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Kabinett beschließt erleichterte Ausweisung nach Terrorverherrlichung

Die Ausländerbehörden der Länder sollen Menschen ohne deutschen Pass künftig leichter abschieben können, die Terrortaten gutheißen oder verherrlichen.

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Bild: shutterstock / FrankHH

Das Bundeskabinett billigte nach Angaben aus Regierungskreisen einen entsprechenden Entwurf von Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Demnach soll eine Ausweisung – also der Entzug einer Aufenthaltserlaubnis – schon nach Billigung einer einzelnen terroristischen Straftat ermöglicht werden. Zur Frage, was als Verbreitung eines Inhalts gilt, wird in der Begründung des Entwurfs auf ein Urteil des Landgerichts Meiningen verwiesen, wonach hierfür nicht nur das Erstellen von entsprechenden Inhalten Voraussetzung sei, sondern etwa auch das Markieren eines Beitrags mit „Gefällt mir“ in sozialen Netzwerken wie Youtube, Instagram oder Tiktok.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Gesetzesverschärfung nach der Attacke von Mannheim in einer Regierungserklärung angekündigt. Faeser sagte: „Wir gehen hart gegen islamistische und antisemitische Hasskriminalität im Netz vor.“

Fachmann für Migrationsrecht findet das Vorhaben fragwürdig

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), Thomas Oberhäuser, hält den nun vom Kabinett beschlossenen Entwurf für nicht zielführend. „Man muss schon sehr viel juristische Fantasie entwickeln, um das Setzen eines "Likes" als Verbreitung zu definieren“, sagte der Rechtsanwalt. Auch sei für Laien oftmals nicht immer gleich auf Anhieb zu erkennen, ob es sich im Einzelfall um einen terroristischen Inhalt handelt oder nicht.

Ein schwerwiegendes Interesse des deutschen Staates an einer Ausweisung soll laut Faesers Entwurf künftig auch angenommen werden, wenn jemand bestimmte Straftaten in einer Art und Weise billigt und belohnt, die den öffentlichen Frieden stören könnte. In diesem Fall müsste eine strafgerichtliche Verurteilung vor einer Ausweisung nicht erst abgewartet werden.

Linken-Politikerin sieht autoritäre Tendenzen

„Dass Innenministerin Faeser nun offenbar plant, Menschen wegen eines Postings in den sozialen Medien auszuweisen“, sei der vorläufige Höhepunkt einer besorgniserregenden Entwicklung, sagt die rechtspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger. Wenn es um autoritär regierte Staaten wie die Türkei oder Russland gehe, empörten sich deutsche Politiker zu Recht darüber, dass Menschen dort wegen eines „Likes“ in den sozialen Medien verfolgt oder gar inhaftiert werden könnten – „allerdings bewegt sich die Bundesrepublik längst selbst in diese Richtung“.

Habeck: "Wer die liberale Grundordnung verhöhne, habe sein Bleiberecht verwirkt"

Positiv beurteilt dagegen Vizekanzler und Grünen-Politiker Robert Habeck das Vorhaben. Er betont die „Stärke unseres Landes, dass verfolgte Menschen in Deutschland Schutz finden können.“ Wer aber die liberale Grundordnung verhöhne, indem er Terrorismus bejubele und Morde feiere, habe sein Bleiberecht verwirkt.

Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), hätte sich eine weiterreichende Reform gewünscht. Sie sagte: „Angesichts von massenhaftem Antisemitismus und Kalifats-Demos auf deutschen Straßen muss jede antisemitische und antidemokratische Straftat regelmäßig zu einer Ausweisung führen.“

Rechtsanwalt Oberhäuser sagte, es sei „völlig wahnsinnig“ zu glauben, dass die Ausländerbehörden künftig im großen Stil nach „Gefällt mir“-Posts in sozialen Medien schauen könnten. Besser wäre es, wenn jemand einmal eine Terrortat im Netz bejubelt, dies zum Anlass für ein Gespräch eines Vertreters der Sicherheitsbehörden mit dem Ausländer zu nehmen, „um festzustellen, ob er gefährlich ist“.

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, begrüßte den Kabinettsbeschluss, den er als klares Signal an Terrorsympathisanten bezeichnete. Er sagte, die Polizei und alle weiteren Behörden müssten aber auch so ausgestattet werden, dass ein spürbarer Verfolgungsdruck aufgebaut werden könne.

Zu prüfen sei im Einzelfall auch eine persönliche Betroffenheit, sagte Oberhäuser. Selbst wenn aus Gründen der Gefahrenabwehr eine Ausweisung angeordnet werde, müsse vor einer möglichen Abschiebung geprüft werden, ob womöglich Gründe für eine Duldung existieren.

(red/dpa)

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