Trotz aller Bemühungen der EU und der Vereinigten Staaten gehört Russland zu den größten Gaslieferanten Europas und hat im Mai dabei sogar die USA überflügelt, berichtet die britische Zeitung „Financial Times“ (FT) mit Hinweis auf Angaben von Independent Commodity Intelligence Services (ICIS), einem Preisinformationsdienst für den Handel mit chemischen Produkten und Energie.
Die Importe von LNG sowie von Pipeline-Gas aus Russland in die EU und die Schweiz, aber auch nach Großbritannien, Serbien, Bosnien und Herzegowina sowie Nordmazedonien machten im vergangenen Monat etwa 15 Prozent der gesamten Gasimporte der Region aus, gefolgt von den USA mit 14 Prozent.
Nach dem Beginn des Ukraine-Konflikts im Februar 2022 hatten sich die EU-Gasimporte aus Russland von 50 Prozent des Gesamtimports stark verringert. Im September 2022 überholten die LNG-Lieferungen aus den USA nach Europa die Importe aus Russland trotz der wesentlich höheren Preise für das amerikanische Gas.
Zugleich stiegen russische LNG-Lieferungen nach Europa schrittweise wieder an. Aber auch russisches Pipeline-Gas gelangte durch die TurkStream-Pipeline sowie über die Ukraine nach Süd- und Osteuropa.
„Es ist erstaunlich, dass der Marktanteil von russischem Gas und Flüssigerdgas in Europa nach all den Anstrengungen, die wir unternommen haben, um die Energieversorgung zu entkoppeln und von Risiken zu befreien, weiter steigt“, zitiert die FT den Leiter der Gasanalyse bei ICIS, Tom Marzec-Manser.
Offiziell gibt es vorerst keine EU-Sanktionen gegen russisches Pipeline-Gas oder LNG.
Die „Financial Times“ führt die jüngste Entwicklung im europäischen Gasimport darauf zurück, dass die Nachfrage nach LNG in Europa angesichts der gut gefüllten Gasspeicher momentan gering ist. Darüber hinaus habe es im Mai Ausfälle und technische Störungen bei einer großen LNG-Exportanlage in den USA gegeben, während Russland vor geplanten Wartungsarbeiten im Juni mehr Gas durch die Pipeline in der Türkei lieferte.
„Experten gehen also davon aus, dass die Gasimporte aus Russland nach ganz Europa, besonders in die EU, in den kommenden Monaten wieder sinken werden“, schreibt die „Berliner Zeitung“ unter Berufung auf den FT-Beitrag.