Mithilfe des Vereinsgesetzes lässt Nancy Faeser das Compact-Medien-Imperium zerschlagen. Ist das Verbot rechtmäßig? Oder wird das Verbot von einem ordentlichen Gericht einkassiert?
Ein Beitrag und viele Fragen von Hermann Ploppa
Wir alle sehen die Bilder noch vor uns. Am Vormittag des 16. Juli 2024 belagerte die Polizei das Haus des Verlegers und Chefredakteurs von Compact, Jürgen Elsässer. Bilder gingen um die Welt: Jürgen Elsässer im Morgenmantel. Später steht er angezogen vor seinem Einfamilienhaus im Berliner Umland. Es sieht aus wie ein Umzug: die wackeren Polizeibeamten holen nicht nur Computer, Festplatten und Handys aus dem Haus Elsässer. Sie nehmen sogar gleich noch die Möbel mit. Wäre es für Elsässer und seine Frau nicht mit herben Unannehmlichkeiten verbunden, könnte man über das skurrile Schauspiel eigentlich nur lachen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser wollte jetzt mal richtig Härte „gegen Rechts“ zeigen. Sie ließ das Magazin Compact verbieten. Und jetzt sind wir mal alle gespannt, wer zuletzt lacht. Denn Frau Faeser tanzt hier auf extrem dünnem Eis. Es könnte sein, dass Frau Faeser bald mitsamt ihrem Schreibtisch aus dem Bundesinnenministerium getragen wird. Solange ihre Kritiker allerdings nur unqualifiziert herumnörgeln, ohne die Substanz dieser armseligen Justizposse im Detail zu analysieren, kann Frau Faeser nachts gut schlafen. Vermutlich hatte die SPD-Politikerin fest damit gerechnet, dass der Beifall für ihre politisch-kulturelle Flurbereinigung sich weit in das oppositionelle Lager hinein erstreckt. Die substantielle politische Opposition, die nach den Exzessen der offiziellen Corona-Politik entstanden ist, hat sich aber jetzt deutlicher als erwartet hinter Jürgen Elsässer gestellt.
Bisweilen hat sich allerdings eine Solidarisierung mit Compact gezeigt, die grundsätzliche Bedenken und Kritik gegen dieses rechte Magazin einfach unter den Tisch kehrt. Es fehlt vielen Kritikern an der notwendigen Unterscheidung zwischen den gefährlichen Einschränkungen der Pressefreiheit und dem real existierenden Presseorgan Compact in all seinen unschönen Erscheinungsformen.
Um meine Position vorab deutlich zu machen: ich verurteile das Verbot von Compact und der angegliederten TV-Gesellschaft auf das Schärfste. Aber ich verschließe nicht die Augen davor, wie mies Compact sich gegenüber Arabern und Afrikanern verhalten hat. Wie hier einzelne oder auch eine beträchtliche Anzahl von jungen Übeltätern mit Migrationshintergrund herausgepickt wurden, um pauschal alle Araber, Muslime und Afrikaner als potentielle Gruppenvergewaltiger und Messerstecher zu diffamieren. Allerdings rechtfertigen auch diese üblen Akte von Rufmord keine Aushebelung der Pressefreiheit. Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Anstatt ein ganzes Presseorgan rundweg zu verbieten, wären hier Unterlassungsklagen gegen die übelsten Entgleisungen des Compact-Magazins angemessen gewesen.
Dass Compact es mit den Persönlichkeitsrechten nicht so genau nimmt, habe ich selber erfahren. Denn Compact hat den Mitschnitt meiner Rede bei einer Demonstration nebst meinem Konterfei auf einer Doppelseite abgedruckt, ohne mich um Erlaubnis zu fragen. Ich hätte da jetzt keine Unterlassungsklage deswegen losgeschickt. Aber das ist nicht die feine Art.
Rechtliche Grundlagen des Verbots
Zunächst einmal müssen wir klären, auf welcher Ebene des Rechts Frau Faeser ihr Verbot ausgesprochen hat. Es stehen grundsätzlich das Strafrecht, das Zivilrecht oder das öffentliche Recht zur Verfügung, um gegen missliebige Gruppierungen vorzugehen. Parteien kann man zum Beispiel nur gerichtlich verbieten lassen. So wurde 1952 die NSDAP-Nachfolgeorganisation Sozialistische Reichspartei Deutschland vom Verfassungsgericht in Karlsruhe verboten. Auf dem selben Wege wurde im Jahre 1956 die Kommunistische Partei Deutschland verboten. Zwei Versuche, die neonazistische NPD zu verbieten, scheiterten allerdings daran, da das Gericht nicht klar sagen konnte und wollte, welche Anteile am NPD-Programm von Maulwürfen des Verfassungsschutzes geschrieben wurden, und welche möglicherweise von „echten“ Nazis. Die Bundesregierung kann und darf keine Parteien auf dem Verordnungsweg verbieten, denn Parteien gelten in Deutschland als besonders hohes und schützenswertes Rechtsgut.
Innenministerin Faeser hat über den Weg einer Verbotsverfügung Compact den weiteren Betrieb untersagt und jede noch so versteckte Weiterführung des Blattes unter Strafe gestellt. Bei einer solchen Verfügung ist der Weg über die Gerichte nicht erforderlich. Allerdings könnte Compact wiederum durch einen Eilantrag gerichtlich die Aufhebung von Faesers Verbotsverfügung erwirken und somit einstweilen weiterarbeiten. Das Verwaltungsgericht in Leipzig entscheidet dann in erster Instanz, ob das Verbot aufgehoben wird oder nicht. Auch dieses Urteil kann angefochten werden, und es erfolgt ein letztinstanzliches Urteil in Karlsruhe. Das ganze Prozedere kann sich allerdings über Jahre hinziehen und birgt für die Kläger ein hohes finanzielles Risiko. Wenn Compact nämlich verliert, müssen Elsässer und seine Gesellschafter die Kosten des Verfahrens selber tragen.
Ist Compact ein Verein?
Aalglatt und gleichzeitig äußerst abenteuerlich ist Faesers Begründung für das Verbot von Compact. Das Verbot betrifft nämlich die Trägergesellschaften von Compact und Compact TV, also: COMPACT Magazin GmbH und Conspect Film GmbH. Hier handelt es sich also ersichtlich um Wirtschaftsunternehmen. Dessen ungeachtet verbietet das Innenministerium das Compact-Unternehmen auf der Grundlage des Vereinsrechts. Da ist zunächst einmal der Artikel 9, Absatz 2 des Grundgesetzes. Dort ist geregelt, dass Vereinigungen, die strafbare Handlungen begehen oder die gegen die Verfassung oder gegen die Völkerverständigung arbeiten, verboten werden können. Um schneller zum Ziel zu gelangen, stuft Faeser die Wirtschaftsunternehmen Compact Magazin GmbH und Conspect Film GmbH als „Vereine“ ein. Nach § 3 des geltenden Vereinsrechts können die Innenminister des Bundes oder der Länder jeden Verein verbieten, auflösen und das Vereinsvermögen beschlagnahmen und in die Bundeskasse überführen lassen. Das Bundesministerium des Inneren formuliert es so:
„Ein Verein im Sinne des öffentlichen Vereinsrechts ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jeder freiwillige Zusammenschluss mehrerer natürlicher oder juristischer Personen zu einem gemeinsamen Zweck. Wichtig dabei ist, dass sich die Mitglieder zum Zwecke ihres Zusammenwirkens einer gemeinsamen organisierten Willensbildung unterworfen haben. Anders als im Zivilrecht kommt es für den öffentlich-rechtlichen Vereinsbegriff damit nicht auf die rechtliche Einordnung als Verein oder Gesellschaft an.“ <1>
So einfach ist das. Auf dieser Grundlage hat das Bundesinnenministerium in den letzten zwanzig Jahren bereits vier Wirtschaftsunternehmen in der Form einer GmbH verboten und enteignet. Weil es sich aber um Interessenvertretungen von in Deutschland lebenden Ausländern und Migranten gehandelt hat, blieben diese Maßnahmen von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt. Zuletzt ließ der damalige Innenminister Horst Seehofer die VIKO Fernsehproduktion GmbH sowie die MIR Multimedia GmbH im Jahre 2019 verbieten und enteignen. Beide Unternehmen wurden wahrgenommen als kommerzieller Zweig der kurdischen Organisation PKK.
Vielleicht führt die Enteignung der Compact-Gruppe einmal dazu, die rechtliche Gleichsetzung von Wirtschaftsunternehmen mit Vereinen gerichtlich prüfen zu lassen. Der finanzielle Schaden für die Mitglieder eines suspekten Schützenvereins „Posemuckel 88“ im Falle des Verbots hält sich in Grenzen. Die Mitglieder verlieren lediglich ihre Vereinskasse und ihr eventuelles Spendenaufkommen. Ein Wirtschaftsunternehmen dient aber in der Regel dazu, seinen Eigentümer und dessen Mitarbeiter zu ernähren. Der Schutz des Eigentums ist in Artikel 14 des Grundgesetzes jedem Bürger garantiert. Wenn das Eigentum durch strafbare Handlungen erworben wurde, regelt das Strafrecht die Konfiszierung. Das ist aber im Falle von Compact nicht gegeben. Die Verbotsverfügung von Frau Faeser behauptet nicht, dass Compact eine strafbare Handlung begangen habe. Das Verbot bezieht sich ausschließlich auf den Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit und des Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Angereichert werden diese Verbotsgründe mit dem Vorwurf des „Antisemitismus“ und des „Geschichtsrevisionismus“. Letztere Vorwürfe sind nicht im Vereinsrecht als legitime Verbotsgründe enthalten. Hier wird versucht, den öffentlichen Diskursraum qua amtlicher Verfügung weiter einzuengen. Hier müssten die Alarmglocken allerspätestens schrillen.
Compact und die Ausländerfeindlichkeit
Gehen wir die Verbotsgründe einmal Punkt für Punkt durch. Der Verbotstext beginnt mit dem Vorwurf der Ausländer- und Migrantenfeindlichkeit. Ich gehe davon aus, dass die meisten Mitmenschen guten Willens, die sich jetzt aus ehrwürdigen Motiven gegen ein Verbot des Compact-Komplexes aussprechen, das Magazin Compact nie gelesen, oder bestenfalls gelegentlich diagonal durchblättert haben. Es ist ihnen vermutlich entgangen, in welcher Heftigkeit bei den Lesern von Compact existentielle Ängste planmäßig geschürt werden. Nach dem Motto des Gaius Julius Cäsar „Teile und Herrsche“ werden Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufgehetzt, wobei gar nicht allzu subtil an niedere Instinkte appelliert wird. Sexualangst, Verlustangst, Todesangst: Compact spielt auf dieser zynischen Klaviatur noch hemmungsloser als das Mainstream-Presseerzeugnis mit den vier Großbuchstaben.
Ein Grundmotiv ist in Compact immer wieder das Motiv der „Umvolkung“. Das meint: es gibt eine sinistre Weltregierung, die die „Biodeutschen“ auslöschen will, indem sie Deutschland mit Zuwanderern „überflutet“. Da sind ganze Völkerscharen aus der arabischen und afrikanischen Welt zu uns nach Deutschland gelockt worden, um die Deutschen zu massakrieren. Wer komplexe Zusammenhänge märchenhaft und stark unterkomplex den Menschen draußen im Lande vermittelt, findet einen lukrativen Markt vor. Ein deutscher Großversand bietet beispielsweise in seinem Katalog Bücher an, in denen so richtig drastisch vermittelt wird, dass man nachts auf deutschen Straßen nicht mehr sicher ist. Neben dem angebotenen Buch findet sich dann eine Kleinanzeige für Selbstverteidigungswaffen. Das Geschäft mit der Angst blüht. Will man diese Geschäftsoption am Leben erhalten, darf man natürlich nicht die wirklichen Ursachen unserer Misere benennen, nämlich den Waffenexport in Krisengebiete, die Zerstörung der Landwirtschaft in Afrika und Asien durch Globalkonzerne. Auch darf man nicht über die massive Umweltzerstörung in stark bevölkerten Regionen dieser Welt reden.
Stattdessen besteht nach der Logik von Compact dringender Handlungsbedarf, diese „Sozialmoskitos“ aus Afrika und Arabien zu verjagen. Denn es herrscht Krieg zwischen „Biodeutschen“ und Migranten: „Ein Bürgerkrieg ist im Gange, ohne dass die Medien darüber berichten: Junge deutsche Männer werden von moslemischen Gleichaltrigen in immer größerer Zahl überfallen und ermordet.“ Weiter: „Das Schlachten hat begonnen.“ Ein Dunkelmann holt das Messer aus der Hose. Weiter:
„Der Bevölkerungsaustausch ist längst in vollem Gange, und die Forderungen derjenigen, die noch nicht so lange hier leben, werden massiver. Es war 2015, als die Grenzen geflutet wurden. Merkel half <sic!> kräftig mit. In der Folgezeit kamen immer mehr Fremde zu uns. Aus ihren fremden Kulturen brachten sie auch ihre Gewohnheiten mit. Dazu gehören auch Vergewaltigung, Mord und Totschlag. Das Ziel: Eine Umvolkung hin zu einer Mischrasse, die aus atomisierten Einzelwesen besteht. Der Zusammenhalt der Gemeinschaft muss dafür zerstört werden.“ <2>
„Volksaustausch oder Umvolkung: Benennt klar, dass die Asylinvasion keine selbstablaufende Katastrophe oder Panne ist, sondern einem Plan oder Programm folgt.“ Hat die Weltregierung die Ausrottung der „Biodeutschen“ nun geplant, wie es hier gerade angedeutet wird, oder handelt es sich doch um eine Panne, wie folgendes Zitat aus Compact nahelegt: „In ungeahnter Dämlichkeit wollen sie [„die Eliten“] die Welt vermeintlich vor dem Untergang retten – und forcieren doch zugleich die biologische Auslöschung ihrer selbst über Gebärstreik und Umvolkung.“ Die biodeutsche Frau weigert sich dämlicherweise, ihrer Pflicht als Gebärerin nachzukommen.
Während solche Selbstentlarvungen noch etwas unfreiwillig Komisches an sich haben, ist die Dämonisierung von Afrikanern durch bedrohliche Titelbilder gar nicht lustig. Diese Technik der Entmenschlichung des Gegners hatte die US-amerikanische Propaganda im Ersten Weltkrieg entwickelt, um Hass gegen Deutsche durch Aktivierung unbewusster Ängste wachzurufen. Die Nazis haben diese Visualisierung übernommen, um gegen Juden zu hetzen. Die CDU hatte in der Nachkriegszeit solche perfiden Mittel eingesetzt, um gegen die Russen zu hetzen.
Bei allem Ekel gegen diese primitive, latent rassistische Hetze muss aber doch festgestellt werden: die von Frau Faeser angeführte fremdenfeindliche Hetze ist kein triftiger Verbotsgrund. Hier hätten Unterlassungsklagen zur rechten Zeit Sinn gemacht. Ein lesenswerter Artikel in der online-Version der Legal Tribune schätzt die Erfolgschancen für ein Verbot des Compact-Konzerns eher gering ein. Der Artikel bezieht sich dabei auf die Begleitumstände des Verbots des Antifa-Organs linksunten.indymdia:
„Insoweit weist GFF [Gesellschaft für Freiheitsrechte]-Jurist Werdermann darauf hin, dass das BVerwG [Bundesverwaltungsgericht] in seiner Entscheidung zu linksunten.indymedia festgestellt habe, dass ein Verbot nicht auf Meinungsäußerungen und Pressetätigkeiten gestützt werden dürfe, die den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit genießen. Damit ist insbesondere fraglich, inwiefern links- oder rechtsextreme Inhalte unterhalb der Strafbarkeitsschwelle ein Verbot einer Publikation rechtfertigen können.
Der GFF-Jurist weist in dem Zusammenhang auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2010 hin. Der Gerichtshof hielt das Komplettverbot mehrerer türkischer Tageszeitungen für einen unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Meinungs- und Pressefreiheit). Nach Einschätzung von Werdermann greifen diese Grundsätze auch im vorliegenden Fall ein. Das Verbot von Compact könnte also ein juristisches Nachspiel nicht nur in Leipzig und Karlsruhe, sondern auch in Straßburg haben – mit ungewissem Ausgang.“ <3>
Compact und der Antisemitismus
Wir kommen nun zu einem Abschnitt von Faesers Verbotsverfügung, bei dem einem geistig wachen Leser die Haare zu Berge stehen müssen. Der Vorwurf des Antisemitismus wiegt nach dem furchtbaren Holocaust besonders schwer und bedeutet für den mit diesem Stigma Bezeichneten das gesellschaftliche Todesurteil.
Nun wissen wir, dass sich Vertreter der Neuen Rechten in ihrer großen Mehrheit als beinharte Sympathisanten der israelischen Netanyahu-Regierung gerieren. In dieser Hinsicht stellt Jürgen Elsässer eine Ausnahme dar. Allerdings legt Elsässer bei der Beurteilung jüdischer Politik ein Differenzierungsvermögen an den Tag, das er in seiner pauschalisierenden Islam-Schelte vermissen lässt. Elsässer beschreibt die Aktivitäten der innerhalb des Judentums umstrittenen fundamentalistischen Sekte Chabad Lubawitsch. Dabei nimmt Elsässer vorsichtigerweise die Rolle des Berichterstatters ein, wenn er beschreibt, dass einige Leute die Sekte Chabad als Drahtzieher des Ukraine-Krieges ansehen. Ob Elsässer selber dieser These Glauben schenkt, ist der Intuition des Lesers überlassen. Innenministerin Faeser öffnet sich für die Intuition, dass Elsässer diese Hypothese glaubt, und bezeichnet ihn deswegen als Antisemiten. Kann Frau Faeser als Privatperson gerne machen – als Vertreterin einer Vollstreckungsbehörde sollte sie das besser unterlassen. Das wird einer richterlichen Überprüfung nicht standhalten. Und dass der Rebbe Menachem Mendel Schneerson so eine Art Guru des amtierenden israelischen Regierungschefs Netanyahu darstellt, ist eine gut dokumentierte Tatsache <4>. Schneerson hat Netanyahu zu einer besonders unerbittlichen Haltung in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten aufgefordert. Und dass Schneerson auch außerhalb der jüdischen Community Einfluss ausübt, zeigt sich daran, dass der argentinische Präsident Javier Milei erst kürzlich zur Chabad-Sekte übergetreten ist <5>. Elsässer kritisiert hier also definitiv nicht das Judentum als Ganzes, sondern eine durchaus auch in Israel immer wieder kritisierte Sekte innerhalb der chassidischen Glaubensrichtung.
Richtig haarig und für alle Kritiker globaler Finanzunternehmen gefährlich wird es, wenn Frau Faeser böswillig das Pferd von hinten aufzäumt. Sie behauptet nämlich nichts weniger, als dass Elsässers Kritik an den internationalen westlichen Eliten die Chiffre für seinen angeblichen Antisemitismus darstellt. Nochmal: wenn Elsässer die Globalkonzerne und die global agierenden Banken kritisiert, dann meint er damit nichts weniger als eine jüdische Weltverschwörung, so Faeser. Mit dieser a-logischen Formel lässt sich fortan jede Kritik an global agierenden Eliten als „antisemitisch“ auf dem Verbotsweg unterbinden. Hier sind wir an dem Punkt, wo jede oppositionelle Meinung unterbunden werden kann. Das darf so nicht stehen bleiben.
Irgendwo dämmert es auch Frau Faeser, dass ihre Verbotsbegründung löchrig ist wie ein Schweizer Käse, wenn sie schreibt:
„Der seitens ‚COMPACT‘ verbreitete politische Antisemitismus drückt sich nur vereinzelt offen direkt gegen jüdische Gruppierungen aus. Häufiger nutzt ‚COMPACT‘ Chiffren, die die als Kollektiv verstandene Gruppierung benennt und die Kernbezeichnung ‚die Juden‘ ersetzt. Insbesondere steht dabei eine als Kollektiv gefasste Finanzelite, stellvertretend für das antisemitische Bild eines Finanzjudentums als antisemitische Chiffre auch in Bezeichnungen wie ‚Hochfinanz’ oder ‚globale Finanzelite‘. Stellvertretend für ‚die Juden‘ werden auch (vermögende) Einzelpersonen herangezogen und als vermeintliche Verschwörer oder Strippenzieher dargestellt. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass diese Einzelpersonen teilweise keine Juden sind, wie beispielsweise Bill Gates oder die Familie Rockefeller. Sie werden dennoch als Superreiche jüdisch gelesen und spiegeln sinnbildlich das ‚Finanzjudentum‘ wider oder gelten als jüdische Marionetten.
Die als Kollektiv verstandenen Juden werden dabei mit Macht assoziiert und als Täter beschrieben. Das eigene Kollektiv wird demgegenüber als Opfer jüdischer Machenschaften dargestellt.“
Also, Bill Gates und sogar der „Biodeutsche“ Klaus Schwab sind nur Chiffren für den Elsässer’schen Antisemitismus. Soll man weinen oder lachen? Aber Faeser wird noch verschwörungstheoretischer:
„COMPACT’ verwendet dabei auch eine entsprechende Bildsprache, insbesondere die Tiermetapher eines umschlingenden Kraken. Der Krake ist als Chiffre für eine vermeintliche ‚jüdische Weltverschwörung‘ und als Metapher für eine ‚alles erdrückende Macht‘ zu verstehen, die hier aufgrund des Verweises auf ‚die Rockefellers‘ und in Verbindung mit der Überschrift antisemitisch konnotiert ist.“
Die deutschstämmige Familie Rockenfeller als Chiffre für „Antisemitismus“? Die Krake war im übrigen schon immer Sinnbild für eine alles umgreifende und an sich reißende Kreatur – bereits in der Antike, also, lange bevor es den Antisemitismus gab. Die Krake ist ein archetypisches Bild. Und damit vollkommen ungeeignet, um Compact wegen „Antisemitismus“ zu verbieten.
Noch einmal: Faeser schafft mit der Figur: wer die globale Finanzwelt kritisiert, der meint damit das Weltjudentum – auch dann wenn Nicht-Juden das Heft in der Hand halten – ein hochgefährliches Präzedenz. Damit kann jede Kapitalismuskritik als antisemitisch verboten werden und damit dann auch der Strafverfolgung ausgesetzt werden. Dem muss energisch ein Riegel vorgeschoben werden.
Faesers Parapsychologische Fähigkeiten
Ob das Team von Compact um Jürgen Elsässer große Sympathien für Adolf Hitler hegt, können wir nicht eindeutig beurteilen. Für Frau Faeser steht jedenfalls fest, dass das Compact-Team den Holocaust leugnet und Hitler verehrt. Sie verfügt dabei über parapsychologische Fähigkeiten. Sie weiß nämlich von privaten Gesprächen unter vier Augen in den Räumen von Compact zu berichten:
„In einem Gespräch zwischen Dr. Stephanie Elsässer und Paul Klemm zu anstehenden Aufnahmen von ‚COMPACT-TV‘ wird zudem sichtbar, dass in Teilen von ‚COMPACT‘ Hitler verehrt wird und der 20. April bewusst gefeiert wird.“
Das ist ein starkes Stück. Es wird hier nicht ausgewiesen, wie Faeser zu dieser Erkenntnis gelangt ist. Sind in den Räumen von Compact-TV Wanzen installiert worden? Wie ist der genaue Wortlaut des Gesprächs? Vorwürfe von der Heftigkeit einer Hitler-Verehrung müssen absolut wasserdicht dokumentiert sein. Sonst erfüllen sie den Tatbestand der üblen Nachrede. Es ist davon auszugehen, dass die Compact-Szene im Vorfeld des Verbotes vom Verfassungsschutz observiert wurde. Jedenfalls finden sich noch mehr ungenierte Hinweise auf eine verdeckte Ermittlung, ohne dass solche Eingriffe in die Privatsphäre irgendwo erläutert und begründet wurden. Diese „Beweismittel“ haben bisweilen das Gossenniveau von Klatsch und Tratsch im Treppenhaus. Da gibt es zum Beispiel Horst Manfred Paasch. Paasch ist anscheinend Hausmeister bei Compact. Und der soll mal in einem privaten Gespräch zu Jürgen Elsässer gesagt haben: „Ich hab schon überlegt, ich hab ja hier die Knarre, ich müsste dem Habeck mal ein Auge ausschießen.“ Diesmal wird sogar offen zugegeben, dass der Verfassungsschutz diese überaus substantielle Erkenntnis an das Bundesinnenministerium geliefert hat. Ungeniert wird auch offengelegt, dass der Verfassungsschutz die Telefone des Compact-Teams abgehört hat. So wird über ein Telefonat berichtet, das Elsässers Frau Stephanie mit einem „potentiellen Compact-Spender“ geführt hat. Dabei unterhalten sich Stephanie Elsässer (geborene Eckhardt) und der Spender darüber, ob es noch Zweck habe, in Deutschland zu bleiben. Aber dass die Ausländer bleiben und die Deutschen gehen, das soll nicht sein, so die beiden. Und dann: „Eckahrdt <sic!> lacht und sagt, sie würden Tag und Nacht kämpfen, um ihr Land zu retten und Gesprächspartner wisse ja, so Eckhardt, dass sie das System stürzen wollen.“ Aha! Nun ist es raus. Die Compact-Leute wollen also das System stürzen! Als Rechtsvertreter von Compact würde ich jetzt aber die Vorlage der abgehörten und mitgeschnittenen Telefonaufnahmen verlangen. In Zivilverfahren ist es nebenbei bemerkt nicht erlaubt, Aufnahmen von Telefongesprächen als Beweismittel einzusetzen.
Spaß beiseite. Die gerade besprochenen Fakten sollen als wasserdichte Beweismittel herhalten, um eine „kämpferisch-aggressive“ Haltung des Compact-Teams gegen unsere Verfassung zu beweisen. Und damit Compact das Lebenslicht auszublasen. Wenn so eine schludrige „Beweisführung“ ungerügt durchgeht, dann kann die Opposition Deutschland verlassen.
Fazit
Das Magazin Compact vertritt ganz ekelhafte Positionen gegenüber Migranten mit arabischem, islamischen oder afrikanischen Hintergrund. Das ist aber kein Anlass, das hohe Gut der Pressefreiheit preiszugeben. Das wird auch vor Gericht kaum Bestand haben. Der Vorwurf des Antisemitismus ist nicht berechtigt. Falls Elsässer und Freunde einen Antisemitismus hegen sollten, dann haben sie ihn zumindest öffentlich nicht dokumentiert. Stattdessen wird vom Bundesinnenministerium eine Verschwörungstheorie offeriert: wer globale Konzerne und Banken kritisiert, meint damit in Wirklichkeit die Juden. Antisemit ist, wer die globalen Vernetzungen von Blackrock oder „philanthropischen“ Stiftungen in das Bild einer Krake kleidet.
Ungeniert werden nicht weiter als Quelle ausgewiesene private intime Gespräche im Compact-Milieu als Beweismittel präsentiert, dass die Elsässer-Szene das „System stürzen“ will. Wenn wir uns so etwas bieten lassen, haben wir in diesem Land wahrlich nichts mehr zu suchen.
Die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums muss jetzt gründlich vor Gerichten unter die Lupe genommen werden. Und dabei kann man nur hoffen, dass die Judikative genug Format besitzt, sich gegenüber der Exekutive zu behaupten. Wie das ausgehen wird, stellt ebenfalls einen Lackmus-Test dar, wie intakt unsere Demokratie mit ihrer Gewaltenteilung eigentlich noch ist.
Es geht dabei nicht um Compact, sondern um die Pressefreiheit und die nötige Atemluft für einen freien Dialog unter mündigen Bürgern.
Quellen und Anmerkungen
<1> Der vollständige Text der Verbotsverfügung ist im Internet nachzulesen:
file:///C:/Users/User/Downloads/verbotsverfuegung-bmi-4.pdf
<2> Diese und weitere Passagen zitiert aus der Verbotsverfügung des BMI, siehe Fußnote 1
<4> https://www.youtube.com/watch?v=EgeWVgNGeAA
<5> https://www.manova.news/artikel/der-verruckte-und-die-reichen
Zum Autor: Hermann Ploppa, Jahrgang 1952, ist Politologe und Publizist. Er hat zahlreiche Artikel über die Eliten der USA veröffentlicht, unter anderem über den einflussreichen Council on Foreign Relations. 2008 veröffentlichte er „Hitlers Amerikanische Lehrer“, in dem er bislang nicht beachtete Einflüsse US-amerikanischer Stiftungen und Autoren auf den Nationalsozialismus offenlegte und öffnete bereits einem großen Publikum die Augen über die tatsächlichen Hintermänner des Diktators. Sein Bestseller „Die Macher hinter den Kulissen – Wie transatlantische Netzwerke heimlich die Demokratie unterwandern“ sorgt nach wie vor für angeregte öffentliche Diskussionen. Seine neueste Veröffentlichung „Der Griff nach Eurasien“ beschäftigt sich mit den Hintergründen des ewigen Krieges gegen Russland. Ploppa widmet sich den tiefen Strukturen und komplexen Zusammenhängen in Bezug auf das eurasische Verhältnis. Wer hat Interesse, dass Europa und Asien nicht weiter zusammenwachsen? Was sind die Bestrebungen des US-Imperiums, wenn China derzeit zur neuen Weltmacht aufsteigt? Welche Mittel und Wege werden gefunden, um der Herzland-Theorie von Mackinder folgend, Europa und Asien ewig zu spalten? Hermann Ploppa ist bekannt für seine akribische Recherche und pointierte Interpretation historischer und politischer Ereignisse. Er bringt zusammen, was in der deutschen Medienlandschaft, vor allem auch im Hinblick auf die eigene Historie, komplett verdrängt wurde.
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