Europas Hersteller von Windturbinen fühlen sich von der chinesischen Windindustrie bedroht. Im Konkurrenzkampf hofft die Branche auf neue Regeln aus Brüssel.
Brüssel arbeitet momentan daran, Maßnahmen zu ergreifen, um europäische Windturbinenhersteller vor chinesischen Konkurrenten zu schützen. Inmitten von Diskussionen über „Made in Europe“-Anforderungen und Überlegungen zu Anti-Dumping-Zöllen gewinnt ein Thema stillschweigend an Bedeutung: die Cybersicherheit. Darüber berichtet das Portal Eruactiv. Dies erinnere an ähnliche Empfehlungen, die EU-Länder dazu veranlassten, die Technologie von Huawei aus ihren 5G-Netzen auszuschließen. Der chinesische Telekommunikationskonzern ist inzwischen in mehreren EU-Ländern vom 5G-Aufbau ausgeschlossen, in Großbritannien werden Masten von Huawei wieder abgebaut.
Die Industrie stelle demanch zwei Szenarien vor. So könnten zum einen sensible Daten von Windturbinen-Sensoren über eine Satellitenverbindung an Drittländer übermittelt werden, oder China erhält die Möglichkeit, per „Knopfdruck“ Tausende von Turbinen abzuschalten und die Energiemärkte ins Chaos zu stürzen.
Innerhalb dieses Jahres werde eine Empfehlung aus Brüssel erwartet, aufgrund derer die Bundesregierung dann entscheiden soll. EU-Regeln sollten „sicherstellen, dass sichere Anlagen“ in Europa installiert werden, wird Juan Virgilio Marquez vom spanischen Windenergieverband AEE beim jährlichen Branchentreffen in Bilbao zitiert.
Doch nicht alle in der Branche würden die Gefahr sehen. Aus der Sicht von Rafael Mateo von Acciona Energia gibt es abgesehen von den üblichen Betriebsmesswerten wie Windgeschwindigkeit, Energieertrag und Rotorblattwinkel „nichts Nennenswertes“, was man aus dem Zugang zu einer Turbine lernen kann.
Windenergieanlagen können laut Experten in der Regel ferngesteuert werden. Kompromittierte elektronische Geräte könnten es daher Dritten ermöglichen, die Kontrolle zu übernehmen. Allerdings müsse ein Angreifer in einem solchen Szenario „alle Windparks kontrollieren“, um das Netz ernsthaft zu gefährden.
Am 23. April wird das neue EU-Gesetz zur Industriepolitik, der Net Zero Industry Act (NZIA), von den EU-Parlamentariern verabschiedet und kurz darauf von den EU-Ländern gebilligt. Sobald es in Kraft tritt, kann die Umsetzungsphase beginnen: Ab 2026 müssen öffentliche Ausschreibungen, die erneuerbare Energien fördern, Anforderungen an die Cybersicherheit enthalten.