Die AfD-Bundestagsfraktion erhöht in Sachen Nordstream den Druck auf die mauernde Bundesregierung. Sie hat beantragt, eine Prämie für Hinweise auf die Verantwortlichen des Terroranschlags auf die Gasleitung auszusetzen. Eine große Anfrage vom 12. April zum Erkenntnisstand der bisher hartnäckig desinteressierten und schweigenden Bundesregierung will diese bis 18. Juli beantworten.
Ein Beitrag von Norbert Hähring
Ihren nun veröffentlichten Entschließungsantrag vom 2. Juli begründet die AfD-Fraktion damit, dass die Bundesregierung fast zwei Jahre nach den Anschlägen von September 2022 weder endgültige noch vorläufige Ermittlungsergebnisse vorgelegt habe und der mit den Ermittlungen beauftragte Generalbundesanwalt noch keine einzige Pressemitteilung dazu veröffentlicht habe. Eine unterlassene oder nicht mit Nachdruck verfolgte Aufklärung der Täterschaft schade dem internationalen Ansehen Deutschlands und der Versorgungssicherheit von Wirtschaft und Privatpersonen. Die anhaltende Ungewissheit über die Hintergründe und die Täter verstärken Sorgen um die Sicherheit der verbliebenen Kritischen Infrastruktur.
In dem Entschließungsantrag heißt es unter anderem:
„Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten, damit die haushalterischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof Budgetmittel von bis zu 50.000.000 Euro zur Verfügung gestellt werden können, über die er für die Auslobung einer Belohnung für Hinweise verfügen kann, die zur Ermittlung des Täters oder der Täter führen (…)“
Mit ihrer großen parlamentarischen Anfrage stellt die AfD der Bundesregierung 99 Fragen. Sie beziehen sich überwiegend auf Presseartikel über mutmaßliche Erkenntnisse von Geheimdiensten über die Täter- und Mitwisserschaft und auf den Erkenntnisfortschritt bei Fragen, zu denen sich die Bundesregierung bei früheren Anfragen (noch) unwissend erklärt hat.
Da sich die Indizien und mutmaßlichen Erkenntnisse über die Täter- und Mitwisserschaft des Anschlags vor allem gegen die Ukraine und die USA richten, steht der Verdacht im Raum, dass die Bundesregierung kein belastbares Wissen darüber erwerben und das, was sie weiß, nicht verraten will. Der Grund: Dieses Wissen könnte geeignet sein, das Ansehen der USA, der Bundesregierung und der Ukraine in der Bevölkerung schwer zu belasten.
Aufgrund der anstehenden Landtagswahlen im Osten, bei denen die Regierungsparteien Umfragen zufolge auf ein Wahldesaster zusteuern, dürften der Antrag und die Anfrage der AfD für diese und für die anderen Bundestagsparteien sehr unangenehm sein. Denn im Osten Deutschlands ist die Unterstützung für die inzwischen von allen Bundestagsparteien außer AfD und BSW mitgetragene, kompromisslose Konfrontationspolitik gegenüber Russland noch unbeliebter als in Deutschland insgesamt. In diesem Zusammenhang sei an eine Umfrage von 2018 erinnert, die zeigte, wie schlecht der damalige Schwenk der SPD auf eine neue (dezidiert russlandfeindliche) Ostpolitik bei den Bürgern ankam:
Zum Autor: Norbert Häring, Jahrgang 1963, arbeitet und lebt in Frankfurt am Main. Er wuchs auf einem Bauernhof in Baden-Württemberg auf. Bei einem dreimonatigen Schüleraustausch in Peru und Bolivien begegnete er grassierender Inflation, Ressourcenreichtum und Armut, was ihn dazu inspirierte, in Heidelberg und Saarbrücken Volkswirtschaftslehre zu studieren. In Saarbrücken erwarb er bei Professor Olaf Sievert mit einer Arbeit über die politische Ökonomie der Regionalförderung den Titel Dr. rer. pol..
Er war drei Jahre für die Commerzbank tätig, zunächst in der Volkswirtschaftlichen Abteilung als Konjunkturanalyst, dann als Redenschreiber für den Vorstand und Managing Editor des Geschäftsberichts. 1997 wechselte er in den Wirtschaftsjournalismus. Er arbeitete bei der Börsen-Zeitung; zunächst als Redakteur, dann als Ressortleiter für Konjunktur und Wirtschaftspolitik. Er war bei der Gründung der Financial Times Deutschland dabei, wo er zunächst als Redakteur für Geldpolitik, dann als Stellvertretender Ressortleiter Finanzen arbeitete. 2002 wechselte er zum Handelsblatt, für das er seither schreibt. Er war von 2002 bis 2012 vor allem zuständig für Geldpolitik, seither liegt der Schwerpunkt auf Wirtschaftswissenschaften und Konjunktur. 2002 rief er den EZB-Schattenrat ins Leben, eine Gruppe von 15 prominenten Volkswirten aus Finanzinstituten, Universitäten und Forschungsinstituten, die geldpolitische Fragen diskutieren und Empfehlungen für die Geldpolitik der EZB verabschieden. Bis 2015 war er nicht-stimmberechtigter Vorsitzender des Gremiums.
Norbert Häring ist Autor (mit Olaf Storbeck) von „Ökonomie 2.0“, das mit dem Wirtschaftsbuchpreis 2007 von getAbstract ausgezeichnet wurde, und einer Reihe weiterer populärer Wirtschaftsbücher. Sein letztes Buch „Endspiel des Kapitalismus“ war ein Spiegel-Bestseller. Er wurde 2014 mit dem Preis der Keynes-Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2014 ausgezeichnet.
Norbert Häring war 2011 Mitgründer der World Economics Association (WEA). Der Ökonomenverband hat sich zum Ziel gesetzt, die Vielfalt in der Wirtschaftswissenschaft zu fördern, sowohl in regionaler Hinsicht, als auch hinsichtlich der verwendeten Methoden. Für die von der WEA herausgegebene Fachzeitschrift World Economic Review fungierte er von 2012 bis 2015 als Co-Editor.
Dieser Beitrag erschien in Erstveröffentlichung auf seinem Blog https://norberthaering.de/ am 4.Juli 2024
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