Vor einem Jahr hatte ich an den 80. Jahrestag der Schlacht von Kursk erinnert, mit der Hitlers Armee nach der Niederlage in Stalingrad und dem Verlust von 300.000 Mann an der Ostfront wieder in die Offensive kommen wollte. Diese “Operation Zitadelle”markierte das Ende des deutschen Angriffskriegs: “Die Sowjets erleiden zwar wie schon in Stalingrad höhere Verluste als die Deutschen, ihre Verteidigung ist aber nicht zu überwinden. Sie können verlorenes Personal und Material ersetzen, aber die Offensivkraft der Hitlerarmee, die in den ersten zehn Tagen der “Operation Zitadelle” nochmals über 50.000 Gefallene oder Verwundete verliert, ist gebrochen. Fünfzehn Monate später erreicht die Rote Armee Berlin.
Ein Beitrag von Mathias Bröckers
”Irgendwie scheint sich diese Tragödie gerade als Farce zu wiederholen: nach Verlusten mehr als 300.000 Soldaten an der mehr als 1000 Kilometer langen Front, dringen ukrainische Truppen über einen kaum bewachten Grenzstreifen 10 Kilometer nach Russland ein – nicht wie in der Vergangenheit mit kleinen Stoßtrupps, sondern mit zwei bis drei Bataillonen. Ob die Russen die Zusammenrottung in Bataillonsstärke nicht bemerkt haben und überrascht wurden oder ob sie den Einmarsch zugelassen haben, um eine Falle zu stellen, wird auf beiden Seiten der Medienfront derzeit diskutiert. Klar scheint nur, dass außer einem taktischen Geländegewinn im Informationskrieg (endlich mal wieder positive Nachrichten über heldenhafte Ukrainer und Söldner, die mit modernstem westlichem Gerät Russland angreifen, von dem nur noch ein bisschen mehr geliefert werden muss um Putin zu stürzen….etc.pp.) strategisch mit dieser Invasion nichts zu gewinnen ist. Generäle verstehen etwas von Taktik, gute Generäle etwas von Strategie und die besten etwas von Logistik. Von Letzterem sind die Planer dieser Attacke offenbar völlig unbeleckt, und so wird passieren was passieren muss, wenn Invasoren vom Nachschub (Treibstoff, Munition, Lebensmittel) abgeschnitten werden: sie werden vernichtet. Und es hilft auch nicht, wenn es sich um im Westen ausgebildete Elite-Einheiten handelt, die mit Marder, Leopard, Challenger & Co. in Russland einrollen und von HIMARS-Raketen unterstützt werden – sie haben keine Chance. Schon wird das absehbare Debakel von den Chefplanern in London dem eigenmächtigen Zelensky und seinem General Sirsky in die Schuhe geschoben, die indes ohne westliche Satelliten und Support eigenmächtig so gut wie gar nichts unternehmen können – außer das Kanonenfutter für ihre Kriegsherren zu liefern. Scott Ritter hat deshalb recht, wenn er sagt: USA und NATO sind in Russland einmarschiert! Dass deutsche Panzer wie vor 81 Jahren ganz vorne mit dabei sind, ist für die geschichtsvergessene Regierung in Berlin mit ihrer “feministischen” Außenpolitik aber kein Problem, der nach den USA zweitgrößter Sponsor des gesamten Kriegs liefert völlig bedenkenlos weiter und weiter.
Anders als die angeblich größte Panzerschlacht der Geschichte wird sich der Verzweiflungsangriff auf Kursk dieses Mal nicht über Monate hinziehen, sondern recht bald beendet sein – nach russischen Angaben sind bereits über 4000 Invasoren gefallen, die verstreut Verbliebenen werden von Anti-Terror-Einheiten gejagt, die tschetschenischen “Spetznatz”-Einheiten sind in der Region im Einsatz. Um 14:20 Uhrgestern fasste das russische Verteidigungsministerium die “Aufräumarbeiten” zusammen: “Since the beginning of hostilities in Kursk region, the AFU losses have amounted to more than 4,130 troops, 58 tanks, 27 infantry fighting vehicles, 50 armoured personnel carriers, 299 armoured fighting vehicles, 131 motor vehicles, 27 artillery guns, five SAM launchers, seven MLRS launchers, including three of HIMARS system and one of MLRS system, six electronic warfare stations, four units of engineering vehicles, including two counterobstacle vehicles and one UR-77 mine clearing vehicle.”
Wie die medial hochgejubelte “Frühjahrsoffensive” im letzten Jahr ist Kursk 2.0 – oder “Operation Krepost”, wie es Big Serge in seiner lesenswerter Analyse mit dem slawischen Wort für “Zitadelle” nennt – zum Scheitern verurteilt. Was mit neuen “Wunderwaffen” – jetzt: F-16-Fighter und JASSM-Raketen – nicht verhindert, sondern nur weiter eskaliert werden kann. Mit dem Angriff auf Kursk wollte der deutsche Generalstab so viele sowjetische Truppen wie möglich in die Region zwingen um so die gesamte Front zu destabilisieren und dasselbe scheinen die NATO-Planer mit dieser Operation im Sinn gehabt zu haben, um das langsame aber stetige Vorrücken der Russen im Donbas aufzuhalten. Doch einmal mehr hat der Westen die Rechnung ohne den Wirt gemacht – die Reserven, die Team Russia jederzeit einwechseln kann – und so verliert die Ukraine an der gesamten Front derzeit bis zu 2500 Tote und Verletzte pro Tag, fünf Mal soviel wie im ersten Kriegsjahr. Und in der Region Kursk die besten, westlich geschulten Elite-Einheiten, die sich von ihren inkompetenten Dienstherrn auf diese Selbstmordmission schicken ließen. Auch wenn die westlichen Kriegsmedien weiter “Erfolge” von der Einnahme unverteidigter Dörfer oder Supermärkte melden – erreicht hat NATOstan mit dieser Operation nichts/nada/niente, außer die Leichberge weiter sinnlos zu erhöhen. Dass man eine “Pufferzone” gegen russische Angriffe schaffen werde, wie der kleine Kokskönig in Kiew phantasiert, nachdem Russland nicht sofort brachial zurückgeschlagen hat, ist ebenso aussichtslos wie die Behauptung, dass man mit den besetzten Quadratkilometern jetzt ein “Faustpfand” für Verhandlungen hätte. Im Gegenteil: der von Russland als Terrorangriff klassifizierte Einmarsch wird den ukrainischen Einfluss bei Verhandlungen auf Null reduzieren. Da die Realität, das tragische Desaster dieser Operation, von den Propagandamedien nicht mehr lange ausgeblendet werden kann, sitzt Zelensky wahrscheinlich schon auf seinen (mit Bargeld) gepackten Koffern. Den Wunsch der Amerikaner, die Stellung bis zum Wahltermin im November weiter zu halten und mit PR-Aktionen wie dem Kursk-Einmarsch für gute Stimmung zu sorgen, kann er nicht mehr erfüllen – die Front im Donbas droht jetzt an vielen Stellen zusammenzubrechen.
Mathias Bröckers, Jahrgang 1954, ist Autor und freier Journalist. Er lebt in Berlin und Zürich und bloggt auf broeckers.com. Seit 1980 hat er circa 600 Beiträge für Tageszeitungen, Wochen,- und Monatszeitschriften, vor allem in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Politik publiziert, viele Radiosendungen- und Kommentare, sowie Beiträge für Bücher und Anthologien veröffentlicht, und auch verschiedene Kabarettprogramme und Texte. Er arbeitete an TV-und Film-Drehbüchern und übernimmt Lektorats- und Herausgebertätigkeiten. Von 1994 – 2002 war er Mitglied der Sachbuch-Jury der “Süddeutschen Zeitung”; 2007 – 2019 in Beratungstätigkeit für den taz-Verlag (Digitale Entwicklung, Relaunch taz.de).
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