MEISTKOMMENTIERT
MEISTGELESEN

Gericht rügt "Tagesspiegel" wegen Antisemitismusvorwürfen

Im Zusammenhang mit den leidenschaftlichen Debatten zum Gaza-Krieg warf der "Tagesspiegel" dem Berliner Kulturzentrum "Oyoun" mehrfach Antisemitismus vor. Das Landgericht Berlin untersagte der Zeitung jetzt solche Aussagen wegen unprofessioneller Recherche.
Ansgar Koreng / CC BY-SA 3.0 (DE)
Bild: Ansgar Koreng / CC BY-SA 3.0 (DE)

Das Kulturzentrum "Oyoun" in Berlin-Neukölln verlor im November 2023 die finanzielle Förderung durch den Berliner Senat. Grund: "schwerer Antisemitismus". Kurz nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe und der Entscheidung des Senats, startete der Berliner "Tagesspiegel" eine Artikelserie, in der dieser pauschale Vorwurf von Kultursenator Joe Chialo (CDU) mit angeblich konkreten Beispielen untermauert wurde.

Das Kulturzentrum wehrte sich gerichtlich vor allem gegen einen Tagesspiegel-Artikel, in dem "Probleme mit antisemitischen Äußerungen in den eigenen Reihen" behauptet wurden. Das Landgericht Berlin gab jetzt der Klage statt und untersagte der Zeitung im Weg einer Einstweiligen Verfügung die weitere Verbreitung dieser Behauptung. Es fehle an "hinreichenden Anknüpfungstatsachen", so das Gericht. Eine Zuwiderhandlung würde den Tagesspiegel bis zu 250.000 Euro kosten.

Die Zeitung änderte die betreffende Passage auf ihrem Online-Auftritt. Allerdings in einer so raffinierten Weise, dass der Einstweiligen Verfügung zwar formaljuristisch Rechnung getragen und eine klare Tatsachenbehauptung entfernt wurde. Die neue Formulierung aber suggeriert weiterhin, es habe beim "Oyoun" antisemitische Äußerungen gegeben, wie die Tageszeitung "Junge Welt" in einem Bericht bemerkt.

Die Zeitung weist zum einen darauf hin, dass der "Tagesspiegel" seine Leser nicht auf die Änderung infolge eines Gerichtsurteils hinweist. Zum anderen erinnert die "Junge Welt" daran, dass der "Tagesspiegel" schon einmal auf ein Urteil in dieser intransparenten Weise reagiert. Im März hatte das Landgericht schon einmal die Zeitung aufgefordert Vorwürfe antisemitischen Verhaltens zu entfernen, weil sie "unbegründet" seien. Auch in diesem Fall habe die Zeitung die angegriffenen Passagen "stillschweigend" geändert.

Unterdessen beharrt der Berliner Kultursenat auf einer Räumungsentscheidung, wonach das Kulturzentrum "Oyoun" zum 31.12.2023 das bislang genutzte Domizil in Neukölln verlassen müsse, was dieses nach wie vor verweigert.

Kommentare