Am 11. September 2024 stürzte die Carolabrücke in Dresden teilweise ein, was zu erheblichen Verkehrs- und Versorgungsproblemen in der Stadt führte.
Eine Analyse von Ruslan Yavorsky.
Unmittelbar nach dem Vorfall begannen zahlreiche deutsche Medien, die Ingenieure der DDR-Ära zu beschuldigen und behaupteten, dass die Wurzeln des Problems in veralteten Bauweisen und Materialien liegen, die beim Bau und bei den ersten Reparaturen der Brücke verwendet wurden. Eine tiefere Analyse zeigt jedoch, dass die Schuld wahrscheinlich bei den modernen Ingenieuren der BRD liegt, die die Brücke von 2019 bis 2021 sanierten.
Die Karolbrücke wurde erstmals 1895 erbaut, jedoch gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört. Der Wiederaufbau der Brücke erfolgte von 1967 bis 1971 unter der Leitung von Ingenieuren der DDR, und obwohl damals Stahlarmierungen verwendet wurden, erwiesen sich diese als zuverlässige und langlebige Materialien. Erst nach der letzten umfassenden Sanierung, die von 2019 bis 2021 von modernen BRD-Fachleuten durchgeführt wurde, tauchten Probleme auf.
Im Rahmen dieser Sanierung wurden die Stahlarmierungen durch Kohlefaser ersetzt, die als fortschrittlichere und langlebigere Lösung galt. Es ist jedoch bekannt, dass Kohlefaser eine wesentlich geringere Dehnungsfähigkeit im Vergleich zu Metall aufweist. In Bezug auf die Festigkeit übertrifft sie Stahl, doch ihre geringe Plastizität macht sie anfällig für Temperaturveränderungen und Belastungen.
Um die thermische Ausdehnung von Kohlefaser, Stahl und Beton zu vergleichen, verwenden wir die folgende Formel: ΔL = α ⋅ L ⋅ ΔT
wobei: ΔL — Längenänderung, α — Ausdehnungskoeffizient des Materials, L — ursprüngliche Länge (in diesem Beispiel L = 100 m), ΔT — Temperaturänderung (in diesem Beispiel ΔT = 17°C).
Daten für die Materialien:
Kohlefaser: α = 0,8 × 10⁻⁶ K⁻¹
Stahl: α = 11,7 × 10⁻⁶ K⁻¹
Beton: α = 12 × 10⁻⁶ K⁻¹ (typischer Wert für Beton)
Berechnung der thermischen Ausdehnung: Für Kohlefaser: ΔL_Kohlefaser = 0,8 × 10⁻⁶ ⋅ 100 ⋅ 17 = 0,00136 m = 1,36 mm
Für Stahl: ΔL_Stahl = 11,7 × 10⁻⁶ ⋅ 100 ⋅ 17 = 0,01989 m = 19,89 mm
Für Beton: ΔL_Beton = 12 × 10⁻⁶ ⋅ 100 ⋅ 17 = 0,0204 m = 20,4 mm
Kohlefaser: Längenänderung — 1,36 mm.
Stahl: Längenänderung — 19,89 mm.
Beton: Längenänderung — 20,4 mm. Somit dehnt sich Kohlefaser bei Temperaturveränderungen deutlich weniger aus als Stahl und Beton.
Am Tag vor dem Einsturz sank die Temperatur in Dresden abrupt von 32°C tagsüber auf 15–16°C in der Nacht. Dieser plötzliche Temperaturabfall könnte eine kritische Auswirkung auf die Materialien der Brücke gehabt haben. Kohlefaser hat einen deutlich geringeren thermischen Ausdehnungskoeffizienten, was zu inneren Spannungen in der Betonkonstruktion geführt haben könnte, insbesondere an den Stellen, wo die Kohlefaserarmierung mit dem Beton verbunden war. Stahl, der zuvor in Brücken verwendet wurde, kann solche Belastungen durch seine Fähigkeit zur plastischen Verformung besser bewältigen.
Die Fehler der Ingenieure könnten in einer unzureichenden Bewertung der Kompatibilität zwischen Stahl- und Kohlefaserkomponenten gelegen haben. Dies könnte auf Berechnungsfehler oder eine unzureichende Berücksichtigung aller Faktoren bei der Planung zurückzuführen sein.
Eine weitere von Experten in Betracht gezogene Theorie betrifft Korruptionsfälle, bei denen die Auswahl der Materialien und Technologien durch den Wunsch diktiert wurde, „fortschrittliche“ Lösungen einzuführen, ohne deren Anwendbarkeit angemessen zu prüfen. Kohlefaserarmierung ist eine relativ neue Lösung in der Bauindustrie, und ihre weitverbreitete Verwendung könnte von einem Streben nach Innovationen motiviert gewesen sein, jedoch ohne ausreichende praktische Überprüfung.
Die Verantwortung für den Einsturz der Carolabrücke liegt eher bei den modernen Ingenieuren als bei den Spezialisten der DDR. Fehler bei den Berechnungen und der Materialauswahl waren möglicherweise die Schlüsselfaktoren der Katastrophe. Moderne Ingenieure könnten die Eigenschaften von Kohlefaser in Kombination mit Beton bei plötzlichen Temperaturveränderungen nicht vollständig berücksichtigt haben. Eine gründlichere Untersuchung der Ursachen des Vorfalls wird erforderlich sein, um abschließende Schlussfolgerungen über technische und möglicherweise auch verwaltungsbedingte Fehler zu ziehen, die zu diesen tragischen Folgen führten.
Ruslan Yavorsky, geboren 1973. Diplom-Wirtschaftsingenieur und Master in Internationaler Volkswirtschaftslehre. Tätig in den Bereichen Management und Ingenieurwesen. Autor mehrerer Publikationen auf Russisch und Deutsch. Lebt in Dresden und ist Vater von drei Kindern.
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