Analyse: Deutschland rüstet viel zu langsam auf

Nach Ansicht des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel rüstet Deutschland mit Blick auf den Ukraine-Konflikt vorerst nur langsam auf. «Russland erwächst zu einer immer größeren Sicherheitsbedrohung für die Nato», sagte Guntram Wolff vom IfW. «Gleichzeitig kommen wir mit der für die Abschreckung nötigen Aufrüstung nur sehr langsam voran.»

shutterstock/Felix Geringswald

Was Europa brauche, sei neben dem Sondervermögen eine deutliche und sofortige Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, betonte Wolff. «Ein Weiter-so-wie-bisher wäre mit Blick auf Russlands Aggression fahrlässig und verantwortungslos.» Bisher wird das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreicht, indem die Ausgaben aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr eingerechnet werden.

So schaffe es die Bundesregierung derzeit nur knapp, die an die Ukraine abfließenden Waffen zu ersetzen, hieß es. Bei Luftverteidigungssystemen und mobilen Abschusseinheiten wie etwa Artillerie-Haubitzen sei der Bestand sogar rückläufig. Erst 2023 hat Deutschland nach Angaben des IfW begonnen, im nennenswerten Umfang seine Verteidigungsausgaben zu erhöhen.

Wie aus dem aktuellen «Kiel Report» des Instituts hervorgeht, sind seitdem Bestellungen im Wert von rund 90 Millionen Euro platziert worden. Der Report dokumentiert alle veröffentlichen deutschen Militärbeschaffungen seit 2020.

Gleichzeitig sind die Bestände in den vergangenen 20 Jahren weiter geschrumpft. Hat es so 2004 in Deutschland dem Report nach etwa 434 Kampfflugzeuge, 2.398 Kampfpanzer und 978 Haubitzen gegeben, sank die Anzahl auf 226 Flugzeuge, 339 Panzer und 121 Haubitzen im Jahr 2021. 

Gleichzeitig wird prognostiziert, dass es beim gegenwärtigen Beschaffungstempo viele Jahre brauche, den Bestand wieder auf das Niveau des Jahres 2004 zu bekommen – und zwar laut Bericht bei Kampfjets rund 15 Jahre sowie bei Kampfpanzern rund 40 Jahre. Bis der 2004er-Bestand bei Haubitzen erreicht wäre, dauere es sogar bis ins Jahr 2121. 

Dies liegt dem IfW zufolge einerseits an der drastischen Abrüstung der vergangenen Jahrzehnte und andererseits an der nach wie vor zu langsamen Aufrüstung unter der Ampelregierung.

Der Präsident des IfW Kiel, Moritz Schularick, betonte: «Die Zeitenwende ist bislang nur eine Worthülse.» Frieden gebe es ausschließlich dann, wenn Moskau verstehe, dass es einen Angriffskrieg in Europa militärisch nicht gewinnen kann. 

Dafür bräuchten Deutschland und Europa glaubhafte militärische Fähigkeiten. Daher forderte Schularick, dass Deutschland ein «angemessenes Verteidigungsbudget» von mindestens 100 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stehen müsse.

(red/dpa)

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