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Toxische Weis(s)heit: Rücknahme und Rücktritt

Die Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckhardt muss einen Tweet zurückziehen, den sie für weltanschaulich richtig hielt, und außerdem gab es nach langer Zeit erstmals wieder einen Rücktritt beim politischen Spitzenpersonal. Sind das gute Nachrichten?

Ein Beitrag von Dr. Cora Stephan

Shutterstock/ Ersler Dmitry
Bild: Shutterstock/ Ersler Dmitry

Man könnte verzweifeln an diesem Land, an seinen Medien und Politikern. Die Nationalmannschaft gewinnt ein EM-Spiel und die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt hat nichts besseres zu tun, als zu twittern: „Diese Mannschaft ist wirklich großartig. Stellt euch kurz vor, da wären nur weiße deutsche Spieler.“ Wollte sie damit sagen, gewonnen hat die Mannschaft nur wegen der Nichtweißen? Können Weiße allein nicht gewinnen? Immerhin sorgte der Satz für mehr Empörung, als es sich Frau Göring-Eckardt wohl vorstellen konnte. Der Extremismusforscher Ahmad Mansour schrieb zu recht: „Wer bei der deutschen Nationalmannschaft die Hautfarbe der Spieler thematisiert, betreibt Rassismus, unabhängig von der Motivation dahinter.“ 

Und der Bundestags-Vizepräsidentenkollege von der FDP, Wolfgang Kubicki, reagierte mit der Aussage: „Ich finde es wirklich bedenklich, wenn Menschen in Deutschland nach ihrer Hautfarbe bewertet werden. Die Kollegin sollte diesen Text schnell löschen“. Das tat sie dann auch, immerhin. 

Im „Kampf gegen Rassismus“ kann man sich ja leicht vergaloppieren, wenn man vor seinen Äußerungen nicht nachdenkt und sich auch nicht um Fakten schert, weil man doch auf der richtigen Seite steht. Sobald es den Anschein gibt, deutsche Täter hätten ein dunkelhäutiges Mädchen angegriffen, melden sich Politiker laut und entschieden zu Wort – nur zuweilen auch voreilig.

Die Story aus Grevesmühlen – achtjährigem Kind aus Ghana wurde angeblich ins Gesicht getreten – löste eine Flut politischer Empörungsrituale aus. Doch die Story erweist sich nun als überwiegend inszeniert. Egal – der Verdacht passt einfach viel zu gut zu einem Land, dessen Politiker vor allem gegen „Rechts“ mobilisieren, Gewalt, die von Zugewanderten ausgeht, aber ausblenden. Weil, genau! so etwas den rechten „Fremdenfeinden“ nützen könnte. 

Wenn allerdings junge Leute, gar noch weiße Deutsche, auf Sylt dummes Zeug grölen, werden sie unverpixelt und mit Namen durch die Medienmühle gedreht, gezeichnet für immer. Dass ein afghanisches Ehepaar offenbar seine 15-jährige Tochter getötet hat, deren Lebenswandel den Eltern nicht passte, ist jedoch hierzulande kein Anlass, aufzuschreien oder gar einen „Aufstand der Anständigen“ zu organisieren. Im Gegenteil: Es sollen noch mehr Afghanen nach Deutschland eingeladen werden, findet Außenministerin Baerbock. Wir wollen ja keinen Generalverdacht gegen Afghanen, der ist nur gegen Deutsche erlaubt. 

Ein Schritt in die richtige Richtung

Doch wir wollen nicht verzweifeln. Fangen wir also mit den guten Nachrichten an. Es werden ja nicht nur Tweets zurückgenommen, sondern es gibt wieder Politiker in Deutschland, die von ihrem Amt zurücktreten. Das ist ja seit einigen Jahren völlig aus der Mode gekommen. Was waren das noch für Zeiten, als Jürgen Möllemann wegen eines Einkaufswagenchips zurücktreten musste! Doch ach, der Plural stimmt schon mal nicht, es gibt nur von einer einzigen mutigen Politikerin zu berichten, von Malu Dreyer, und die bringt eher private Gründe vor. Ihre Kräfte reichen nicht mehr aus – und wir wollen ihr das glauben. Und doch können wir nicht umhin, ihren Rücktritt als einen Schritt in die richtige Richtung zu begrüßen, als vorbildlich geradezu. Wir hätten da noch ganz andere Rücktrittswünsche. 

Doch in einer Art Liebeserklärung schreibt der FAZ-Redakteur Jasper von Altenbockum, sie hinterlasse „ein Vakuum“: „Marie-Luise ‚Malu‘ Dreyer ist für die SPD ein Glücksfall, weil sie in Jahren des sozialdemokratischen Niedergangs im Bund zeigen konnte, wie man es auf Landesebene richtig machen kann. Es genügt festzustellen, dass sie zwei geräuschlose Ampelregierungen leitete.“

Dass man mit so wenig so zufrieden sein kann! Denn Dreyer verlässt das Amt nach elf Jahren am Tiefpunkt der Umfragen, und „richtig gemacht“ hat sie es vor allem nicht bei der Flutkatastrophe im Ahrtal. 

Während die Menschen im Nordwesten ihres Landes um ihr Leben kämpften, ging sie schlafen. Rund 140 Bürger starben in dieser Nacht, davon ein Dutzend Hilfloser in einem Pflegeheim, das nicht rechtzeitig evakuiert wurde, weil die Verwaltung Warnungen viel zu spät rausgab. 

Dabei kann der Fürsorgestaat auch anders: Angesichts des zu erwartenden Gewitters hat man in NRW die eine oder andere Fanmeile geräumt. Was vielleicht ein wenig übertrieben ist…

Jedenfalls: Dreyer versprach einen raschen Aufbau des Tals. Und was ließ sich darüber berichten? „Dieser Aufbau bestand darin, dass Dreyer eine linke Aktivistin und Künstlerin als Verantwortliche für den Wiederaufbau installierte. Die machte sich dann daran, freiwilligen Aufbauhelfern die Arbeit zu erschweren. Aus Angst, sie könnten Rechte sein und ihr Engagement könnte den falschen Parteien helfen.“

Bis heute warten viele Menschen im Ahrtal auf die versprochene Hilfe. Stattdessen ist man bei der Bundesregierung damit beschäftigt, Geld in entferntere Regionen der Welt zu lenken. Nimmt man die Ergebnisse vor Ort in Augenschein, lässt sich oft nur Betrübliches schreiben: „Deutsche Autofahrer zahlten mit ihrer Klima-Abgabe beim Tanken offenbar rund 80 Millionen Euro für ein angebliches Klimaschutzprojekt in einer chinesischen Uiguren-Provinz, das sich bei der genaueren Überprüfung als ein verlassener Hühnerstall entpuppte.“

Das Klima ist schuld

Doch was das Ahrtal betrifft, so hat Angela Merkel damals bereits einen Ausweg aus dem politischen Dilemma gefunden: Die Flutkatastrophe verdanke sich – dem Klimawandel. Und gegen den kann man bekanntlich nichts tun, solange die Kühe furzen und die Bürger Fleisch essen. Diese Ausrede wird nun bei jedem neuerlichen politischen Versagen aus der Handtasche gezogen werden, sofern man nicht hilfsweise Putin und den Krieg dafür verantwortlich machen kann.

Doch das wird auf Dauer nicht verfangen. Selbst das IPCC konstatiert, dass Wetterschäden nicht zunehmen und vor allem nicht dem Klimawandel zuzuschreiben seien. Lesenswert dazu: Axel Bojanowskis neues Buch “Was Sie schon immer übers Klima wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten“.

Man könnte auf die Idee kommen, dass Politiker endlich wieder lernen müssten, verantwortlich zu handeln. Ach, was sag ich da. Einfacher ist es doch, die Untertanen zu verunglimpfen, vor allem wenn sie immer das Falsche wählen. 

Dr. Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“. Dieser Beitrag erschien in Erstveröffentlichung auf dem Portal Achgut.com und wir danken für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung - Link: https://www.achgut.com/artikel/toxische_weissheit_ruecknahme_und_ruecktritt

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