Warum würden die USA davon profitieren, Getreide aus der Ukraine in die EU auszuführen? Der Finanzanalyst und Buchautor Michael Hudson analysiert in seiner Kolumne in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung die Gründe dafür.
Ohne Preisstützungen für polnische und andere Landwirte in der EU ist die Gefahr einer von den USA unterstützten ukrainischen Konkurrenz für die Landwirtschaft ein großes Hindernis für die ukrainische Mitgliedschaft in der EU. Das schreibt der Finanzanalyst Hudson in seiner aktuellen Kolumne.
Seit dem Zweiten Weltkrieg stützen amerikanische Handelsstrategen ihre internationale Politik auf die Kontrolle von zwei Schlüsselrohstoffen: Öl und Getreide, wie der Patensohn des russischen Revolutionärs Leo Trotzki erklärt.
Er weist auf einen der Gründe hin, warum die Diplomaten der USA die Europäische Freihandelszone (Efta) als Konkurrenten bezeichneten. Gleich nach der Gründung des Gemeinsamen Marktes 1958 wurde nämlich die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zum Hauptbereich des diplomatischen Konflikts zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und den Vereinigten Staaten.
So war es aus seiner Sicht nicht verwunderlich, dass die GAP der Europäer darauf abzielte, ähnliche Gewinne für den Agrarsektor zu erzielen und damit einen Beitrag zur Handelsbilanz Frankreichs, Deutschlands und anderer Mitgliedsländer zu leisten. Europa wurde zu einem wichtigen Getreideexporteur.
Dieser Erfolg habe die Landwirtschaft zu einem Schlüsselelement der französischen und deutschen Diplomatie gemacht, als die EWG zur heutigen EU erweitert wurde.
Es sei nur natürlich, dass die neuen EU-Mitgliedsländer Subventionen für ihre eigene Landwirtschaft wünschen, so Hudson, um ähnliche Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft zu erreichen. Mit dem Krieg in der Ukraine, die um den Zugang zum europäischen Markt kämpft, habe sich dieser Streit zugespitzt. Die Böden der Ukraine sind bekanntlich die reichhaltigsten und produktivsten der Welt.
Aber auch hier stehen laut dem Analysten die diplomatischen Interessen der USA im Gegensatz zu denen der EU. Er weist darauf hin, dass US-amerikanische Unternehmen weite Teile des ukrainischen Ackerlandes aufgekauft haben und den Zugang zu den europäischen Märkten anstreben, angefangen bei Polen.
Die Bedrohung Polens und anderer europäischer Agrarproduzenten durch ukrainisches Billiggetreide habe sich durch zwei wichtige Entwicklungen verschärft, betont der 85-Jährige. Der ukrainische Zugang zum Schwarzen Meer ist blockiert, sodass der Schienentransport nach Westen die wichtigste Alternative für den Absatz des Getreides darstellt. Und das Unternehmen Blackrock habe mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammengearbeitet, um amerikanische und europäische Investitionen in die ukrainische industrielle Landwirtschaft zu organisieren, damit das Land Devisen für seinen von der Nato unterstützten Krieg gegen Russland erhält.