Beeinflussung ist das neue Modewort, wenn es um Wahlen geht. Nun hat offenbar auch Elon Musk mit einem Meinungsbeitrag in der Welt beeinflusst – weswegen die Berliner Blase solche Stimmen am liebsten verbieten will. Mit politischen Mitteln gegen die AfD zu kämpfen, kommt wohl kaum noch jemanden in den Sinn.
Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente
Das Springer-Blatt Welt hat einen Meinungsbeitrag von Elon Musk veröffentlicht. Darin lobt er die Alternative für Deutschland (AfD) und sieht sie als Chance für das Land. Explizit die Wirtschaftspolitik hebt Musk hervor: Die eher libertären Ansätze passen hervorragend zum Unternehmer und Oligarchen. Musk schreibt natürlich nicht, dass eine solche Wirtschaftsordnung noch mehr Verlierer produziert, als die Kriegswirtschaft light, in der wir uns augenblicklich befinden. Eingeordnet wurde der Musk-Beitrag als Kontroverse; Jan Philipp Burgard, der ab dem 1. Januar 2025 Chefredakteur der Welt sein wird, hielt in einem Gegenbeitrag gegen die Ansichten Musks. Dass die Welt unkommentiert einem AfD-Multiplikatoren aus dem Ausland ein Forum geboten habe, kann man also nun wirklich nicht behaupten.
Berichtet wird, dass es innerhalb der Redaktion schon im Vorfeld richtig krachte. Eine Redakteurin soll sogar gekündigt haben, weil sie Musk in der Welt nicht aushalten wollte. Dabei hat die Zeitung nur getan, was Zeitungen in ihren guten Tagen immer taten: Sie bot auch Andersdenkenden die Möglichkeit, ihre Betrachtungen darzulegen. Denn denen zuzuhören, die anders denken als die Leitlinie des Blattes es vorgibt, kann immer auch ein Mehrgewinn sein – es hilft zu verstehen. Aber Verständnis scheint nicht das Gebot des Augenblickes zu sein. Nach Musks Beitrag weiß man nun, dass er It’s the Economy, Stupid! meint: Und zwar die Economy, die es gut mit denen meint, die ohnehin ausreichend haben. It’s the Oligarchy, Stupid! Vor einigen Jahren hat die Frankfurter Allgemeine Alexander Gauland die Möglichkeit eingeräumt, einen Gastbeitrag zu verfassen, er besprach die globalistischen Eliten, die den Nationalstaat auflösten: Die Reaktionen waren ähnlich, wenn auch weniger hysterisch als heute – Gaulands Artikel hatte auch mehr Substanz als jener von Elon Musk.
Musk oder deutsche Journalisten: Wer beeinflusst wirklich?
Damals wie heute, bei Gauland wie jetzt bei Musk, kritisierte man den prominenten Platz, den man jemanden geben würde, den man jedoch bitte auf die hinteren Ränge verweisen sollte: Denn auch Zeitungen sollten Haltung einnehmen. Die FAZ damals und die Welt heute machten sich nicht gemein mit ihren Gastautoren – sie boten lediglich eine Möglichkeit des Austausches von Argumenten und Ansichten an. Dass es nun bei Musk hysterischer ist, liegt allerdings auch an einer anderen Dimension: Elon Musk ist kein AfD-Mitglied, nicht wahlberechtigt in Deutschland, kein Deutscher – und damit wird er als ausländischer Einflussagent betrachtet. Die Angst vor der Beeinflussung von Wahlen ist dieser Tage ja omnipräsent. Ganze Wahlen werden in Europa deshalb wiederholt. Offiziell – inoffiziell dient die Beeinflussungsrhetorik der Aushebelung demokratischer Unabwägbarkeiten. Im Regelfall fürchtet man russische Beeinflussungen. Es ist interessant zu sehen, dass man sie nun auch aus den Vereinigten Staaten fürchtet: Musk ist immerhin enger Vertrauter des baldigen US-Präsidenten Donald Trump.
Das Berliner Empörium scheint sich zwischen die Fronten geraten zu fühlen: Ist Deutschland nur ein Spielball höherer Mächte? In Rage gibt man damit das zu, was abseits der Macht, in sogenannten Verschwörerzirkeln, immer wieder kolportiert wird: Mit der Souveränität Deutschlands ist es nicht weit her. Dass sie aber nun durch einen Gastbeitrag in der Welt gefährdet wird, ist einigermaßen unsinnig. Die USA und Russland »begleiten« den deutschen Wahlkampf gleichermaßen mit ihrer eigenen Agenda: Das ist nicht nur klar – das ist Teil der kognitiven Kriegsführung, die heute zur Normalität in der Konfrontation der Blöcke geworden ist.
Beeinflussung also: Wie gesagt, die findet statt. Und wer beeinflusst normalerweise aus den USA heraus? Doch nicht Elon Musk und ein müder Artikel aus seiner Feder. Nehmen wir nur mal das Jahr 2024: Über Monate hinaus waren deutsche Medien, allen voran die öffentlich-restlichen Anstalten, darauf ausgerichtet, den für jedermann sichtlich körperlich wie geistig abbauenden US-Präsidenten Joe Biden zu einem tatkräftigen Anpacker umzudeuten. Kaum änderte sich das Klima in den Vereinigten Staaten, kaum war der Administration in Washington klar, dass Biden eine Bürde ist, schwenkten auch alle Medien in Deutschland um und warben nun in einer »aus dem Ärmel geschüttelten« Virtuosität für Kamala Harris, die einspringen sollte. Vorher galt die Kritik an der Senilität im Oval Office als Desinformation, wenn nicht gar als Kreml-Narrativ. Wer in den Netzwerken über Sleepy Joe schrieb, wurde zum Verschwörungsfetischisten erklärt: Die Videos, die den herumirrenden Biden zeigten, seien alle aus dem Kontext gerissen.
2021: Das Versagen deutscher Medien
Natürlich hinkt das Beispiel, denn anders als man annehmen musste, als Harris zur neuen Hoffnungsträgerin modifiziert wurde, war es völlig gleichgültig, was die Deutschen von ihr oder von Donald Trump, ihrem Konkurrenten um die Präsidentschaft, hielten: Denn das war nicht die Entscheidung der Deutschen. Denn merke: Die Deutschen bestimmen nicht die Wahl in den USA. Aber die USA sehr wohl die in Deutschland. Einen Kanzler namens Olaf Scholz könnte man durchaus als solchen werten: Annalena Baerbock hatte beste Aussichten, die Kandidatin der stärksten Fraktion bei der Bundestagswahl 2021 zu werden – dann gab es etliche Ungereimtheiten um ihren Werdegang. Laschet rückte in der prognostizierten Wählergunst nach. Doch dann lachte der Mann im Ahrtal, das konnte man ihn als Scheingrund unterschieben. Vorher fiel Laschet jedoch mehrfach als eher vermittelnder Charakter zwischen Deutschland und Russland auf: Ist es ein Verschwörungsmythos davon auszugehen, dass die Agenda sich damit änderte und es amerikanische Beeinflussung gab, die bis in die Redaktionsstuben vordrang?
Jedenfalls war die Presseberichterstattung um den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz von einem Augenblick auf den anderen sehr viel positiver, Laschet jedoch wurde in Grund und Boden geschrieben. Eine regelrechte Kampagne schien losgetreten worden zu sein. Die Sozialdemokraten waren allerdings im September 2021 nicht wieder obenauf, wie damals behauptet wurde – sie wurden hochgeschrieben. Es funktionierte aber mehr schlecht als recht: Trotz guter Presse reichte es nur für nicht mal 26 Prozent. Exakt dasselbe Ergebnis erzielte acht Jahre vorher die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Damals galt das als bittere Klatsche. Konnte man an diesem mickrigen Wahlergebnis 2021 ablesen, dass trotz enormer Presseunterstützung und -anstrengung für einen Kandidaten, keine Massen mehr zu mobilisieren waren?
Man darf die Kampagnen, die nach der Etablierung der Ampelkoalition in puncto Desinformation und Meinungsfreiheit gefahren wurden, also all diese Meldestellen, Trusted Flaggers, neue Kompetenzen für Staatsdienste etc., durchaus auch als Reaktion auf die fehlende Schlagkraft medialer Stimmungsmache bewerten. Wenn man davon ausgeht, dass die Amerikaner ihren Einfluss auf von ihren Interessen bestimmten Feldern in der Welt auch geltend machen, dann brauchen sie ein Netzwerk, das funktioniert, wenn man es abruft. In den Augen amerikanischer Einflussagenten haben die Mainstreammedien 2021 sicherlich schwer versagt – sie haben die bevorzugten Kandidaten, einen erpressbaren Mann zudem, was nur Vorteile für die US-Agenda mit sich bringt, gerade noch so ins Amt geschrieben. Es war allerdings knapp, fast hätte Laschet die Möglichkeit bekommen, eine Regierung zusammenzustellen.
Falsche Meinung und falsche Fakten als Beeinflussung
Es ist also schon mehr als satirisch, dass man nun von der Beeinflussung durch einen Mann spricht, der der kommenden US-Regierung nahesteht. Diese Mechanismen arbeiten ja wesentlich subtiler – einfach einen Artikel zu schreiben und ihn dann auch noch als Kontroverse einzuordnen: So würden nur Stümper Beeinflussungsarbeit leisten. Natürlich werden im Hintergrund Beeinflussungen betrieben – die Mittel der Wahl sind dabei mannigfaltig. Die Redaktionen, die in der Berliner Blase auf Du und Du mit Spitzenpolitikern und Lobbyisten sind, rutschen da rein – manchmal wissentlich, hin und wieder auch etwas unbedarft. Wie sonst ist erklärbar, dass Deutschlands Medien es seit zwei Jahren schaffen, den Anschlag auf existenzielle Infrastruktur – Nord Stream! – kleinzureden oder sogar für strategisch nachvollziehbar zu halten? Redaktionen sind zu Presseagenturen der Machthaber verkommen.
Stattdessen erklärte man einen unabhängigen US-amerikanischen Starjournalisten, ein bewährtes Exemplar der Spezies Reporter, zum Verbreiter russischer Propaganda, als er die Amerikaner als verantwortlich betrachtete. Seymour Hersh berief sich dabei auf Quellen innerhalb des amerikanischen Sicherheitsapparates – gut vernetzt war er von jeher. Nun sollten seine Kontakte aber nichts mehr gelten. Man deklarierte allerlei Einordnungen, die mit dem gängigen Narrativ des Ukrainekrieges nicht konform gingen, zu einer falschen Meinung – als ob es sowas überhaupt geben könnte! Falsche Fakten – noch so ein Begriff! –, würden alle verunsichern und dann zweifeln lassen. Auftritt: Meldestellen und Trusted Flaggers, Faktenprüfer und Zertifizierungsdienste – letzteres treibt auch die EU unter deutscher Kuratel voran. Sie sollen die Demokratie schützen. Was sie wirklich schützen ist die herrschende Erzählung und die mit ihr verbundenen Funktionseliten in Politik, Medien und diversen Wirtschaftszweigen. Die Arbeit dieser »Demokratieschützer« soll die Wahlen sicher machen – denn diese würden immer mehr beeinflusst werden. Von Außen – und von Erzählungen, die von dort zu uns gelangten und Bürger verwirrten.
Wahlbeeinflussungen hat es jedoch zu allen Zeiten gegeben. Falsche Wahlversprechen hatten von jeher Hochkonjunktur – und sie haben es heute noch. Man frage mal die Grünen, die keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete zu schicken versprachen. Was daraus geworden ist, weiß in Deutschland mittlerweile jedes Vorschulkind. Im Wesentlichen kann man sagen: Dass Musk »beeinflusst«, nimmt das Berliner Empörium nur deswegen als Skandal wahr, weil für Beeinflussung in Deutschland bislang noch immer sie selbst zuständig waren – oft als Agenten transatlantischer Zielvorgaben, ohne zu wissen, dass sie Agenten waren und sind. Und manchmal auch bei vollem Bewusstsein.
Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.
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