Trumps Amtseinführung war eine rauschende Show. Bombastisch – und vor allem auch unwirklich. Besonders die Milliardäre in der Rotunde der Kuppelhalle des Kapitols wirkten megaloman.
Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente

Nun ist die alte Welt also untergangen – alles muss sich ändern, damit alles so bleibt, wie es war. Nur leicht anders, aber in der Konsequenz genauso: Amerika will wieder groß sein, ist es aber immer gewesen. Die globalen Machtansprüche waren unter demokratischer Kuratel nicht verschwunden, das Land ließ und lässt einen Stellvertreterkrieg in der Ukraine ausfechten. Der mag sich unter dem neuen und alten US-Präsidenten an ein Ende begeben, aber das heißt ja nicht, dass Amerikas Größe nicht andernorts zur Schau gestellt wird. Mindestens die NATO soll mit üppigeren Geldern aus den Bruttoinlandsprodukten ausgestattet werden. NATO ist eine andere Bezeichnung für »amerikanische Interessen«.
MAGA ist in aller Munde – Make America Great Again. Das Again ist fehl am Platz. Amerika war nie klein – auch wenn es seine Deutungshoheit sukzessive in bestimmten Teilen der Welt zu verlieren beginnt, herrscht es noch über ein beträchtliches Imperium. Was in der Kuppelhalle des Washingtoner Kapitols zusammenkam, um die Amtseinführung von Donald Trump zu feiern, waren die Masters of the Universe, die Granden des Imperiums. Ganz besonders jene Menschen in der Rotunde, die sich rechts von Donald Trump zusammenfanden, stehen für diese amerikanische Allmacht. Knapp 850 Milliarden US-Dollar an Vermögen saßen dort versammelt. 850.000.000.000 Dollar!
Megalopolis
Aufgeteilt unter acht Personen: Dort saßen Elon Musk (Tesla und SpaceX), Jeff Bezos (Amazon), Mark Zuckerberg (Meta), Sundar Pichai (Alphabet und Google), Tim Cook (Apple), Shou Zi Chew (TikTok), Sam Altman (OpenAI) und Dara Khosrowshahi (Uber). Jener letztgenannte Dara Khosrowshahi ist der Ärmste dieser Truppe, er soll nur über geschätzte 200 Millionen US-Dollar verfügen. Einsprengsel zwischen den Herren: Diverse Damen und Gattinnen, Geliebte und Luder, Kurtisanen und Komplizinnen. Frauen im Blazer, drunter Glitzer-Büstenhalter. Liftings deuteten sich an, tätowierte Augenbrauen sah man, aufgespritzte Lippen glänzten wie Speck im Blitzlichtgewitter. Was für ein grandioses Kuriositätenkabinett, das da die Welt kontrolliert! Hier mischte sich die Geschmacklosigkeit des Neureichen mit der überschießenden Potenz der Machtgier.
Man fühlte sich ein wenig an Coppolas letzten Film erinnert. Megalopolis hieß der – und er erhielt üble Kritiken. Übrigens ganz zu recht. Der Film ist wirr, die Story nicht nachvollziehbar, überzogen unverständlich. Es geht um irgendeinen magischen Stoff, der die Zeit einfrieren kann. Genaueres erfährt der Zuschauer nicht. Und wo sollte der Film überhaupt spielen? In antiken Rom oder im heutige New York? Das Set war eine Mischung aus beidem – Coppola zeigt die dortigen Eliten, sie sehen aus wie Figuren, die wir aus dem zeitgenössischen Amerika kennen. Und aus seinem Imperium: Aus Deutschland, Italien, Großbritannien und so weiter. Gleichzeitig stellt Coppola sie aber als römische Gestalten dar, als Feierwütige, als degenerierte Teilnehmer jeder sich bietenden Orgie, die alles dafür tun, um auch aufzufallen. Wichtigtuer und Influencer drängelt vor den Berichterstattern; Selbstsüchtige mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom bekommen die meiste Publicity.
Coppola mag einen Film voll wirrer Versatzstücke inszeniert haben: Doch am Ende war es bloß eine Reminiszenz auf diese Gegenwart? Auf ein Imperium, das wie das römische Imperium voller Reichtümer steckt, Superreiche generiert, Macht wie niemand anderes in Händen hält, aber dennoch an seine Grenzen stößt – auch weil es in sich verrottet, weil es eine oligarchische Herrschaft gewählt hat und von Menschen dominiert wird, deren Qualität nichts Anderes als Vermögen ist? Zerbricht das neue Rom, dessen Senat wie im alten Rom, aus Männern besteht, die unglaubliche Macht- und Geldressourcen mit sich brachten, irgendwann an seiner eigenen Skurrilität? Coppola zeigte intrigante Charaktere, Egomanen, verhaltensauffällige Soziopathen: Das ist das Imperium, das sich dort in Form seiner Eliten, selbst erhöht und eine Show für die Habenichtse abliefert. In jener Kuppelhalle, in der der neue Präsident am gestrigen Tage vereidigt wurde, schwang etwas mit von diesem Spätwerk des Meisterregisseurs mit.
Sicher, man muss jetzt nicht so tun: Auch seine Amtsvorgänger kungelten mit den Reichen und schön Aufgespritzten. Das Silicon Valley war ihnen so nah, wie es nun diesem Donald Trump ist. Anzunehmen, dass der mit den Irrungen bricht, die das Imperium erfasst haben, scheint aber reichlich abwegig. Er mag ja wieder per Dekret zwei Geschlechter fixiert haben und der transhumanistisch inspirierten Idee von der Unendlichkeit der Geschlechter nun das Wasser abgraben: Doch wenn man das Silicon Valley, dort wo der Transhumanismus sein Welthandelszentrum hat, so nah an sich ranlässt, muss man sich schon fragen, wie nachhaltig dieser Konservatismus wohl sein kann.
Hallelujah!
Vielleicht ist es nicht mehr Mode, an einen Autor zu erinnern, der in seinem vorherigen Leben Propaganda gemacht hat – und zwar für Hitler-Deutschland. Und der es nebenher zum SS-Obersturmführer brachte. Gemeint ist Joachim Fernau. Nach dem Krieg schrieb er im markantem Ton über allerlei Alltagsbegebenheiten – und auch über Geschichte. Seine römische Historie »Cäsar lässt grüßen« wurde vielleicht seine populärste Schrift. Im gelang es, historische Zusammenhänge im konzilianten Ton zu vergegenwärtigen. All die römischen Figuren, die wir als tote Statuen kennen und die uns im Geschichtsunterricht als toter Unterrichtsstoff quälen, erlebte man bei Fernau ganz dem Wortsinn nach – denn sie waren voller Leben, waren kleinliche und irrationale Menschen, wie wir alle. Das machte Freude, die alten Römer, so konnte man glauben, hatten dieselben Sorgen und Nöte wie wir Zeitgenossen heute.
Etwa zehn Jahre bevor Fernau starb, 1988 ging er von uns, schrieb er ein anderes Buch, das heute kaum noch Beachtung findet: »Halleluja. Die Geschichte der USA«. Man muss vorwegsagen, dass Fernau wenig Sympathien für die Amerikaner an den Tag legte – und das liest man heraus. Vermutlich war das die Erfahrung des Krieges, denn gegen die Amerikaner hat das Reich, dem er in seinem ersten Leben diente, den Krieg verloren. Und sie standen als Besatzer noch immer im Land. Fernau zeichnet die Geschichte der Vereinigten Staaten als ein ursprüngliches Projekt, das etwas Besseres für seine Bürger wollte. Aber je weiter es in der Geschichte voranschritt, desto verlogener wurde es – desto brüchiger. Alles rutschte mehr und mehr ins Chaos. Als er das Buch veröffentlichte, saß Gerald Ford im Weißen Haus – Amerika versank gerade im Trubel, ein Crook war vorher Präsident. Ein Gauner, der beschwor, dass er keiner sei. Vor seiner Zeit im Oval Office starben zwei Kennedys und King. Amerika versank in Rassenkonflikten, es war ein neues römisches Imperium, das sein Latium nicht im Griff hatte.
Jedenfalls wagt Joachim Fernau auf den letzten Seiten dieses besagten Buches noch einen Ausblick, wohin es mit den Herren des neuen Imperiums gehen könnte. Fernau schreibt sich dort in Rage, man hat den Eindruck, er dreht völlig durch, die letzten Seiten wirken wie ein Fiebertraum, als seien sie ohne Punkt und Komma formuliert. Der Autor verliert sich in Wiederholungen, es scheint, als habe ihn der Blick in die Kugel den Verstand gekostet. Die USA waren einst göttlich, weil der Gottesbezug Grundlage dieses neuen Staates war – für Fernau war aber klar, dass das Land heute ein gottloser Bund sei, das vielleicht von Gott sprechen mag, aber keinerlei Demut vor irgendeinem Höchsten zeigt, weil es sich selbst als den Höchsten sieht.
Trumps historischer Auftrag
Herauszulesen ist aber auch, dass dieser Wahnsinn nicht die des Autors ist, sondern die der Vereinigten Staaten. Denn Fernau ahnte wohl, dass die neuen Herren der Welt irgendwann ein Reich verwalten, in dem ihre eigene Saturiertheit genau solche grotesken Formen annehmen muss. Solche, die wir heute täglich vorgesetzt bekommen – und zwar als Show und nicht als Staatskunst. Ganz speziell gestern, als die Riege der Megareichen mitsamt operierten Busenwundern und generalüberholten Statuspartnerinnen, der Welt zeigten, wo Uncle Sam den Most holt. Reichtum und Macht: Endlich zeigt Amerika der Welt wieder, dass es eine Oligarchie ist – und geniert sich nicht dafür, wie unter Joe Biden.
Vermutlich müssen wir uns das alte Rom vorstellen, wie wir das neue Rom kennen: Gespalten, hochgradig aufgestachelt, militärisch stolz, sozialpolitisch nicht der Rede wert. Dazu Volkstribune, die es zu Weihen bringen und die, sobald sie Imperator sind, mit der Politik ihrer verhassten Vorgänger brechen. Nach Trump wird jemand aus dem zweiten Glied übernehmen, der wieder brechen wird mit dem Kurs seines Vorgängers. Im Hintergrund werden aber auch dann jene sitzen, die gestern sichtbar im Hintergrund saßen. Nur werden sie dann vielleicht wieder so im Hintergrund sitzen, dass man sie nicht sieht. Denn auch wenn sich im alten wie im neuen Rom immer alles bewegte, veränderte, nichts mehr Bestand hatte: Die reichen Familien waren sicher, sie blieben reich – und dies über Generationen. Es musste sich eben alles verändern, damit alles so bleiben konnte, wie es war.
Diese Brüche, die das Land ereilen werden, weil sie mittlerweile systemisch sind in dieser American Horror Story, sind die große Chance, dass Latium früher oder später nicht mehr beherrschbar sein wird – und es darüber vergisst, ein Imperium drangsalieren zu müssen. Die Präsidentschaft von Trump könnte der Beginn sein; wenn er die Gräben vertieft – wovor sich der deutsche Mainstream so fürchtet, wie es die Statthalter der Römer auch immer taten, wenn in ihren Liegenschaften die Kaisertreue Kratzer bekam –, dann ist das keine Sorge wert, sondern eine Chance für die besetzten Regionen des Imperiums. Das ist der historische Auftrag Trumps – und nicht der Faschismus, den man ihm jetzt unterstellt und den Elon Musk per römischen Gruß eingeleitet haben soll, wie nun moniert wird. Römischer Gruß? Das hat schon fast wieder was von der Vision Coppolas in Megalopolis.
Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.
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