Denk ich an Schlandi in der Nacht …

Schlandi ist das neue Symbol des vollendeten deutschen Hirnwundbrandes. Zu sehen war er im Ersten – in einer Sendung, die jedem Bürger, der auch nur über eine Hirnzelle verfügt, wie eine Beleidigung vorkommen muss.

Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente

Männer im DFB-Triko jubeln
Quelle: Dieses Bild wurde mittels Grok entwickelt.

Scheiße! Entschuldigen Sie, aber das ist der erste Impuls, der mich erfasste, nachdem ich Bekanntschaft mit Schlandi machen musste. Schlandi ist ein deutscher Bundesgeier auf zwei Beinen – im Deutschlandtrikot. Eine völlig debile Figur, die in der ARD-Sendung »Die 100« vorgestellt wurde und den Deutschen mal deutlich machen sollte, wie kolossal Schland in Wirklichkeit ist. Denn von links und von rechts würde es nur madig gemacht – und auch von den Journalisten, wie – ich wollte fast schreiben: Journalistin – Anna Planken aufgeregt erklärt, bevor sie den Vollidiotenadler auf die Bühne lässt.

Vor der Bühne stehen Menschen, vermutlich 100 an der Zahl – der Titel des Formats wird ja wohl kaum die Kennzahl für den IQ sein, den man haben muss, um diese Sendung verstehen zu können. Die 100 sind vornehmlich in DFB-Trikot gewandet – und als das Vieh auftritt, brandet die Stimmung auf und aus dem Off ertönt billigster Ballermann-Südkurven-Sound: Olé, olé, olé! Tröten sind zu hören, die 100 wedeln Schlandflaggen – die Deutschen, immer lustig, immer lebensfroh.

Oh, wie ist das schön!

Dann geht es los – nun liebe Deppen gebt gut acht, der Schlandi hat euch was mitgebracht. Planken hält eine Karte hoch, auf der steht, dass Deutschland die drittgrößte Volkswirtschaft auf der Welt ist. Unser kleines Deutschland. Stolz können wir da sein – sensationell sei das. Sen-sa-tio-nel, wie Karla Kolumna, die rasende Reporterin gerne ruft, wenn sie auf Benjamin Blümchen trifft. Blümchen ist übrigens ein verdammter Intellektueller im Vergleich zu allem, was das Erste den Zuschauern da eingebrockt hat. Plankenverliert kein Wort darüber, dass dieses Land auf dem Rückzug ist, dass im ersten Halbjahr 2025 knapp 12.000 Unternehmen Insolvenz angemeldet haben – ein Anstieg von bald 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Schlandi mag keine Fakten.

Schlandi, du hast ja noch eines, ruft Planken dann. Achtung! Das Publikum grölt Geräuschkulisse wie im Stadion. Und was hat er denn der Schlandi? Ja, was hat er denn? Patente, ruft Planken, die irgendwie gar keine patente ist: Bei Patenten stehe Deutschlandi auf Platz fünf in der Welt – dann wird das Impfzweigestirn Şahin und Türeci eingeblendet. Spitzenforschung aus Deutschland, schreit Planken – wir wissen ja, die Impfe hat das virologische Geschehen eingehegt. Die Impfung ist ein Meister aus Deutschland. In dem Moment blendet der Regisseur einen Mann ein, der sein Deutschlandkäppi aufsetzt. Wahrscheinlich hat er kurz zuvor den Hut gezogen – die Deutschen sind halt mit Anstand geimpft.

Bereit für die nächste La Ola, fragt Schlandis federlose Kollegin sodann. Ohhhh heeeey! Man vernimmt »Oh, wie ist das schön!«, eine Frau im Strickkleid wackelt im Takt mit den Cellulite und schwenkt grobmotorisch ein Fähnchen. Mein Gott, ist das spannend: Was können wir denn noch? Erfahren wie sofort: Ein deutscher Astronaut wird gezeigt – denn seit letzter Woche wissen wir ja: Wir sind Weltall! New Space sei die ganz große Nummer, spricht Planken, während man einem Mann aus dem Pulk vor der Bühne beim Popeln zusieht – ja, da hat das Erste wirklich die Besten der Besten ausgesucht. New Space macht uns von Elon Musk unabhängig, erfährt man von der kundigen ARD-Abschnittsbevollmächtigten. Neidisch seien die USA, auch Israel: Wir mögen kein ansehnliches Stadtbild mehr haben – aber das ist ja auch nicht nötig. Denn unsere Zukunft liegt in den Sternen.

Ohhhhhh!

Oh wie ist das schön! Oh wie ist das schön! Planken erzählt unmittelbar danach, dass man die 100 in der Halle gefragt habe, ob es ihnen besser ginge, als ihren Eltern – und siehe da, erstaunlich viele sollen gesagt haben, dass es ihnen eigentlich recht gut gehe. Friedrich Merz habe in der Arena – auch so eine grenzdebile Show im öffentlich-gebrechlichen Fernsehen, nur ohne Idiotenvogel im Trikot – auch gesagt, »ein liebens- und lebenswertes Land«. Aha? Kryptisch kommt wohl gut an. Und sonst so? Wenn der Kanzler das gesagt hat, ist das freilich ein Gottesbeweis. Der Deutschlandtrend weist auch aus, dass zwei Drittel zufrieden sei – was Planken alles so weiß! Das sei ein Grund zum Party machen, ruft sie den Feierbiestern zu. Ohhhhhh! Grenzenloser Jubel, 100 Menschen in Ekstase.

Übrigens, fast vergessen: Die ganze Zeit steht ein Pappaufsteller von Friedrich Merz auf der Bühne – er trägt schwarz-rot-gelbe Perücke und eine Blumenkette in denselben Farben. Planken biegt auf die Endgerade ab. Sie erklärt: »Und wenn Sie sich fragen, hä, falsche Sendung, denn was hat unsere Bundesregierung damit zu tun …« Die Leute lachen an dieser Stelle – einen Witz gab es allerdings keinen, außer die ganze Veranstaltung. Warum das Gelächter? – Ist den 100 plötzlich klargeworden, dass sie die Statisten in einer formvollendeten Beklopptenshow sind? Planken lässt sich nicht lumpen und erklärt dem Zuschauer freilich, was die Bundesregierung damit zu tun hat. Fünf-hundert-Milliarden-Euro! Großartig. Merz will das Geld raushauen, O-Ton Qualitätskolumna Planken. Spätestens nächstes Jahr werden wir das spüren. Schlandi und Planken entzünden einen Knallfrosch, sie sagen die Party an, während dem Zuschauer daheim vor Betroffenheit der Schließmuskel entglitten ist.

Mein Gott! Du liebe Güte! Ich habe vor einigen Tagen hier erklärt, dass es Zeit würde, das Staatsfernsehen einzustellen – alles falsch, alles zu kulant! Es wird nicht etwa Zeit – wir haben den richtigen Zeitpunkt schon lange verpasst! Das da mit dieser Pute – ich meinte Schlandi, nicht Planken – hätte nie passieren dürfen. Schlandi ist der Tiefpunkt in einer an Tiefpunkten reichen Geschichte des öffentlich-rechtlichen Fremdschämens. Wer das seinem Besuch aus dem Ausland zeigte, musste sich nicht wundern, wenn der liebe Gast über Nacht das Weite suchte – in einem Land, in dem 100 Jubelkartoffel einem Menschen zujubeln, der in einem Discounter-Federkleid steckt, will man doch nicht freiwillig bleiben. In einem Land, in dem Psychopathie nicht ärztlich versorgt, sondern mit Zwangsbeiträgen hofiert wird, muss man mit allem rechnen.

Schalalalala!

Hätte dieser andere deutsche Staat, der ja durchaus auch Propaganda betrieben hat und der sich einen Chefpropagandisten im Fernsehen leistete, so eine Art von »Bürgerbeeinflussung« betrieben, die Mauer wäre schon 1977 gefallen. Offenbar gab es mal ein Gespür in diesem Land, wie anspruchslos Propaganda gerade noch sein darf, bevor sie moralisch mehr nicht vertretbar ist. Aber was das Erste da jenen auftischt, die den ganzen Bums auch noch bezahlen müssen, ist eine Form von Propaganda, für die es noch nicht einmal ein Wort gibt. Propaganda versucht gemeinhin ja, seriös zu wirken. Als zerebrale Wurmstichigkeit ist sie noch gar nicht aufgetreten – bis neulich.

Nun ist es wirklich offiziell: Tiefer geht es nicht mehr. Das ist der finale Tiefpunkt. Wie will man das denn bitte unterbieten? Die nächste Stufe des ausgestrahlten Schwachsinns kann eigentlich bloß noch sein, dass man Dobrindt und Merz oder Wadephul und wer weiß was für einen Minister noch, vor einem Publikum aus Schlandis in Unterhosen Lambada tanzen lässt, während Dunja Hayali aus dem Off vorliest, welche Errungenschaften die Paradieskoalition in Berlin erschaffen hat: Sie brachte den elektrischen Strom, erfand die Liebe und erschuf die Welt. Dann singt ein Chor, der aus Abgeordneten der Linkspartei besteht: Schalalalala, eins zu null für Friederich!

Was in so einem kranken Kopf vorgeht, der so einen Scheißdreck – entschuldigen Sie, aber es gibt nur wenige Worte, die hier synonym verwendet werden können – ersonnen hat, muss an anderer Stelle geklärt werden. Aber wie wird das im Kanzleramt aufgenommen? Ruft da nicht mal einer beim Ersten an und fragt mal nach, ob das alles nicht ein bisschen überzogen war? Mit solchem Zeug stachelt man doch die Leute auf. Gut, nach diesem Brainfuck muss man auch erstmal das Telefon finden. Und warum zeigt Friedrich Merz nicht das Erste an, wie er andere Bürger strafrechtlich verfolgen lässt, wenn sie ihn verächtlich machen? Typen wie Schlandi begegneten einem früher bei der Moorhuhnjagd am PC – heute verrichten sie den Bildungsauftrag.

(Anmerkung: Ursprünglich hieß es in dem Text, dass Jessy Wellmer durch diese – nun ja – Sendung führte. Das war ein Irrtum. Anna Planken ist der richtige Name der Anheizerin.)

Roberto De Lapuente

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog »ad sinistram«. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs »neulandrebellen«. Er war Kolumnist beim »Neuen Deutschland« und schrieb regelmäßig für »Makroskop«. Seit 2022 ist er Redakteur bei »Overton Magazin«. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main.
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Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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