock, als sie meinte, ihre deutschen Wähler seien ihr egal. So ehrlich waren zuletzt nur die Japaner, als sie ihr angehendes Weltreich nicht mit einem Euphemismus bemäntelten.

Annalena Aeterna: Baerbock für die Ewigkeit

Es kann sein, dass die Grünen nicht aus der Regierungsverantwortung entlassen werden. Die letzten Prognosen deuten auf eine Ampelkoalition hin, bei der das gelbe Zwischenlicht defekt sein wird und daher schwarz bleibt. Nochmal ein Dreier, doch diesmal mit SPD und Grünen im zweiten Glied. Wobei man sich da nicht sicher sein kann. Denn die Grünen waren in der letzten Regierung die stärkste Kraft. Nicht auf dem Papier, nicht an den Urnen: Sie drängten sich den anderen Regierungsparteien und damit dem ganzen Land einfach auf. Baerbocks Kollege Habeck bleibt also vielleicht Wirtschaftsguru – während Betriebe nicht insolvent gehen, sondern nur aufhören zu arbeiten, wird es also auf politischer Ebene andersherum laufen: Dort wird fleißig weitergewurstelt – trotz Insolvenz der Zurechnungsfähigkeit.

Doch Annalena Baerbock wird das Außenamt nicht behalten. Zu stark war der Kulturschock, den diese Frau verursacht hat. Zu gravierend die Irritationen. Das kann keiner mehr wollen. Sie hat zu Lebzeiten geschafft, was nur Wenigen gelang: Sie hat ihr Amt derart miserabel ausgefüllt, dass bereits jetzt klar ist, dass das nicht mehr unterboten werden kann. Wenn man Limbo tanzt und die Latte auf dem Boden legt, wird wohl nie mehr jemand kommen, der darunter passt. Baerbock schlüpfte durch eine Limbo-Stange, die satt auf dem Boden auflag. Das ist eine Leistung für die Ewigkeit. Wenn nicht irgendwann mal ein Teller Wischwasser zum Außenminister berufen wird, bleibt das für alle Zeiten Gewissheit.

Was bleiben wird ist die Erkenntnis, dass man als deutsche Außenministerin auch Diplomatin für die Kokkaine sein kann, ohne dass diese Personalunion jemanden auffällt. Und dass man mit Anzeigen gegen leidige Kritiker auch ein Amt führen kann. Im Grunde ist jeder Artikel, der sich mit der Frau befasst, ein juristisches Wagnis – Hausdurchsuchung im frühen Stadium. Außerdem wissen wir nun auch, dass Schönheit ihren Preis hat: 136.500 Euro im Jahr. Zu 75 Prozent oder sogar zu zwei Dritteln darf man wohl davon ausgehen, dass Annalena Baerbock nun zur Elder Stateswoman umschwenkt – sich als feministische Koryphäe in Szene setzen wird. Als eine, die der Welt ihren Stempel aufdrückte und nun ganz genau weiß, wie der Hase läuft. Und wer weiß, vielleicht treibt es sie ja sogar noch ins Schloss Bellevue …

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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