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Lawrow: Russland für Verhandlungen, aber nicht für „sinnlose Gespräche“

„Wir sind fest davon überzeugt, dass wir die spezielle Militäroperation fortsetzen müssen.“ Das sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview am Freitag. Das Magazin Der Spiegel titelt dazu: „Lawrow deutet offenbar russische Sommeroffensive auf Charkiw an“. Laut dem Spiegel „kommen aus Moskau nun erneut deutliche Aussagen zum eigenen Herrschaftsanspruch“.

shutterstock/Sasa Dzambic Photography
Bild: shutterstock/Sasa Dzambic Photography

Lawrow sagte in einem Interview mit mehreren russischen Staatssendern: „Ich weiß nicht, was mit der Westukraine geschehen wird.“ Und weiter. „Aber die wahrhaft russische Ukraine, die Teil der russischen Welt sein will, die Russisch sprechen will, die ihre Kinder in dieser Sprache erziehen will, die Blumen zu den Denkmälern derer bringen will, die im Russischen Reich, in der Sowjetunion und im Großen Vaterländischen Krieg Blut für dieses Land vergossen haben, deren Schicksal steht nicht zur Debatte.“

Der russische Außenminister sprach im langen Interview auch davon, dass Russland zu Verhandlungen bereit sei. Aber anders als in Istanbul würde es eine Feuerpause für die Dauer der Verhandlungen nicht geben. Er verwies auf die Gegebenheiten vor Ort, die sich erheblich geändert haben. „Diesen muss Rechnung getragen werden.“ Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seien sinnlos, so Lawrow. Kiew müsse von der „Selenskyj-Formel“ abrücken.

Zu Charkiw als entmilitarisierter „Schutzzone“

Wörtlich sagte Lawrow, dass Charkiw eine „wichtige Rolle“ im Plan von Kremlchef Wladimir Putin spiele, eine entmilitarisierte „Schutzzone“ in der Ukraine zu errichten. Dadurch sollten russische Grenzsiedlungen vor ukrainischen Angriffen geschützt werden.

Das Magazin weist darauf hin, dass seit Monaten sich Berichte über ukrainische Drohnenangriffe auf die russische Grenzregion Belgorod häufen würden. Putin habe laut Lawrow deutlich gemacht, dass man die Frontlinie weit genug in die Ukraine hineindrücken müsse. Damit ist laut dem Außenminister das Gebiet Charkiw gemeint.

Nach den gescheiterten Verhandlungen von Istanbul im Frühjahr 2022 begann der Westen, den Ukrainern nicht nur Langstreckenwaffen zu liefern, sondern ihnen auch mit Hilfe westlicher Militärspezialisten zu helfen, viele Raketentypen zu modernisieren und ihre Reichweite zu erhöhen, erklärte Lawrow. Sie begannen, mit diesen Raketen zivile Ziele anzugreifen. Er erinnerte an einen Vorfall, als die Ukrainer versuchten, Drohnen mit einer großen Ladung Sprengstoff auf einen strategischen Flugplatz von Russland zu schicken.

Die Bombardierung der Krim-Brücke sei ein weiteres Beispiel. Dies habe sich in Bezug auf Sewastopol, die Schifffahrt im Schwarzen Meer, Handels- und Kriegsschiffe der Schwarzmeerflotte, auch in Belgorod und Kursk fortgesetzt.

Lawrow zu der „Hysterie“ im Westen

Zu der „Hysterie“ der europäischen Staatschefs, wonach Russland kurz vor einem Angriff auf die Nato-Länder steht, sagte Lawrow: Man könnte sagen, dass dies Paranoia ist und es vergessen. Aber das ist seiner Meinung nach ein raffinierterer Plan. Westliche Länder müssen dringend Geld aus ihren Parlamenten „herausholen“, um diesen Krieg fortzusetzen.

Zweitens brauchen sie diese Drohungen laut dem Außenminister, um zu rechtfertigen, warum sie ihrer Bevölkerung billiges Gas und Pipeline-Öl vorenthalten haben, warum die Preise in die Höhe geschossen sind und warum die Deindustrialisierung infolge der Sanktionen stattfindet. Deutsche Konzerne sind bereits auf dem Weg, ihre Produktion in die USA oder nach China zu verlagern, wie er erklärte. Er verwies auf den jüngsten Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz mit Unternehmensvertretern in China, „nicht um einige für beide Seiten vorteilhafte Projekte zu unterzeichnen, sondern um die Verlagerung der Produktion nach China zu vereinbaren“.

Russlands Außenminister findet es „bemerkenswert“, dass zum Zeitpunkt des Beginns der militärischen Sonderoperation einige in den USA und Europa sagten, wenn sie die Ukraine in die Nato aufgenommen hätten, hätte Putin es nicht gewagt, ein Mitglied des Bündnisses anzugreifen. „Und was sagen sie jetzt? Wir können nicht zulassen, dass die Ukraine verliert, denn wenn sie verliert, wird Wladimir Putin sofort die Nato angreifen.“ Das passiert aus seiner Sicht „nur um Angst zu machen“.

Laut dem US-amerikanischen Institute for the Study of War (ISW) deuten die Äußerungen von Lawrow darauf hin, dass der Kreml den Plan einer sich ständig verschiebenden entmilitarisierten „Schutzzone“ verfolgt, um immer weitere russische Offensivoperationen in die Ukraine hinein zu rechtfertigen, so der Spiegel.

Den Militäranalytikern zufolge ist die militärische Unterstützung der USA von entscheidender Bedeutung, um die ukrainischen Truppen gegen eine russische Sommeroffensive auf Charkiw verteidigen zu können. Der US-Kongress hatte monatelang um neue Milliardenhilfen für Kiew gerungen. Am Samstag beschloß das Repräsentantenhaus das neue Hilfspaket für Kiew in Höhe von ca. 60 Milliarden US-Dollar.

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