Bei der Landtagswahl in Thüringen ist die AfD von Björn Höcke mit großem Abstand stärkste Kraft geworden. Nach den 18-Uhr-Prognosen von ARD und ZDF schafft sie es erstmals seit ihrer Gründung 2013 bei einer Landtagswahl auf Platz eins, hat nach Aussagen der anderen Parteien aber kaum Chancen auf eine Regierungsbeteiligung. Dahinter folgen die CDU und das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow rutscht mit deutlichen Verlusten auf den vierten Platz. Die SPD schafft den Einzug in den Landtag, die Grünen verpassen ihn. Auch die FDP fliegt aus dem Parlament.
Den Prognosen zufolge steigert sich die AfD auf 30,5 bis 33,5 Prozent (2019: 23,4 Prozent), die CDU landet demnach bei 24,5 Prozent (2019: 21,7). Aus dem Stand schafft das BSW 14,5 bis 16,0 Prozent – und lässt damit die Linke hinter sich, die dramatisch abstürzt und auf 11,5 bis 12,5 Prozent kommt (2019: 31,0).
Starke Verluste verbuchen die Parteien der Berliner Ampel-Regierung: Die SPD liegt mit 6,5 bis 7,0 Prozent nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde (8,2) und steuert auf ihr bislang schlechtestes Ergebnis in Thüringen zu. Die Grünen, bisher ebenfalls an der Regierung beteiligt, scheiden laut Prognosen mit 4,0 Prozent (5,2) aus dem Parlament aus. Auch die FDP verpasst den Wiedereinzug mit 1,0 bis 1,3 Prozent (5,0) deutlich.
Die AfD erhält demnach 30 bis 33 Sitze (22). Die CDU kommt auf 24 Sitze (21), das BSW auf 14 bis 15. Die Linken haben noch 11 bis 12 Mandate (29). Die SPD stellt 6 bis 7 Abgeordnete (8).
Rund 1,66 Millionen Menschen waren zur Abstimmung aufgerufen. Die Wahlbeteiligung liegt laut Prognosen bei 73,5 bis 74,0 Prozent. 2019 waren es 64,9 Prozent.
Komplizierte Ausgangslage für Regierungsbildung
Die bisherige rot-rot-grüne Minderheitskoalition, die auf eine Zusammenarbeit mit der CDU angewiesen war, hat keine Chance auf eine Neuauflage. Eine Koalition mit der AfD, die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, schließen die übrigen Parteien aus. Die Suche nach einer Regierungsmehrheit dürfte also kompliziert werden.
Eine denkbare Option für eine Mehrheitskoalition wäre den Prognosen zufolge ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD – bislang ist aber unklar, ob die Parteien gemeinsam die Mehrheit der Sitze erreichen. CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt müsste dafür mit der Ex-Linken und ehemaligen Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf vom BSW zusammenarbeiten und SPD-Chef und Innenminister Georg Maier in das nie dagewesene Bündnis holen.
BSW könnte maßgeblich sein
Das BSW könnte damit eine entscheidende Position einnehmen. Bundes-Parteichefin Wagenknecht, die selbst nicht zur Wahl stand, hatte zuvor die Absicht geäußert, an möglichen Koalitionsverhandlungen teilnehmen zu wollen. Es gibt aber auch Befürchtungen, das BSW wolle gar nicht fester Teil einer Landesregierung sein – um ohne Blessuren in den Bundestagswahlkampf 2025 einzusteigen.
Wagenknecht war einst SED-Mitglied und galt später als Ikone der kommunistischen Plattform in der Linken – was vor allen CDU-Politikern Bauchschmerzen macht. Eine Koalition wäre aber dennoch möglich, denn nach einem Unvereinbarkeitsbeschluss darf die CDU weder mit der AfD noch mit der Linken koalieren – das BSW ist aber nicht davon erfasst.
AfD-Landeschef und -Spitzenkandidat Höcke gab sich vor der Wahl unbeeindruckt von der Ablehnung der anderen Parteien. «Wir wollen regieren», sagte der 52-Jährige, der wegen der Nutzung einer Nazi-Parole vor einigen Wochen in erster Instanz zweimal zu Geldstrafen
Gewinnt die AfD in Thüringen mehr als ein Drittel der Landtagsmandate, hätte sie eine sogenannte Sperrminorität: Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, müssten ihre Zustimmung finden. So werden etwa die Verfassungsrichter von den Parlamenten mit Zweidrittelmehrheit gewählt.
(red/dpa)