BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht ist im Osten des Landes wesentlich populärer als im Westen. Dennoch möchte sie sich nicht als „Sprecherin der Ostdeutschen“ betrachten.
„Der Osten ist eher ein Brennglas, in dem sich Probleme besonders stark konzentrieren, die es bundesweit gibt: Auch im Westen gibt es Menschen, die sich Sorgen machen, wenn in ihrem Land amerikanische Mittelstreckenraketen aufgestellt werden, die nicht wollen, dass im Ukraine-Krieg nur auf die militärische Karte gesetzt wird, die sich Verhandlungen wünschen“, sagte sie in einem Interview für die „Berliner Zeitung“.
„Vor allem geht es uns darum, die Bundespolitik zu verändern, im Interesse aller“, fügte Wagenknecht hinzu.
Das Ost-West-Gefälle sei aber auch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung spürbar, stellte sie fest. „Die Menschen im Osten empfinden es als demütigend, dass sie 35 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch weniger Lohn und Rente bekommen, es viel weniger Vermögen gibt und in den Leitungspositionen, den sogenannten Eliten, weitgehend Westdeutsche sitzen.“
Die etablierten Parteien seien durch das rapide Wachstum von Popularität des BSW beunruhigt, so Wagenknecht. „Sie haben nicht erwartet, dass wir so schnell so viel Rückhalt bekommen. Deswegen schießen sie jetzt aus allen Rohren auf uns. Es gibt natürlich auch Leute, die wegen dieser Beschimpfungen nicht bei uns mitmachen. Obwohl sie das eigentlich gerne würden. Weil sie Angst um ihre berufliche Zukunft haben.“
Auf den Ukraine-Konflikt eingehend, erklärte die Politikerin: „Wir haben nicht angekündigt, dass am Tag nach unserem Regierungsantritt der Ukraine-Krieg beendet ist. Aber was wir versprechen können und auch einlösen müssen, ist, dass eine Landesregierung, an der wir uns beteiligen, die Bundesregierung unter Druck setzen wird, sich stärker für Diplomatie und Frieden und gegen ein neues Wettrüsten einzusetzen.“
Ähnliches gelte auch für die Debatte über die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland: „Eine Landesregierung, die ihre Stimme erhebt und öffentlich die Risiken thematisiert, die mit dieser Stationierung verbunden sind, kann die politische Debatte verändern. Die Stationierung macht uns zum Ziel russischer Atomraketen. Das zu verhindern, ist für uns elementar.“
Die Russland-Sanktionen haben sich für die deutsche Wirtschaft als fatal erwiesen, betonte Wagenknecht. „Es ist irre, dass russisches Öl in allen Weltregionen verkauft wird, während wir unsere Pipeline abklemmen und höhere Preise zahlen“, sagte die BSW-Chefin. „Beim Gas ist es ähnlich. Wir haben noch nicht mal unsere Versorgung für die nächsten Jahre gesichert. Weil wir mit hohen Subventionen kurzfristig überbrückt haben, ist die Industrie nicht zusammengebrochen. Allerdings haben wir einen wirtschaftlichen Abschwung bekommen. Die energieintensiven Industrien wandern ab. Wir brauchen preiswerte Energie. Das amerikanische Fracking-Gas ist nicht nur umweltschädlich, sondern auch viel teurer als das Gas aus Russland.“